Süddeutsche Zeitung

Geplante Fusion:Wie der neue Entsorgungs-Gigant dem Wettbewerb schaden könnte

  • Das DSD lizenziert das wichtigste Recyclingsystem, Remondis ist Entsorger. Das DSD vergibt auch Aufträge an Remondis.
  • Stimmt das Kartellamt einer Fusion der beiden Unternehmen zu, entstünde ein Gigant am deutschen Müllmarkt, wie es ihn noch nicht gegeben hat.
  • Wettbewerbsökonom Justus Haucap sieht eine Fusion als riskant an: Die Macht der Beiden sei jetzt schon viel zu groß, das würde bei einer Fusion noch schlimmer.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wie viel Macht darf eine Müllfirma haben? Und was passiert, wenn ein Konzern übermächtig wird?

Es sind kitzlige Fragen, mit denen sich das Bundeskartellamt dieser Tage beschäftigen muss. Die Causa heißt Remondis/ DSD. Remondis, eine Tochter der westfälischen Rethmann-Gruppe, ist durch Zukäufe zum mit Abstand größten Entsorger Deutschlands geworden. DSD ist besser bekannt über seinen "Grünen Punkt": Mit dem lizenziert das "Duale System Deutschland", ein Recyclingsystem, Verpackungen aller Art, um dann Entsorger mit der Abholung von Verpackungsmüll zu beauftragen. Das DSD ist das größte dieser Lizenz-Systeme im Land. Mehr als jede dritte Verpackung, ob aus Kunststoff, Pappe oder Glas, ist hier unter Vertrag.

Stimmt das Kartellamt einer Fusion zu, entstünde ein Gigant am deutschen Müllmarkt, wie es ihn noch nicht gegeben hat. Branchenkenner erwarten eine Entscheidung noch vor Ostern, womöglich schon in der kommenden Woche. Das Kartellamt schweigt dazu. "Die Prüfung läuft", heißt es dort nur. Derzeit höre man die Beteiligten an, "um ein umfassendes Bild zu gewinnen".

Das ist an diesem Markt alles andere als einfach. Zu dem Bild gehören zunächst die acht verschiedenen "dualen Systeme". Wer in Deutschland eine Verpackung auf den Markt bringen will, muss einen Vertrag schließen, um eines dieser Systeme zu nutzen. Das soll sicherstellen, dass die jeweilige Verpackung - aus welchem Material sie auch ist - am Ende verwertet wird. Nach Möglichkeit so, dass sich die Stoffe wieder nutzen lassen.

Sind die Verpackungen lizenziert, müssen sie abgeholt werden. Müllautos müssen gelbe Tonnen leeren oder gelbe Säcke einladen; im Idealfall haben die Verbraucher den Müll vorher ordentlich sortiert. Wessen Müllautos zum Zuge kommen, entscheidet sich in Ausschreibungen. Dafür ist das Land in rund 400 Entsorgungsregionen aufgeteilt, die Ausschreibungen wiederum organisieren die dualen Systeme, und zwar je nach Marktanteil. Das DSD organisiert deshalb besonders viele dieser Ausschreibungen. Um den Abtransport wiederum bewerben sich Entsorgungsfirmen wie Remondis. Die Vergabe wird überwacht.

Entsorgungsfirmen, die den Zuschlag gewonnen haben, bringen zum Beispiel Gelbe Säcke zur Sortieranlage für Verpackungsabfälle, Papier und Pappe nach einer Vorsortierung zur Papierfabrik, Glas zur Glasaufbereitung. Was die Sortieranlage als unsortierbar auswirft, wandert weiter zur Müllverbrennungsanlage.

Für Konkurrenten ist die Macht von DSD und Remondis so schon ein Albtraum

Und hier überall liegen die Probleme. Nicht nur sind Remondis und DSD Marktführer auf ihrem Gebiet. Remondis betreibt auch im großen Stil Sortieranlagen, Anlagen für die Glasaufbereitung, ist an Müllverbrennungsanlagen beteiligt und verfügt mit dem Logistiker Rhenus auch noch über reichlich Kapazitäten, um Müll durchs Land zu karren. Für die Konkurrenz also sowieso schon ein Albtraum.

Die Konkurrenten haben den Wettbewerbsökonomen Justus Haucap in Gang gesetzt, in zwei Gutachten hat er sich die Folgen der Fusion angeschaut. Haucap, einst Chef der Monopolkommission, malt ein düsteres Bild. Durch die geplante Übernahme werde das neue Unternehmen in eine "einzigartige Position" versetzt, "durch das Beherrschen der gesamten Wertschöpfungskette auf vielen Märkten (...) den Wettbewerb in erheblichem Maße negativ zu beeinflussen", schreibt er. Auftraggeber ist der Branchenverband bvse, ein Zusammenschluss von Entsorgungs-Unternehmen. Es sei "auf zahlreichen Märkten mit einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs zu rechnen", so Haucap.

Sehr viele sind von Remondis abhängig

So habe Remondis Einfluss auf 41 Prozent aller Glasaufbereitungsanlagen. Künftig könne Remondis von der DSD-Konkurrenz höhere Preise verlangen, während die neue Tochter günstige Konditionen erhielte. Der so entstehende Kostenvorteil könne dann dazu führen, dass die Lizenzgebühren für Glas beim DSD fallen, bei der Konkurrenz aber steigen - und so die Marktanteile des Grünen Punktes weiter wachsen. Auch beim Recycling von Kunststoffen sieht Haucap vergleichbare Effekte, hier verstärkt durch die starke Stellung von Remondis bei der Müllverbrennung. Bei Aluminium könne eine Remondis-Beteiligung an einer Pyrolyse-Anlage, also einer erhizenden Recycling-Anlage, dem DSD nutzen, zu Lasten der Wettbewerber. Zu erwarten sei, so urteilte Haucap in seinem ersten Gutachten, "dass sich der Marktanteil von DSD nach dem Zusammenschluss erhöht und damit das Abschottungspotenzial noch größer wird".

Remondis selbst will sich wegen des laufenden Kartellverfahrens zu Einzelheiten nicht äußern. "Am Ende gelten für alle dualen Systeme die gleichen Regeln", sagt Remondis-Chef Herwart Wilms. "Da muss sich niemand Sorgen machen." Dem Ergebnis der Prüfung sehe man gelassen entgegen. Eine Gelassenheit, die dem bvse, einem Zusammenschluss meist mittelständischer Entsorger, derzeit abgeht. "Die Marktmacht ist im Falle von Remondis einzigartig und erdrückend", sagt Verbandschef Eric Rehbock. Er fürchtet "existenzbedrohliche Auswirkungen". Andere in der Branche verkneifen sich solche Deutlichkeit, man sieht sich immer zweimal im Leben. Und Remondis ist groß, die gegenseitigen Abhängigkeiten sind immens. "Wer gegen Remondis aussagen will", sagt ein Insider, "braucht ein gutes Zeugenschutzprogramm".

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