Drohende Insolvenz bei Solarworld:Gescheitert an der Billig-Konkurrenz

Gläubigerversammlung Solarworld

Frank Asbeck, der Chef des schwer angeschlagenen Sonnenunternehmens Solarworld

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Vom Bonner Hinterhofbüro zum weltweit führenden Solarkonzern: Der Aufstieg von Solarworld war steil, nun droht dem Solarunternehmen die Insolvenz. Alles hängt von der Zustimmung der Aktionäre zu einem Sanierungsplan ab.

Von Markus Balser

Solarworld-Gründer Frank Asbeck war in den vergangenen Jahren immer da, wenn es um die große Geste ging: Vor fünf Jahren schenkte er dem Papst eine Solaranlage für das Dach der päpstlichen Audienzhalle in Rom. Er bot an, den angeschlagenen Autobauer Opel zu retten und bewahrte Schlösser vor dem Verfall. Zu seinem Markenzeichen machte er den König der Tiere, den Löwen - als Zeichen von unbändiger Kraft.

An diesem Montag in Bonn ging es am Konzernsitz Bonn zwar wieder um die große Geste und um viel Energie. Diesmal allerdings ganz anders, als es der schillernde Solarpionier es gewohnt ist. Denn vom Glanz des einstigen Börsenstars ist nichts geblieben. Asbecks Firma droht der rasante Untergang. In letzter Minute warb er am Dienstag bei Investoren um einen Millionenverzicht. Nur, wenn die Gläubiger Europas größtem Solarkonzern große Teile seiner Schulden erlassen, hat der grüne Konzern überhaupt noch eine Chance.

Erst nach mehrstündigen Verhandlungen fiel die Entscheidung: Die Gläubiger einer 150-Millionen-Euro-Anleihe nickten das Sanierungskonzept ab. Sie verzichten damit auf 55 Prozent ihrer Forderungen und rücken die Rettung des Konzerns in greifbare Nähe. Dennoch bleibt die Lage vorerst bedrohlich. Am Dienstag treffen sich die Gläubiger einer weiteren, 400-Millionen Euro schweren Anleihe. Am Mittwoch müssen auch die Aktionäre dem Plan auf einer Hauptversammlung zustimmen.

Exemplarisch für gesamte Solarbranche in Europa

Verweigert nur ein Gremium seine Zustimmung, sind die Sanierungspläne geplatzt. Solarworld müsste Insolvenz anmelden. Mit der Entscheidung vom Montag gilt eine Annahme des Plans in den weiteren Gremien allerdings als wahrscheinlich. Wie kaum eine andere Firma steht das Bonner Unternehmen für den sagenhaften Aufstieg aber auch den dramatischen Fall der gesamten Solarbranche in Europa.

Binnen zehn Jahren formte Asbeck aus einem Bonner Hinterhofbüro einen der weltweit führenden Solarkonzerne. 1998 gründete er Solarworld, ein Jahr später folgte der Börsengang. Im November 2007 notierte die Aktie bei 48 Euro, zeitweise war das Unternehmen rund fünf Milliarden Euro wert. Doch mit der Expansion chinesischer Konkurrenten, die heute 80 Prozent des hiesigen Marktes beherrschen, kam der tiefe Fall. Die meisten Firmen schrieben Verluste, die Kurse stürzten ab - auch bei Solarworld. Heute kosten die Papiere gerade mal noch 70 Cent.

Billigkonkurrenz aus China

Der harte Konkurrenzkampf mit Chinas Billiganbietern und die gekürzte Solarförderung in Deutschland trieben Europas führende Konzerne zuletzt gleich reihenweise in den Ruin. Im vergangenen Jahr brachen die Preise für Module um 40 Prozent ein. Branchengrößen wie Q-Cells oder Solon mussten aufgeben. Auch der einstige Weltmarktführer Conergy rutschte vor einigen Wochen in die Insolvenz. Mit Solarworld hängt nun auch der letzte große Anbieter am seidenen Faden. Und das, obwohl Solarworld zuletzt auf EU-Ebene fast im Alleingang Strafzölle gegen Dumpingsünder aus China durchgesetzt hatte.

Das Ziel des drastischen Rettungsplans: Der Schuldenberg soll von derzeit einer Milliarde Euro auf 400 Millionen sinken, damit das Unternehmen nicht von der Last erdrückt wird. Das Überleben sichern soll zudem eine Millionenspritze aus dem Wüstenstaat Katar. Der Solarworld-Partner Qatar Solar zahlt für ein Aktienpaket 35 Millionen Euro ins Unternehmen ein und wird größter Aktionär. Für die Rettung von Solarworld müssen auch die Aktionäre bluten. Den bisherigen Eignern steht demnach ein sogenannter Kapitalschnitt bevor. Ihr Anteil am Unternehmen sinkt auf unter fünf Prozent. 150 bisherige Aktien werden zu einer zusammengelegt.

Damit endet bei Solarworld in den nächsten Wochen eine Ära. Denn Gründer Asbeck, der in der Krise zuletzt mit seinem barocken Lebensstil angeeckt war und drei Schlösser am Rhein sein Eigen nennt, verliert die Vorherrschaft über das Unternehmen. Auch er will sich zwar mit weiteren zehn Millionen Euro an der Rettung beteiligen. Zusammen kommen die beiden entscheidenden Geldgeber künftig dann auf 49,9 Prozent der Aktien. Der Anteil des 54-jährigen Firmenchefs am Unternehmen schrumpft allerdings mit dem Rettungsplan von knapp 30 auf gut 20 Prozent.

Besser als Totalverlust

Die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) sieht die Rettungsversuche trotz hoher Verluste für Aktionäre und Gläubiger allemal für lohnend an. "Das ist immer besser als eine Insolvenz, die für die Aktionäre meist Totalverlust heißt", sagte ein Sprecher.

Die Zeit drängt, denn dem Unternehmen geht das Geld aus. Der Umsatz von Solarworld ist im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent auf 201 Millionen Euro gesunken. Nach vorläufigen Zahlen verbuchte die Firma einen Konzernverlust von fast 70 Millionen Euro. Die liquiden Mittel sanken um fast 30 Prozent auf rund 160 Millionen Euro. Auch für die 2600 Mitarbeiter, die Solarworld an den Produktionsstandorten in Freiberg/Sachsen und Hillsboro im US-Bundesstaat Oregon sowie der Zentrale in Bonn beschäftigt, geht es um ihre Existenz.

Einer bleibt optimistisch: Gründer Frank Asbeck. "Mit 99,9 Prozent Zustimmung haben die Gläubiger gezeigt, dass sie an Solarworld glauben", sagte er.

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