Donald Trump:Wenn einer ständig die Regeln bricht

Donald Trump

"Mein Leben lang war ich gierig, gierig, gierig", hatte Trump im Wahlkampf gesagt: "Ich griff mir so viel Geld, wie ich mir nur greifen konnte. Aber jetzt will ich für die Vereinigten Staaten gierig sein."

(Foto: AP)
  • In deutschen Unternehmen wird nach einigen aufsehenerregenden Affären mittlerweile etwas redlicher gearbeitet.
  • Das Handeln von Trump sorgt aber dafür, dass die Vorstellungen von Moral und Geschäft ins Wanken kommen.
  • Aber es gilt: Regelkonformes kann nicht verordnet werden, es muss von den Chefs vorgelebt werden.

Essay von Karl-Heinz Büschemann

Der deutschen Wirtschaft geht es gut, zumindest noch. Der Optimismus weicht nicht, obwohl die Aktienkurse längst auf pessimistischer Abwärtsfahrt sind. Auf dem Weg der Tugend scheinen die deutschen Unternehmen auch zu sein. Gerade wurde der ehemalige Baukonzern Bilfinger nach einer Korruptionsaffäre in Nigeria aus der Aufsicht der amerikanischen Justizbehörden entlassen. Der Siemens-Konzern, der 2006 in die spektakulärste Korruptionsaffäre der deutschen Wirtschaftsgeschichte stürzte, gilt in der allgemeinen Wahrnehmung wieder als Vorzeigeunternehmen. Selbst VW, das mit der Manipulation von Abgaswerten bei Dieselmotoren eine der wichtigsten Branchen in Misskredit brachte, verspricht jetzt die Rückkehr zum sauberen Geschäft.

Alles klar also in Deutschland?

Wohl nicht. Nach zwei Jahren im Amt wächst die Gefahr, dass US-Präsident Donald Trump nicht nur die Weltkonjunktur beschädigt, sondern dass die Amoralität dieses Mannes in Politik und unternehmerischen Entscheidungen auch weltweit das moralische Gefüge in Konzernetagen zu Fall bringt. Compliance, also das ethische und regelkonforme Verhalten in den Unternehmen, gerät unter Trump ins Wanken.

Der Siemens-Skandal hat in Deutschland ein Bewusstsein für dieses Thema geschaffen. Er machte deutlich, dass ein deutsches Unternehmen, das sich auf Auslandsmärkten mit Schmiergeldern Vorteile gegenüber der Konkurrenz erschleichen will, es nicht nur mit heimischen Staatsanwälten, sondern mit den amerikanischen Justizbehörden zu tun bekommt. Das kann sehr schnell gehen.

Ein deutsches Unternehmen muss nur Geschäfte in Dollar verrechnet oder eine amerikanische Bank benutzt haben, schon können die US-Justizbehörden zugreifen. Siemens musste in den USA hohe Strafzahlungen leisten und wurde auf Verlangen der US-Behörden auch der Überwachungen durch einen "Monitor" unterstellt.

Gute Unternehmensführung ist von großer Bedeutung für das Ansehen einer Firma

Seitdem wurden weitere deutsche Unternehmen vom US-Justizministerium überwacht, darunter die Commerzbank oder Volkswagen. Aber die Konsequenz der Amerikaner bei Strafmaßnahmen hatte Wirkung. Deutsche Firmen betrachteten diesen Monitor als Motor für das Thema Compliance. "Nur saubere Geschäfte!" wurde zur Standardformel in den Chefetagen.

Aber jetzt sitzt im Weißen Haus ein Präsident, dem die moralische Vertretbarkeit von Verträgen mit anderen Ländern so lange egal ist, wie sie den USA nutzen. Trump machte als Immobilienunternehmer selbst gern Handschlaggeschäfte, oft mit zweifelhaften Partnern und hemdsärmeligen Methoden. Hauptsache am Ende kommt ein Gewinn heraus.

"Mein Leben lang war ich gierig, gierig, gierig", hatte Trump schon im Wahlkampf gesagt: "Ich griff mir so viel Geld, wie ich mir nur greifen konnte. Aber jetzt will ich für die Vereinigten Staaten gierig sein." Wer aber Politik wie private Geschäfte allein nach dem Maßstab von Gier betreibt, darf sich nicht wundern, wenn er in den Augen der Welt nicht mehr als Bewahrer von anständigem Geschäftsgebaren gilt.

