Das Problem ist eigentlich klar: Mobiles Internet soll in deutschen Städten für jeden verfügbar sein. So steht es im Koalitionsvertrag. Doch passiert ist bisher so gut wie nichts. Denn noch immer müssen die Anbieter von öffentlich zugänglichen Wlan-Hotspots damit rechnen, dass sie im Extremfall für eine Straftat mitverantwortlich gemacht werden, die jemand über ihren Netzzugang verübt hat - die sogenannte Störerhaftung. Öffentliche Wlans werden deshalb kaum angeboten.
Ein Gesetzesvorschlag der Bundesregierung sollte diesen Zustand nach jahrelangen Diskussionen endlich beenden, doch der Kompromiss, der nach zähen Verhandlungen Ende vergangenen Jahres innerhalb der Koalition herauskam, löst das Problem nicht. In den Augen von Netzexperten, des Bundesrates, des Handelsverbandes Deutschland und nun auch des SPD-Arbeitskreises Urheberrecht macht er die Sache sogar noch schlimmer.
Also zurück auf Anfang, noch mal diskutieren, Fachleute anhören und so weiter? So wird es wohl sein, denn der geplante Termin für die zweite und dritte Lesung am 13. und 14. Januar wurde verschoben, zunächst um eine Woche. Wie es aussieht, wird es noch länger dauern, vermuten Beobachter.
Wer keine "angemessenen Sicherungsmaßnahmen" vornimmt, riskiert Abmahnungen
Darum geht es: Wer zum Beispiel als Café-Besitzer einen Wlan-Zugang einrichten will, soll laut der Begründung zum Gesetzentwurf "angemessene Sicherungsmaßnahmen gegen den unberechtigten Zugriff auf das drahtlose lokale Netzwerk" treffen. Und er soll die Nutzer auffordern, zu versichern, dass sie keine Straftat begehen wollen.
Störerhaftung:Jetzt entscheidet sich, ob Deutschland Wlan-Entwicklungsland bleibt
Wer einen offenen Internetzugang anbietet, soll ihn gegen kriminelle Machenschaften sichern. Aktivisten laufen gegen den Gesetzentwurf Sturm.
Netzexperten, der Bundesrat, die Opposition, aber auch Wirtschaftsverbände sind entsetzt: Die Bundesregierung verpasse "die Gelegenheit, kleinen und mittelständischen Betrieben die Möglichkeit zu geben, ihren Kunden einfach und unkompliziert Wlan anzubieten", ärgert sich etwa der Handelsverband Deutschland.
Auch die SPD, deren Wirtschaftsminister und Vizekanzler den Gesetzesvorschlag führend mitgestaltete, äußert sich zumindest im Arbeitskreis Urheberrecht nun skeptisch: Der Vorschlag zur Neufassung des Paragrafen acht des Telemediengesetzes "führt unbestimmte Rechtsbegriffe ein, schafft daher nicht die angestrebte Rechtssicherheit und wird im Ergebnis nicht zu mehr, sondern zu weniger offenen Wlan-Angeboten führen".
Das europäische Ausland wundert sich über die deutschen Gesetze
Aber warum die Terz um die Wlan-Sicherheit? Wo doch in den meisten Ländern Europas längst möglich ist, wovor man in Deutschland Angst hat: "Als wir versuchten, das Problem der Störerhaftung zu erklären, schauten wir nur in ratlose Gesichter", berichtet etwa die Linken-Abgeordnete Halina Wawzyniak von einem Besuch in Estland.
Auch ihr Kollege Lars Klingbeil von der SPD argumentiert, dass es kaum negative Erfahrungen mit offenen Wlans gebe: Der groß angelegte Versuch mit öffentlichen Hotspots ohne aufwendiges Anmeldeverfahren habe gezeigt, dass es keinen Missbrauch gab. Auch Betreiber Kabel Deutschland versichert, dass es "im Versuchszeitraum keine IP-Adressabfragen wegen Urheberrechtsverletzungen" gegeben habe.
Fragwürdige Unterscheidung zwischen kommerziellen und privaten Internetanbietern
Die Opposition schäumt: Die drei federführenden Minister hätten in ihren Ausführungen zum Thema eine "weitgehende Ahnungslosigkeit bezüglich der Materie" offenbart, so der Internetexperte der Grünen, Konstantin von Notz. Ihm stößt auch auf, dass zwischen kommerziellen und privaten Internetanbietern unterschieden werde. Die kommerziellen Anbieter wie etwa die Telekom, die viele kostenpflichtige Hotspots betreibt, sind schon heute von der Störerhaftung ausgenommen.
Und viele fragen sich, warum das nicht auch für Bibliotheken, Museen oder Cafés gelten kann. Sogar Axel Knoerig von der CDU ist der Meinung, es bestehe noch Klärungsbedarf, da der Entwurf einen Mehraufwand für Wlan-Anbieter bedeute. Vorerst wird es also für Menschen, die das Internet auch mobil nutzen wollen, weiter am besten sein, einen Handyvertrag mit ausreichend Datenvolumen abzuschließen.