Donald Trump und Anthony Scaramucci:Seele zu verkaufen

Was bringt Wall-Street-Leute wie Anthony Scaramucci dazu, für Trump zu arbeiten, obwohl sie ihn vor wenigen Monaten noch beschimpft hatten? Eine Antwort findet sich in der Geschichte von Film-Fiesling Gordon Gekko.

Kommentar von Nikolaus Piper

Wenn jemand Karriere gemacht hat, ist es immer reizvoll nachzusehen, was der Betreffende vor Jahren einmal gesagt oder zu Papier gebracht hat. Das mag gelegentlich etwas gemein wirken, es ist aber auch fast immer lehrreich. Zum Beispiel im Fall von Anthony Scaramucci. Der 53-jährige Finanzinvestor aus Long Island ist soeben neuer Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses geworden und soll in dieser Funktion irgend etwas am miserablen Image des Hausherrn Donald Trump ändern.

Scaramucci ist einer jener Wall-Street-Leute, die im Gefolge von Trump erstaunlich Karriere gemacht haben, eines Präsidenten immerhin, mit dem sie zuvor in herzlicher gegenseitiger Abneigung verbunden waren. Gary Cohn gehört dazu, einst bei Goldman Sachs, heute Wirtschaftsberater; Steven Mnuchin, früher ebenfalls bei Goldman, heute Finanzminister.

Und eben Anthony Scaramucci. Auch er verkaufte schon bei Goldman Sachs Wertpapiere und gründete danach seine eigene Finanzfirma mit Namen Skybridge. Vor sieben Jahren, als das Schlimmste der Finanzkrise gerade vorbei war und Scaramuccis politische Karriere noch in weiter Ferne lag, veröffentlichte er ein schmales Bändchen, in dem es um Geld und Moral an der Wall Street ging: "Goodbye Gordon Gekko", hieß der Titel. Und dazu der passende Untertitel: "Wie man sein Glück machen kann, ohne seine Seele zu verlieren".

"Behandele jedermann mit Respekt. Jedermann."

Im Jahre 2010 klang so ein Satz wie leeres, aber harmloses Berater-Bla-bla. Mit dem, was man heute weiß, liest sich der Satz ganz anders. Man möchte schon wissen, wie genau Scaramucci das anstellen wird in seinem neuen Job: die Seele nicht zu verkaufen. Oder was sein neuer Chef zu all den anderen klugen Ratschlägen in "Goodbye Gordon Gekko" sagt: "Behandele jedermann mit Respekt. Jedermann." Oder: "Halte dein Ego unter Kontrolle!"

Gordon Gekko war, wie erinnerlich, der charismatische Fiesling aus dem ersten Wall-Street-Film, gespielt von Michael Douglas, der überhaupt niemandem mit Respekt begegnet und schließlich Opfer seines eigenen unkontrollierten Egos wird. Dem Regisseur von "Wall Street", Oliver Stone, gefiel Scaramuccis Buch so gut, dass er ein begeistertes Testimonial für den Einband schrieb: "Scaramucci ist ein Spieler, der unter die Felsen der Korruption in unserer Finanzhauptstadt blickt und als ehrliche Seele überlebt."

Und jetzt ein Untergebener von Trump? Noch vor zwei Jahren hatte Scaramucci den Wahlkämpfer Trump als "unamerikanisch" und als "Schmock" bezeichnet. Jetzt sagt er: "Ich liebe den Präsidenten und bin sehr, sehr loyal ihm gegenüber." Trump mache einen "phänomenalen Job". Was ist da passiert? Bei ihm und all den anderen Wall-Street-Größen, die gelernt haben, Trump zu lieben? Obwohl dieser die Globalisierung verdammt, von der doch die meisten in New York leben?