Mit diesem Präsidenten scheint sich der - wenn auch ungeliebte - Moral-Weltpolizist USA aus dem internationalen Kampf gegen die Korruption in großen Konzernen zurückzuziehen. Das hat eine wichtige Mitarbeiterin der Administration in Washington sehr schnell bemerkt.

Die US-Juristin Hui Chen war noch zu Zeiten von Präsident Barack Obama ins US-Justizministerium geholt worden, um Weltkonzerne auf ihrem Weg zurück zur Tugend zu beobachten und ihre Bemühungen in der Compliance-Arbeit zu überprüfen. Doch nach nur wenigen Monaten unter Trump hat sie das Justizministerium verlassen. Wenn sie mit Befragungen von Unternehmen zum Thema Compliance befasst war, so sagte sie nach ihrem Abschied, habe sie an die zahlreichen gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten anhängigen Verfahren - von Verfassungsbruch bis zu Interessenkonflikten - gedacht: "Da wollte ich nicht mehr mitmachen."

Damit schlug sie in den US-Medien hohe Wellen. Der Süddeutschen Zeitung sagte Chen jetzt über Trumps Haltung zu anständigem Verhalten von Unternehmen: "Mr. Trump hat einen sehr besorgniserregenden Ton und ebensolches Verhalten von der Spitze an den Tag gelegt." "Ich glaube, sein Ton und sein Verhalten haben negative Auswirkungen auf die Compliance, überall, im Inland wie im Ausland", so Chen.

"Die deutschen Unternehmen werden Betrug und Korruption nicht los"

Die ersten Folgen sind schon da. Am 11. Oktober 2018 erließ das US-Justizministerium eine Richtlinie für die Überwachung ausländischer Firmen, die sich der Korruption schuldig gemacht haben. Diese besagt, das Ministerium solle die Kosten eines Monitors und die negativen Auswirkungen auf das Geschäft berücksichtigen, "um unnötige Belastungen für die Geschäftsabläufe zu vermeiden". Eine bemerkenswerte Vorgabe.

Einen Monitor bekommen nur Firmen verordnet, die sich in besonderem Maße über Gesetze und Vorschriften hinweggesetzt haben. Die plötzliche Milde lässt befürchten, dass sich das Top-Management in heimischen Konzernen entspannt zurücklehnt. Die Chefs könnten annehmen, dass sie von den gefürchteten US-Behörden künftig weniger behelligt werden als bisher.

Es war erstaunlich, wie brav sich seit dem Siemens-Skandal die Unternehmen gaben, wenn es um die Beendigung schlechter Geschäftspraktiken geht. Die Unternehmen haben zwar nur wenige Missetaten gestanden. Umso eifriger aber beziffern sie die Ausgaben, die sie neuerdings in Compliance steckten.

Bilfinger-Chef Tom Blades hat stolz verkündet, das Unternehmen habe 100 Millionen Euro für Compliance-Berater ausgegeben. Das ist viel Geld für ein Unternehmen, das 2017 bei vier Milliarden Euro Umsatz einen Verlust etwa in dieser Höhe machte. Siemens hat in manchem Jahr fast eine Milliarde Euro für Anwälte und Berater ausgegeben. Aber diese Summen sind kein ausreichender Beleg dafür, dass sich ein Unternehmen nachhaltig verändert hat.

"Die deutschen Unternehmen werden Betrug und Korruption nicht los", urteilte 2018 die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Nach einer Befragung von Managern und Unternehmen kommen die Berater zu dem Ergebnis, dass die Zahl der größeren Betrugs- und Korruptionsfälle wieder zunehme. Noch immer sei ein mit Recht und Gesetz zu vereinbarendes Verhalten in Unternehmen keine Selbstverständlichkeit.

