Dürre in den USA:Ein Land vertrocknet

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Ob in Oklahoma, Kansas, Nebraska oder Arkansas, überall ähneln sich die Bilder: verdorrte Maisfelder, ausgetrocknete Seen und Tiere, die fast verenden. Die USA erleben derzeit die schwerste Trockenheit seit Jahrzehnten. Experten haben die Hälfte des Landes als Dürreregion eingestuft - einige Akteure schlagen genau daraus Kapital.

Moritz Koch, New York, und Silvia Liebrich, München

Amerika hat nicht vergessen. Die große Dürre der dreißiger Jahre hat sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Damals litt das Land unter der wirtschaftlichen Depression, als sich auf einmal auch die Natur gegen die Menschen zu verschwören schien. Die Anbaugebiete im Süden und im Mittleren Westen verwandelten sich in eine Staubwüste. "Black Blizzards" wirbelten die ausgedörrten Böden auf und verdunkelten den Himmel über New York. Es waren die Jahre des Hungers und der Flucht, die der Nobelpreisträger John Steinbeck in seinem Werk "Früchte des Zorns" verewigt hat. Und es sind die Jahre, an die die Farmer heute denken, da ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden könnten.

Die USA erleben die größte Dürre seit zwei Generationen. Der Preis für Mais ist deshalb auf den Rohstoffmärkten seit Mitte Juni um fast 60 Prozent gestiegen. (Foto: Bloomberg)

Amerika erlebt die schwerste Trockenheit seit zwei Generationen. Die Klimaexperten des National Drought Mitigation Center haben die Hälfte des Landes als Dürreregion eingestuft. Von einer "Naturkatastrophe epischen Ausmaßes" spricht Pat Quinn, Gouverneur von Illinois. Und ihre Folgen sind auf der ganzen Welt zu spüren. Weil die USA weltweit zu den wichtigsten Agrarproduzenten zählen, hält die Dürre auch die Rohstoffmärkte im Griff. Der Preis für einen Scheffel Mais ist seit Mitte Juni um 59 Prozent gestiegen, acht Dollar kostete er am Donnerstag - ein Rekord. Im selben Zeitraum verteuerte sich Weizen um 46 Prozent, Reis um elf Prozent.

Die Lage ist ernst: Importabhängige Staaten in Afrika und dem Nahen Osten müssen sich um die Nahrungssicherheit ihrer Bevölkerung sorgen, zumal auch die Exportnationen Russland und Kasachstan mit einer enttäuschenden Ernte rechnen. David Beckmann, Chef des Hilfswerks Brot für die Welt, schlägt Alarm: "Die steigenden Preise treffen die Ärmsten am härtesten."

Spekulanten und Großinvestoren verschärfen die Situation

In Entwicklungsländern geben Familien bis zu zwei Dritteln ihres Einkommens für eine einzige Getreidesorte aus. In vielen Fällen ist es Mais, oft auch Reis oder Weizen. Es gibt einen Präzedenzfall, und der zeigt das Ausmaß der drohenden Katastrophe: Als sich 2008 die Getreidepreise innerhalb eines Jahres verdoppelten, stieg die Zahl der Hungernden um 200 Millionen an. Auch die Revolten des arabischen Frühlings im vergangenen Jahr wurde von teuren Lebensmitteln angeheizt.

Spekulanten und Großinvestoren verschärfen die Situation, ein Szenario wie derzeit durch die Dürre kommt für sie einer Lizenz zum Gelddrucken gleich. Mit ihren Finanzwetten treiben sie die Preise für Grundnahrungsmittel immer neuen Höhen entgegen; Indizien dafür gibt es genügend. So hat sich etwa die Anzahl der Terminkontrakte auf Weizen an einem der wichtigsten Handelsplätze, dem Chicago Board of Trade, in den vergangenen zehn Jahren verfünffacht, obwohl die Erntemenge nahezu gleich blieb.

Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Langzeitprognosen ergeben, dass sich die Trockenheit in den USA bis in den August fortsetzt. Das Landwirtschaftsministerium in Washington warnt: Schon jetzt sind mehr als ein Drittel der Maispflanzen in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand. Ob in Oklahoma, Kansas, Nebraska oder Arkansas, überall ähneln sich die Bilder: verdorrte Maisfelder, ausgetrocknete Seen, verzweifelte Rancher, die versuchen, ihr Vieh zu verscherbeln, bevor es verendet. Inzwischen wurde in mehr als 1000 Gemeinden der Notstand ausgerufen - auch das ein Rekord.

Erinnerungen an das Dürre-Desaster der dreißiger Jahre

Dabei waren die Farmer so optimistisch, als sie ihr Saatgut ausbrachten. Nach einem milden Winter sprach alles für ein gutes Jahr, sogar eines, das die Getreidespeicher, deren Reserven nach enttäuschenden Ernten zusammengeschrumpft waren, wieder auffüllen würde. Inzwischen werden ganz andere Szenarien durchgespielt. Experten warnen, dass sich das Dürre-Desaster der dreißiger Jahren wiederholen könnte.

Auch in Amerika werden die Ärmsten am stärksten betroffen sein. Jene Familien, die ohnehin unter den Folgen der Finanzkrise und der hohen Arbeitslosigkeit leiden und auf Lebensmittelmarken angewiesen sind. Vor allem Fleisch wird teurer werden - Rinder, Schweine und Geflügel werden in den USA mit Mais gefüttert. Die Dürre entfacht auch die Diskussion um Biosprit neu. Die USA sind neben Brasilien weltweit der größte Produzent von Biokraftstoffen. Fast die Hälfte der amerikanischen Maisproduktion landet inzwischen im Tank und nicht auf dem Teller. Riesige Monokulturen werden dafür bewirtschaftet, mit hohem Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln. Kritische Wissenschaftler warnen seit Jahren, dass dies die Böden überstrapaziert und zu einer ähnlichen Katastrophe führen könnte wie in den 1930er Jahren.

Vielleicht werden ihre Warnungen schon bald ernst genommen. In Washington stoßen sie allerdings bislang auf taube Ohren. Landwirtschaftsminister Tom Vilsack versucht es mit traditionellen Methoden. Statt dafür zu sorgen, dass der Rest der Maisernte dem Zugriff der Raffinerien entzogen wird, sagt er: "Ich falle jeden Tag auf die Knie und bete, dass es regnet."

© SZ vom 20.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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