Iran ist eine bitter-süße Versuchung für deutsche Unternehmer: Wer sich hintraut, kann Milliarden machen, muss gleichzeitig aber auch sämtliche Skrupel über Bord werfen. Deutsche Mittelständler haben sich für die Milliarden entschieden.
Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad greift nach der Atombombe, die internationale Gemeinschaft fordert deshalb Sanktionen. Deutsche Unternehmen verdienen prächtig an dem Regime.
(Foto: Foto: AP)Waren im Wert von mehr als drei Milliarden Euro wurden 2009 von deutschen Unternehmen nach Iran exportiert. Und gleichzeitig beide Augen zugedrückt, als Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad sich vor den Vereinten Nationen in antisemitischer Hetze erging, in Teheran brutal die Opposition zusammenschlagen ließ oder sich im Atomstreit ein Katz-und-Maus-Spiel mit der internationalen Gemeinschaft lieferte.
Das Exportgeschäft mit dem Land läuft stabil auf hohem Niveau. Auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Januar noch frohlockte, dass sich der Handel mit dem Land "deutlich" reduziert habe, die Deutschen liefern weiterhin beeindruckende Zahlen. Denn gemessen an den Export-Einbrüchen auf anderen Märkten, wiegt der Rückgang im Iran-Geschäft mit acht Prozent nur gering.
Matthias Küntzel, Politologe und Publizist, der den deutsch-iranischen Verflechtungen zwei Bücher gewidmet hat, weist auf das Prestige hin, das deutsche Unternehmen vor Ort besitzen: "Deutschland war und ist ein First-Class-Handelspartner des Iran", sagt Küntzel. Darüber könnten auch die Sanktionsversuche der Bundesregierung nicht hinwegtäuschen.
Doch nicht alle können vor Ort noch Kasse machen: Seit Siemens im Januar seinen Rückzug aus Iran angekündigt hat, scheinen auch die anderen Dax-Schwergewichte kalte Füße zu bekommen. Nun folgen Allianz und der Rückversicherer Munich RE Siemens' Beispiel.
Linde, ein weiterer deutscher Konzern, der auf dem iranischen Markt bislang in der ersten Reihe mitgemischt hat, wankt derweil noch. Ein Konzern-Sprecher sagte zu sueddeutsche.de, dass der Gaseproduzent vorerst "kein relevantes Neugeschäft" in dem Land plane. Die Münchener hätten bei einem Rückzug nicht viel zu verlieren, der Anteil des Iran-Geschäfts macht bei Linde weniger als ein Prozent des Gesamtumsatzes aus.
Bayer sieht "keinen Grund" für Rückzug
Gegen diesen Trend stemmt sich der Chemiekonzern Bayer. Dort sehe man "keinen Grund", das Geschäft mit dem Land einzustellen oder auch nur einzuschränken, teilt der Konzern mit. Man pflege zu den Kunden in Iran "sehr gute" und "langjährige Geschäftsbeziehungen".
Dennoch: Die Tendenz ist deutlich, die großen Unternehmen meiden das Land zusehends. Ein Phänomen, das man derzeit vor allem bei den Dax-Konzernen beobachten könne, wie der Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer, Michael Tockuss, feststellt. "Die Zeit für die großen Deals ist vorbei", sagt Tockuss.
Der Siemens-Rückzug könnte Signalwirkung für andere deutsche Unternehmen haben, so Küntzel. Die Unternehmen müssten sich die langfristige Perspektive vor Augen führen: Wer heute mit dem Regime kooperiert, könne schon bald zu den Verlierern gehören.
Doch was für die Dax-Riesen zutreffen mag, stimmt für die kleinen Unternehmen und Mittelständler nur bedingt. Zwar bemerkt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) eine gesteigerte Sensibilität unter den Maschinenbauern aufgrund der politischen Situation in Iran, dass ein Mittelständler sich aufgrund des Siemens-Rückzugs ebenfalls aus dem Land verabschieden werde, bezweifelt VDMA-Außenwirtschaftsexperte Klaus Friedrich jedoch.
Finanzierungen platzen
Schwierigkeiten bereitet den Unternehmen indes die Finanzierung ihrer Projekte, deutsche Kapitalgeber sind nur schwer zu gewinnen - die meisten Banken sind vor Ort nicht mehr aktiv. Man könne aber davon ausgehen, dass die deutschen Maschinenbau-Unternehmen auch 2009 auf etwa "gleichem Niveau" in Iran gewirtschaftet hätte. Einen massiven Einbruch des Geschäfts erwartet Friedrich auch für dieses Jahr nicht, sollte es nicht noch zu drastischeren Sanktionen kommen. "Wer nicht tagtäglich im Rampenlicht steht, braucht sich über seine Außenwirkung nicht so viele Gedanken machen wie ein Konzern wie Siemens", sagt Friedrich.