Irgendwie fällt einem bei dieser Gelegenheit Joseph Alois Schumpeter ein. Der große Ökonom war als Mensch ebenso zynisch wie eitel und opportunistisch. Deshalb muss es ihn gefreut haben, dass er 1918 nach der Novemberrevolution vom Rat der Volksbeauftragten in Berlin in eine sogenannte Sozialisierungskommission berufen wurde, die die Verstaatlichung großer Teile der deutschen Industrie prüfen sollte. Schumpeter sagte zu, und als man ihn daran erinnerte, dass er als Ökonom doch wissen müsse, wie schädlich Sozialismus in der Wirtschaft sei, redete er sich mit dem legendären Satz heraus: "Wenn jemand Selbstmord begehen möchte, ist es gut, wenn ein Arzt in der Nähe ist." Schumpeter sei ein "Austauschprofessor seiner Überzeugungen", giftete damals der legendäre Satiriker Karl Kraus in Wien. Auch Scaramucci hatte, ehe er ins Weiße Haus gerufen wurde, Ansichten, die denen seines jetzigen Chefs diametral zuwiderliefen: Er war gegen die Mauer zu Mexiko, wollte den Klimawandel bekämpfen und die Waffengesetze verschärfen. Und jetzt liebt er Trump.

Ein junger Investor, voller Ehrgeiz und geplagt von Komplexen

Vielleicht sollte man, bei der Suche nach einer Erklärung für solch einen Sinneswandel, noch einmal Gordon Gekko genauer anschauen. Hauptfigur des Wall-Street-Films ist ja nicht Gekko selbst, sondern der junge Investor Bud Fox (Charlie Sheen), der Gekko bewundert und ihm hilft, bis fast zum bitteren Ende. Bud kommt aus einfachen Verhältnissen und versucht, an der Wall Street seinen amerikanischen Traum zu leben. Genauso wie Anthony Scaramucci. Der ist Sohn eines Bauarbeiters aus Long Island, bekam mit Glück einen Platz an der Harvard Law School, machte einen Abschluss und ging dann an die Wall Street, durchaus inspiriert durch den Film. Anfangs wurde er von Minderwertigkeitskomplexen geplagt. Zum Beispiel vom "Davos-Neid", wie er schreibt: Er ist zum ersten Mal in Davos und alle anderen sind wichtiger als er. Aber trotz Komplexen schaffte er es, seine eigene Firma aufzubauen. Außerdem erwarb er sich einen guten Ruf, nicht unbedingt als großer Investor, wohl aber als begnadeter Verkäufer und Selbstvermarkter. Man nannte ihn "The Mooch", was man mit "Bettler", aber auch mit "Schnorrer" übersetzen kann.

Könnte es sein, dass Scaramucci im Herzen einfach der kleine Bud Fox geblieben ist? Er braucht einen Fiesling, den er bewundert. Gordon Gekko ist, ganz anders als Scaramucci suggeriert, nicht am Ende, sein Rollenmuster ist vielmehr inzwischen in die DNA der Wall Street eingebrannt. Und Trump ist der neue Gekko - für Scaramucci und viele andere.

Inzwischen befindet sich Scaramucci in einem veritablen Machtkampf mit dem Stabschef des Weißen Hauses, Reince Priebus. Es geht um die Macht und wohl auch um die Gunst von Gordon Gekko (Donald Trump). Wenn es Indiskretionen aus der Regierung gibt, vermutet er in der Regel Priebus dahinter. Vom Korrespondenten des Magazins New Yorker, Ryan Lizza, verlangte er die Preisgabe seiner Quellen, nachdem dieser über ein geheimes Dinner des Präsidenten mit rechten Publizisten berichtet hatte. Anderenfalls werde er die gesamte Presseabteilung des Weißen Hauses feuern - eine skurrile Drohung, wenn sie einem Journalisten gegenüber ausgesprochen wird.

Irgendwie hat man das Gefühl, The Mooch braucht etwas Hilfe, um aus dem Ganzen herauszukommen, ohne seine Seele zu verlieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: