Deutsche Bank:Verheddert in den eigenen Verstrickungen

Jain and Fitschen, co-CEOs of Deutsche Bank, address a news conference in Frankfurt

Das Ende der Doppelspitze im Doppelturm: die ehemaligen Co-Chefs der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen und Anshu Jain.

(Foto: REUTERS)
  • Die Führungskrise bei der Deutschen Bank nimmt eine überraschende Wende: Der Brite John Cryan löst die Doppelspitze aus Anshu Jain und Jürgen Fitschen ab.
  • Gerüchte über einen Rücktritt kursierten bereits seit Wochen, Jain wurden allerdings zuletzt noch zusätzliche Kompetenzen übertragen.
  • Insider bestätigen den Eindruck sich überschlagender Ereignisse am Wochenende: Es sei dann alles sehr abrupt gegangen.
  • Lesen Sie hier ein Portät des Neuen an der Spitze.

Von Harald Freiberger, Frankfurt, und Ulrich Schäfer

Gerüchte? Ja, die gab es in den vergangenen Wochen immer wieder. Das könne nicht mehr lange gut gehen mit den beiden. All die Strafen, all die Verfehlungen aus der Vergangenheit. Mindestens Jürgen Fitschen sei nicht mehr zu halten: Die Causa Kirch, diese ewige Saga. Und nun auch noch der Prozess deswegen gegen ihn in München, gegen den amtierenden Chef der Deutschen Bank: Einmal die Woche wird verhandelt, immer am Dienstag.

Wie will so einer noch die Deutsche Bank führen?

Andererseits: Auch Josef Ackermann hat die Deutsche Bank geführt, obwohl er in Düsseldorf vor Gericht stand. Zweimal sogar. Mannesmann-Prozess, erste Auflage. Und dann noch mal die zweite Auflage. Ackermann hat durchgehalten, obwohl die Medien und die Politik ihn zerrissen haben, weil er die Finger in einer Verhandlungspause zum Victory-Zeichen gereckt hat; und weil er nicht bloß eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent als Ziel ausgegeben hat, Gewinn, Gewinn, Gewinn also, sondern am gleichen Tag auch noch angekündigt hat, ein paar Tausend Mitarbeiter zu entlassen.

Anshu Jain und Jürgen Fitschen haben nicht durchgehalten, nach drei Jahren an der Spitze der Deutschen Bank sind sie Knall auf Fall zurückgetreten. Und am Ende ging die Sache ganz schnell, überschlugen sich die Gerüchte, die Ereignisse, die Eilmeldungen. Es sei, sagt einer, der eigentlich immer ganz dicht dran an den Ereignissen ist, sehr abrupt gegangen. Sehr abrupt: Das muss man wohl so verstehen, dass der Machtwechsel im größten Bankhaus der Republik sehr ungeordnet stattfand. Und dass niemand die Abläufe an diesem Sonntag so geplant hatte, wie sie sich dann entfalteten.

Das erste Gerücht, dass Jain und Fitschen hinschmeißen könnten: Es kam am Sonntag um die Mittagszeit auf. Die erste Eilmeldung: Sie verbreitete sich wenig später, um 13 Uhr; das Wall Street Journal vermeldete, dass Jain und Fitschen ihre Demission angeboten hätten. Um 13.13 Uhr, nicht mal eine Viertelstunde später, vermeldete dann die Financial Times schon den Nachfolger für Jain: John Cryan, ein Brite, der früher mal Finanzchef der Schweizer Bank UBS war, solle übernehmen. Die Quelle: ein namenloser Insider. Die Bank selber wollte nichts sagen: Kein Kommentar, hieß es schmallippig. Sprecher waren nicht erreichbar. Waren im wahrsten Sinne sprachlos.

Kommunikatives Durcheinander wie beim Rücktritt eines Politikers

So etwas erlebt man selten bei großen Unternehmen, normalerweise laufen Führungswechsel dort wohlgeordnet ab, vom Aufsichtsrat mit langer Hand vorbereitet, und meistens gut kommuniziert. Dass einer hinwirft, ja: in diesem Fall sogar gleich zwei, und dass dies dann über die Medien gestreut wird, ehe es das Unternehmen offiziell kommuniziert, per Ad-hoc-Mitteilung für die Börse, um den Aktiengesetzen genüge zu tun - das kommt nicht oft vor. Solch ein kommunikatives Durcheinander erlebt man normalerweise nur, wenn ein Politiker hinwirft. Nicht mal bei Fifa-Chef Sepp Blatter hatte man bis zu seiner überraschenden Pressekonferenz etwas geahnt.

Zwei Stunden brauchte man bei der Deutschen Bank am Sonntag, um sich zu sortieren. Dann kam um 15.12 Uhr die Bestätigung: kühl, nüchtern, sachlich. Der Aufsichtsrat habe mit Wirkung zum 1. Juli 2015 John Cryan zum neuen Co-Vorstandsvorsitzenden ernannt, einen aus dem Kreis des Aufsichtsrats also; er folgt auf Jain. Ein Brite löst also einen Briten ab, denn Jain, von Gegnern und Medien gern als "der Inder" tituliert, wurde zwar in Jaipur im indischen Bundesstaat Rajasthan geboren; aber er besitzt schon seit Langem einen britischen Pass.

Fitschen darf vorerst bleiben. Bis zur nächsten Hauptversammlung im Mai 2016 soll er den Neuen anlernen. Ein Jahr Gnadenfrist also - es sei denn, so darf man vermuten, die Dinge im Kirch-Prozess entwickeln sich gegen ihn und er ist doch nicht mehr zu halten.

Ein Tsunami, ausgelöst vom Beben an den Finanzmärkten

Es war ein Tsunami, der da am Sonntag über die Deutsche Bank hereingebrochen war. Ein Tsunami, dessen zerstörerische Flutwelle schon seit Monaten - ach was, seit Jahren - herangerauscht war. Der Ursprung für diese Flutwelle: Er liegt in dem Beben an den Finanzmärkten, in der großen Krise, die mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Herbst 2008 offenbar wurde.

Eine Krise, in deren Mittelpunkt - so stellte sich nach und nach heraus - auch die Deutsche Bank gestanden hatte. Ja, gewiss: Die Deutsche Bank hatte - anders als die Landesbanken, anders als die Commerzbank, anders als fast alle amerikanischen Banken - keine Staatshilfe angenommen, jedenfalls nicht direkt. Er würde sich "schämen", wenn dies nötig wäre, hatte der damalige Bank-Chef Josef Ackermann im Herbst 2008 stolz verkündet.

Doch auch die Deutsche Bank kassierte staatliches Geld, indirekt: 11,8 Milliarden Dollar, die die amerikanische Regierung an den strauchelnden US-Versicherungsriesen AIG zahlte, flossen weiter an die Bank aus Frankfurt.

Jain fühlte sich unangreifbar

Vor allem aber: Die Deutsche Bank war tief verstrickt in viele zweifelhafte Geschäfte, in viele Affären, in Prozesse, Untersuchungen, Ermittlungen, in denen es mal um die Manipulation von Wechselkursen, mal von Zinsen ging, mal um dubiose Geschäfte mit amerikanischen Hypotheken und mal darum, deutschen Kommunen riskante Finanzwetten angedient zu haben. Vor allem die amerikanischen Aufsichtsbehörden hatten die Deutsche Bank im Visier, es folgte Strafe auf Strafe, manchmal milliardenschwer. Zuletzt musste die Bank wegen der Verfehlungen ihrer Händler im Libor-Skandal 2,5 Milliarden Dollar Strafe zahlen. Gerade dieser Skandal - rund um diesen wichtigen Zins der Finanzmärkte, der jeden Tag von Investmentbankern bestimmt wird - führte gefährlich in die Nähe von Anshu Jain. Einer seiner Vertrauten, Alan Cloete, der bis 2012 den Handel mit Zinsprodukten und Devisen geleitet hatte, musste deshalb aus dem erweiterten Vorstand der Bank weichen. Jain aber wies alle Verantwortung von sich; er fühlte sich unangreifbar - in dieser Affäre. Und auch sonst. Doch das war er nicht, wie sich vor zwei Wochen auf der Hauptversammlung der Bank zeigte.

Noch wenige Tage zuvor hatte er in einem Interview getönt: "Täuschen Sie sich nicht: Die Unterstützung der Investoren für uns ist stark, das werden Sie auf der Hauptversammlung erleben." Doch wer sich täuschte, war er selbst. Das Aktionärstreffen geriet zu einem Scherbengericht für ihn und Fitschen. Sie gingen unter in einem Trommelfeuer der Investorenkritik.

"Herr Jain, sind Sie die Lösung der Bank oder das Problem - oder beides?"

Besonders schlimm: Es waren nicht wie sonst üblich einige krakeelende Kleinaktionäre oder Linksaktivisten, die sich am Management abarbeiteten. Es waren sachlich und kühl argumentierende Vertreter von Großaktionären und Aktionärsberater, die den Kurs von Fitschen und Jain in Bausch und Bogen verurteilten. "Ich möchte das T im Wort ,entlasten' durch ein S ersetzen und Sie entlassen", sagte ein Redner. "Herr Jain, sind Sie die Lösung der Bank oder das Problem - oder beides?", fragte ein anderer. Es gab praktisch keine positive Stimme, sondern fast ausschließlich Vorwürfe.

