Im Gespräch: Drogerie-Chef Roßmann:"Die Angestellten haben Manipulation befürchtet"

Spannungen und Machtkämpfe: Wer Chef von 30.000 Mitarbeitern ist, muss etwas von Streitkultur verstehen. Drogerieketten-König Dirk Roßmann über Psychotrainings und unanständige Preise.

K. Läsker

Er empfängt in einem fremden Büro, und er ist nicht allein: Drogeriekönig Dirk Roßmann, 64, in Hemd und Cordhose, hat seinen älteren Sohn Daniel mitgebracht. Zitiert werden möchte der 34-Jährige nicht, obwohl er und sein Bruder einmal Deutschlands drittgrößte Drogeriekette leiten sollen. Doch das kann dauern, ihr Vater baut gerade die Zentrale in Hannover aus - so wie er ständig expandiert und neue Läden eröffnet. Weil sein neues Büro noch ohne Möbel ist, lümmelt sich Roßmann auf das Sofa seines Finanzchefs und gibt sich streitlustig. Hinterher will er vieles lieber nicht gesagt haben.

Zweimal Gold für Dirk Roßmann/Unternehmerehrung in Berlin

Dirk Roßmann gründete als 25-Jähriger seine erste Drogerie; seitdem lockt er die Deutschen mit Billigpreisen in die Läden - und baute so innerhalb von 39 Jahren die drittgrößte Drogeriekette Deutschlands auf. die Rossman AG.

(Foto: obs)

SZ: Herr Roßmann, in Deutschland werden alle großen Drogerieketten von Familien geführt. Was machen Familien besser als Konzerne?

Dirk Roßmann: Wir arbeiten mit viel mehr Liebe zum Detail als konzerngebundene Unternehmen das in der Regel wollen oder können. Rossmann führt mehr als 15.000 Artikel, und zu vielen haben wir einen persönlichen Bezug. Nehmen Sie zum Beispiel Luvos Heilerde. Eine Lebensmittelkette würde dieses Nischenprodukt wahrscheinlich sofort auslisten. Wir führen es trotzdem, weil einige unserer Kunden es bei uns erwarten.

SZ: Wie wichtig sind denn Schnäppchenpreise?

Roßmann: Sehr wichtig. Aber die Produkte müssen auch gut sein - wie unser Rossmannschirm für 2,75 Euro, der häufig in der Fachpresse ausgelobt wurde.

SZ: Geld verdient man mit so einem Schirm aber nicht, oder?

Roßmann: Es gibt viele Produkte, mit denen wir viel umsetzen, aber nur wenig verdienen. Der Preiskampf ist heftig und die Margen sind oft klein. Das Geld verdienen wir eher mit unseren Eigenmarken. Sie machen 38 Prozent aller verkauften Artikel aus.

SZ: Die deutschen Urlauber merken es: Zu Hause ist in den Drogerien vieles billiger. Was ist das Geheimnis der niedrigen Preise?

Roßmann: Bei uns ist der Wettbewerb stark ausgeprägt und der Preiskampf entsprechend groß. Wer erfolgreich sein will, muss mit ein bis zwei Prozent Gewinn vor Steuern zufrieden sein. In anderen Ländern erzielen Händler bis zu neun Prozent Rendite vom Umsatz, aber das finde ich unanständig. Das kann man machen, wenn man eine Parfümerie betreibt, aber nicht, wenn man Lebensmittel und Windeln verkauft.

SZ: Unanständig? Sie verzichten doch nicht freiwillig auf Gewinn.

Roßmann: Wir sind prozentual mit weniger zufrieden, wobei bei Milliardenumsätzen schon noch ein anständiger Betrag übrigbleibt.

SZ: Sie verkaufen vieles zu Billigpreisen, drückt das auf die Löhne?

Roßmann: Wir haben bei Rossmann immer mindestens nach Tarif bezahlt und geben unseren Mitarbeitern weitere Vergünstigungen, wie einen Gutschein über 50 Euro zum Geburtstag. Auch erhält jeder Mitarbeiter mehrmals im Jahr ein Paket mit diversen Eigenmarken.