Das Bekanntwerden großer Compliance-Fälle führe "offensichtlich nicht zu einem nachhaltigen Bewusstseinswandel". Das ist eine erstaunliche Bewertung, die von der US-Expertin Hui Chen, die auch einige Jahre in Deutschland gearbeitet hat, geteilt wird. Es gebe sicher eine erhöhte Aufmerksamkeit für Compliance sagt die Juristin: "Aber es gibt keine größere Akzeptanz oder Wertschätzung für deren Nutzen." Eine echte Verbesserung werde es nur geben, "wenn die Firmen anfangen, Compliance nicht als Last zu empfinden, die von ausländischen Behörden auferlegt wird, sondern als etwas, das von grundlegender Bedeutung ist für ihr Ansehen und ihren Geschäftszweck".

Man fragt sich, wie es die Mitarbeiter eines Konzerns wie Siemens aufnehmen, wenn ihr Chef Joe Kaeser mit anscheinend aller Kraft in neue Geschäfte mit Saudi-Arabien strebt, wo Milliarden-Aufträge warten. Kaeser propagiert "saubere Geschäfte" als Handlungsmaxime des Unternehmens, doch mit seinem Streben in die Golf-Region begibt er sich auf gefährliches Terrain. Saudi-Arabien ist nicht nur eine Autokratie, von der gerade ein unliebsamer Journalist bestialisch ermordet wurde. Das Öl-Land ist eines der Länder des Nahen Ostens, in dem es schwer ist, bestechungsfrei an Aufträge heranzukommen.

Wenn die Verantwortlichen häufig wechseln, ist das ein schlechtes Zeichen

Es ist gut, wenn sich Unternehmen zu sauberen Geschäften bekennen. Wo Korruption herrscht, gilt eine Willkürkultur, wird Wohlstand vernichtet. Die ärmsten Länder der Welt sind in erster Linie arm, weil ihre Eliten korrupt sind und sich bereichern. Dagegen bieten Länder wie Neuseeland, Dänemark, Finnland, Norwegen oder die Schweiz, die in der Korruptionsrangliste der Organisation Transparency International als vorbildlich gelten, ihren Bewohnern den höchsten Lebensstandard der Welt. Bessere Belege dafür, dass Korruption der falsche Weg zum Erfolg ist, kann es kaum geben.

Trotzdem berichten Compliance-Fachleute, dass es in den großen Firmen bisher in erster Linie die Angst vor den Staatsanwälten und den US-Behörden ist, die vor Schmiermitteln im Auslandsgeschäft zurückschrecken lässt. Die Überzeugung, dass nur regelkonforme Geschäfte gute Abschlüsse sind, scheint noch immer zu fehlen.

Darin liegt das Problem. Wo der eigene Antrieb zur Sauberkeit fehlt und nur der Druck von außen, zum Beispiel aus den Vereinigten Staaten, leitet, besteht die Gefahr, dass die Korruption wieder Einzug hält. Der häufige Wechsel von Compliance-Verantwortlichen in den Unternehmen ist ein Indiz dafür, dass die Verantwortlichen für Anstand im Geschäft einen schweren Stand haben. Dass die als unbequem geltende frühere Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt erst von ihrem zeitweiligen Arbeitgeber Daimler, wo sie Vorstandsmitglied für Compliance war, plötzlich eilfertig zum Konkurrenten Volkswagen weitergereicht wurde, war auffällig.

Üblicherweise untersagen Autokonzerne einem Vorstandsmitglied zur Konkurrenz zu wechseln. Offenbar wollten die Stuttgarter die Aufpasserin loswerden. Einen nicht viel besseren Eindruck hinterließ VW, als sich der Wolfsburger Konzern schon nach kurzer Zeit wieder von der Juristin trennte. Weder Daimler noch Volkswagen haben die Trennung von Hohmann-Dennhardt mit der mangelnden Fähigkeit der Juristin für ihre Aufgabe begründet.

Dass Unternehmenschefs verkünden, in ihren Unternehmen sei der moralische Turnaround gelungen, muss nicht viel heißen. Es reicht nicht, nur dann den Gesetzen zu genügen, wenn die Gefahr droht, von Staatsanwälten und Gerichten zur Verantwortung gezogen und mit Strafen belegt zu werden. Wo die Gefahr, erwischt zu werden, zurückgeht, kann Sauberkeit in Unternehmen nur gelingen, wenn die Chefs das Prinzip selbst vorleben.

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