Ein paar Tage zuvor hatte Jain noch so geklungen: "Das Beste, was ich tun kann, ist die Probleme der Bank zu lösen und ihre Leistung zu optimieren." Bei dem Aktionärstreffen wurde dieser Optimismus hinweggespült. Da half es auch nichts, dass Jain in seiner Rede die Aktionäre noch einmal um Verständnis bat. "Meine Damen und Herren, wir wissen, dass Sie enttäuscht sind", sagte er auf Englisch, nicht wie im Vorjahr auf Deutsch. Sein Deutsch ist auch nach drei Jahren in Frankfurt noch nicht gut genug. Während seiner Rede war er zwar groß auf der Leinwand zu sehen, zu hören war aber nur der Dolmetscher - ein sichtbares Zeichen dafür, dass sich Redner und Zuhörer nicht verstehen.

Schärfste Absage in der Geschichte der Deutschen Bank

Nach seiner Rede war von Jain auf der Hauptversammlung nichts mehr zu hören. Auf Fragen der Aktionäre antwortete meist Fitschen, manchmal auch Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Jain saß nur noch stundenlang schweigend da und hörte mit dem Knopf im Ohr die ätzende Kritik der Redner. Am Ende, es war nach 21 Uhr, stand das verheerende Abstimmungsergebnis: Nur 61 Prozent der Aktionäre sprachen dem Vorstand ihr Vertrauen aus. Das hat es in der Geschichte der Deutschen Bank noch nicht gegeben. Normal sind Ablehnungsquoten von ein, zwei, maximal fünf Prozent.

"Sie sagen es mir, wenn Sie meinen, dass ich nicht mehr der Richtige bin"

Die Hauptversammlung war eine zutiefst frustrierende Erfahrung für Jain. Leute, die ihn kennen, erlebten einen deprimierten Mann, der sich schon am Abend mit dem Gedanken trug, alles hinzuwerfen. Kurz vor 22 Uhr, als alle Abstimmungsergebnisse verkündet waren, verabschiedeten sich die Vorstände und Aufsichtsräte auf der Bühne der Festhalle per Händedruck voneinander. "Sie sagen es mir, wenn Sie meinen, dass ich nicht mehr der Richtige bin", sagte Jain zu einem Aufseher. Er wirkte da schon wie ein geschlagener Mann - und das, obwohl der Aufsichtsrat ihn nur einen Tag zuvor mit neuen, zusätzlichen Befugnissen ausgestattet hatte, ihm vor allem das Ressort "Strategie" übertragen hatte. Er war, formal gesehen, mächtiger denn je, mächtiger vor allem als Fitschen; bereit dafür, die Deutsche Bank in zwei Jahren, wenn Fitschen in Pension gehen sollte, ganz zu übernehmen. Aber die Aktionäre hatten ihn entmächtigt.

Und da gab es ja noch jenes Zitat von Paul Achleitner, dem Aufsichtsratschef: doppeldeutig - und gewiss nicht einfach so dahingesagt. Jeder sei ersetzbar, sagte Achleitner wenige Tage vor der Hauptversammlung in einem langen Interview in der Wirtschaftswoche. War das als Warnung zu verstehen? Als Hinweis: Entweder Jain und Fitschen packen die Sache entschlossen an - oder das war's? Später war dann zu lesen, Achleitner sei unglücklich, weil Jain und Fitschen ihre groß angekündigte Strategie 90 Tage später als zunächst geplant vorgelegt hätten.

Vier Wochen vor der Hauptversammlung hatten sich Jain und Fitschen noch mit dieser neuen Strategie zu retten versucht. Sie verkündeten, dass sie die Postbank verkaufen wollen, dass sie viele Filialen schließen und auch das Investmentbanking zurückfahren. Die Bank soll schlanker und profitabler werden. Doch viele Investoren war enttäuscht und verkauften in den Tagen danach ihre Deutsche-Bank-Aktien.

Schon als Jain 2012 als Chef in Frankfurt anfing, war er umstritten. Es gab nicht wenige in der Deutschen Bank, die ihn nicht als geeignet für diesen Job hielten - als Nachfolger eines Alfred Herrhausen oder Hermann-Josef Abs, große Banker, die ein wenig auch immer Politiker waren. Der wichtigste Gegenspieler war am Schluss sein Vorgänger Josef Ackermann, der Jain mit allen Mitteln verhindern wollte. Lieber hätte er den ehemaligen Bundesbank-Chef Axel Weber gesehen, der dann Chef der Schweizer Großbank UBS wurde - und dort die Arbeiten schnell erledigte, für die Fitschen und Jain drei Jahre brauchten.

Vor genau 20 Jahren kam Jain zur Deutschen Bank. Es ist ein trauriges Betriebsjubiläum. Sein Gemütszustand ist angegriffen, heißt es in seinem Umfeld. Bis Anfang nächsten Jahres ist er noch als Berater für die Bank tätig. Dabei handelt es sich um keine Floskel. Jain soll den Übergang auf John Cryan eng begleiten. Ab Mai 2016, wenn auch Fitschen geht, wird dieser den Job alleine machen.

Die Doppelspitze im Doppelturm ist dann Geschichte, und sie zählt nicht zu den rühmlichsten Kapiteln der Bank.

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