SZ: Klingt gut, aber Tarifverträge unterzeichnen Sie trotzdem nicht.

Roßmann: Wir sind auch nicht bundesweit Mitglied im Hauptverband des Deutschen Einzelhandels. Ich habe Verbände und Verbandsarbeit nie besonders gemocht. Bevor ich hohe Mitgliedsbeiträge entrichte, gebe ich das Geld lieber meinen Mitarbeitern.

SZ: Mögen Sie denn Betriebsräte?

Roßmann: Selbstverständlich. Wir haben acht Betriebsratsregionen mit rund 150 Betriebsräten, 34 davon sind freigestellt. Die Geschäftsführung arbeitet mit dem Gesamtbetriebsrat im Interesse der Mitarbeiter und des Unternehmens mit wechselseitigem Respekt zusammen. Dazu gehört auch gelegentlich eine konstruktive, nicht verletzende Streitkultur.

"Wir sind im Süden und Südwesten nicht ausreichend vertreten"

SZ: Bei Ihnen wird das Streiten eingeübt; Sie schicken Mitarbeiter in psychologische Trainings in die Lüneburger Heide - was passiert da eigentlich?

Roßmann: Wir haben in den vergangenen Jahren mehr als 500 Mitarbeiter des mittleren und oberen Managements an sogenannten Rossmann-Jahresgruppen teilnehmen lassen. In diesen gruppendynamischen Kursen wird nach den Grundsätzen der "Themenzentrierten Interaktion" gearbeitet. Man lernt beispielsweise in der ersten Person von sich zu sprechen, mit Kritik konstruktiv umzugehen, zu streiten und sich und andere sensibler wahrzunehmen.

SZ: Gehen die Angestellten gern hin?

Roßmann: Als wir mit der Gruppenarbeit vor 30 Jahren anfingen, waren manche skeptisch. Sie befürchteten vielleicht Manipulation oder eine zu weitgehende Preisgabe persönlicher Dinge. Doch dann haben immer mehr Mitarbeiter die Erfahrung gemacht, dass die Teilnahme an einer solchen Gruppe eine persönliche Bereicherung ist.

SZ: Was bringt das der Firma?

Roßmann: Unsere Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung und zu kommunikativer Interaktion haben den Geist des Unternehmens nachhaltig geprägt. Wir haben keine festgeschriebene Firmenphilosophie, keine "Goldenen Regeln", aber es ist wichtig, dass sich die Mitarbeiter mit Achtsamkeit und Respekt begegnen.

SZ: Das klingt arg positiv. Gibt es keine Grenzüberschreitungen?

Roßmann: Doch, die gibt es natürlich auch bei uns. Wo Menschen zusammenkommen, gibt es Spannungen, Machtkämpfe und Missverständnisse. Sie werden nicht 30.000 Mitarbeiter beschäftigen können, ohne dass es manchmal zu Komplikationen und Irritationen kommt. Letztlich zählt nur, dass das Miteinander kraftvoller gewollt und gelebt wird als das Gegeneinander.

SZ: Haben Sie in diesem größer werdenden Verbund noch den Durchblick?

Roßmann: Ich besuche nach wie vor viele Filialen, vielleicht 50 Märkte im Monat - früher waren es noch mehr. Im Übrigen verteilt sich die Verantwortung auf viele Schultern.

SZ: Kündigen Sie sich bei solchen Besuchen an?

Roßmann: Ich wäre schlecht beraten, wenn ich das täte. Mir geht es darum, den tatsächlichen Zustand des Ladens mitzubekommen und nicht eine Theatervorstellung. Ich achte auf Sauberkeit, möglichst lückenlose Warenversorgung und die Art des Umgangs der Mitarbeiter untereinander und gegenüber dem Kunden.

SZ: Können Sie in so kurzer Zeit überhaupt begreifen, was da los ist?

Roßmann: In der Regel erspüre ich recht schnell die Atmosphäre im Laden und kann unterscheiden, ob der Markt gut oder schlecht geführt ist.

SZ: Wo hört Ihre Toleranz auf?

