Süddeutsche Zeitung

Dubiose Aktiendeals:Dutzende Ermittlungsverfahren gegen Banken und Fonds

Sie sollen den Staat mit trickreichen Aktienkäufen und -verkäufen um mehr als eine Milliarde geprellt haben: Deutsche Finanzbehörden ermitteln gegen Dutzende Kreditinstitute und Fonds wegen Steuerhinterziehung. Allein in Hessen schätzen Ermittler das Betrugsvolumen auf 979 Millionen Euro.

Von Klaus Ott

Der deutsche Fiskus ermittelt gegen Banken und Geldanlagefonds, die den Staat mit dubiosen Aktiendeals um einen Milliardenbetrag betrogen haben sollen. Bei den Finanzbehörden sind mehr als 50 Verfahren anhängig. In mehr als zehn Fällen sind wegen des Verdachts auf besonders schwerwiegende Steuerhinterziehung bereits Staatsanwälte eingeschaltet worden. Das sind die Ergebnisse einer SZ-Umfrage bei den Finanzministerien mehrerer Bundesländer. Sie nannten wegen des Steuergeheimnisses keine Details.

Bekannt ist, dass Geldinstitute wie die Hypo-Vereinsbank und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) betroffen sind. Die HSH Nordbank, die ebenso wie die LBBW dem Staat gehört, hat bereits 127 Millionen Euro an den Fiskus zurückgezahlt. Die Behörden untersuchen schon seit Längerem Börsengeschäfte, bei denen es bis 2012 aufgrund einer Gesetzeslücke möglich war, den Fiskus auszunehmen. Beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividendenanspruch ließen sich Banken und deren Geschäftspartner eine nur einmal gezahlte Kapitalertragssteuer von den Finanzämtern mehrmals erstatten.

979 Millionen allein in Hessen

Der Fiskus durchschaute diese Deals spät, begann dann aber, intensiv zu ermitteln. Die Behörden glauben, es sei illegal gewesen, die Gesetzeslücke auszunutzen. In Hessen laufen momentan 30 Verfahren, bei denen es um 979 Millionen Euro geht. Hessen ist wegen der Banken-Metropole Frankfurt besonders betroffen. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt inzwischen in vier von diesen Fällen. In Bayern untersuchen die Finanzbehörden acht Fälle mit einem Betrugsvolumen von 372 Millionen Euro. In Nordrhein-Westfalen sind es fünf Verfahren und 50 Millionen Euro.

Aktuelle Fallzahlen nannten auch Hamburg (13) und Baden-Württemberg (2), sie machten aber keine Angaben zum finanziellen Umfang. Der Fiskus in Baden-Württemberg hat bereits mehr als 100 Aktiendeals "unter Cum/Ex-Gesichtspunkten einer Prüfung unterzogen". Ergebnisse teilt das Finanzministerium nicht mit. Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart geht dem Verdacht nach, dass die LBBW das Land, ihren Miteigentümer, betrogen hat. Ermittelt wird offenbar gegen frühere Manager.

Bei der Hypo-Vereinsbank hakte man schon 2006 nach - ohne Ergebnis

Bei der LBBW soll es um mehr als 100 Millionen Euro gehen. Die Landesbank in Stuttgart war wie die HSH Nordbank in der Finanzkrise mit staatlichen Mitteln in Milliardenhöhe vor der Pleite bewahrt worden. Die LBBW erklärte zu den Untersuchungen, aus ihrer Sicht seien "alle Handlungen, die dem Geist der Steuer-Gesetzgebung widersprechen, nicht akzeptabel".

Am weitesten gediehen sind die Ermittlungen bei der Hypo-Vereinsbank (HVB), die zusammen mit Geschäftspartnern den Staat offenbar um 200 Millionen Euro geschädigt hat. HVB-Dokumenten zufolge hatte die Bundesbank dort bereits 2006 argwöhnisch nach dem Sinn und Zweck bestimmter Aktiendeals gefragt, war dann aber wohl getäuscht worden. In einer internen Mail notierte ein HVB-Verantwortlicher bereits im Juli 2009, "diese Art von Steuerbetrug scheint in der Tat weit verbreitet zu sein".

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SZ vom 05.04.2014/ipfa
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