Roßmann: Wer das Unternehmen bestiehlt, ist nicht tragbar. In Kleidungsfragen sind wir locker, aber der Mitarbeiter sollte schon einen kleinen Unterschied machen, ob er zum Baggersee geht oder in die Firma kommt.

SZ: Sie expandieren kräftig; wie viele Rossmann-Märkte kann Deutschland noch vertragen?

Roßmann: Jede Menge, wir sind im Süden und Südwesten Deutschlands immer noch längst nicht ausreichend vertreten.

SZ: Sie gelten als streitbarer Unternehmer. Wie viele Prozesse haben Sie schon geführt?

Roßmann: Die habe ich nicht gezählt. In den Jahren zwischen 1985 und 1995 wollte ich von den großen Parfümherstellern direkt beliefert werden. Die haben dies mit Hinweis auf das Depotsystem abgelehnt. Viele Gerichtsverfahren bis hin zum Bundesgerichtshof blieben für mich ohne rechten Erfolg. Ich bin für freien Wettbewerb - nicht für reglementierten. Das deutsche Depotsystem ist antiquiert, wettbewerbs- und verbraucherfeindlich. Wenn ich direkt beliefert werden würde, würde der Preis für Chanel-Parfüm schnell 30 Prozent billiger. Solange dies nicht möglich ist, wird die goldene Nase von Douglas größer und größer.

"Ich habe keinen Laptop und kein Handy"

SZ: Mit der Verbraucherzentrale in Hamburg haben Sie auch Streit. Die wirft Ihnen vor, falsche Rabatte vorzugaukeln.

Roßmann: Eine fragwürdige Kampagne. Die Verbraucherzentrale hat keinen Kontakt zu uns aufgenommen. Sie agiert ausschließlich über die Medien. Es geht um die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller. Wir ziehen sie bei Werbepreisen zum Vergleich heran.

SZ: Für viele Produkte verlangte Rossmann aber von Anfang an einen niedrigeren Preis als den von den Herstellern empfohlenen. Kunden sparen bei Ihren Rabatten also oft weniger, als die Werbung sie glauben lässt.

Roßmann: Aber ich bitte Sie: Unverbindliche Preisempfehlungen sind keine Phantasiepreise - sie entsprechen den Wertvorstellungen der Hersteller und sind behördlich angemeldet. Außerdem behaupten wir auch gar nicht, dass sich die Ersparnis des Kunden in diesen Fällen auf unsere Regalpreise bezieht.

SZ: Das versteht kein Mensch.

Roßmann: Doch, 99 Prozent unserer Kunden verstehen das. Natürlich gibt es vereinzelt Irritationen, aber wir wollen nicht grundsätzlich auf diese Information für unsere Kunden verzichten.

SZ: Sie halten das für eine fragwürdige Kampagne der Verbraucherzentrale. Was haben Sie gemacht, dass sich die Verbraucherschützer so verhalten?

Roßmann: Rossmann ist eines der erfolgreichsten Unternehmen im deutschen Einzelhandel. Auch im letzten Jahr sind wir mit 13 Prozent stärker gewachsen als alle namhaften Wettbewerber. Da gibt es Neider. Wen wundert's?

SZ: 2002 ist der Konzern Hutchinson Whampoa aus Hongkong eingestiegen und hält seither 40 Prozent an Rossmann. Dahinter steckt der chinesische Milliardär Li Ka-Shing. Welches Verhältnis haben Sie zu ihm?

Roßmann: Ich kenne den Herrn leider nicht persönlich. Zu seinen Managern ist die Beziehung offen, und es hat sich im Laufe der Zeit ein freundliches Miteinander entwickelt.

SZ: Sie gehören zu den reichsten Deutschen. Was gönnen Sie sich?

Roßmann: Mein einziger Luxus sind gutes Essen, gute Weine und schöne Hotels. Schauen Sie: Ich trage keine teure Uhr, habe keinen Laptop und kein Handy.

SZ: Sie haben kein Handy?

Roßmann: Nur im Wagen habe ich ein Mobiltelefon. Ich habe auch noch nie in meinem Leben eine SMS bekommen oder geschrieben. Ich weiß gar nicht, wie das geht. Wer mich sprechen will, muss sich an mein Sekretariat wenden.

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