Deutsche Wirtschaft:Donald Trump und die Angst vor den nächsten vier Jahren

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Von hier aus auch künftig in alle Welt? Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns in Emden. (Foto: Imago/diebildwerft)

Tag eins nach der Amtseinführung: Die deutsche Industrie fürchtet eine Spirale von Handelszöllen, eine erneute Rezession und den Rückgang von Kaufkraft und Lebensstandard – und setzt trotz allem auf Dialog.

Von Thomas Fromm

Zum Beispiel das BMW-Werk in Spartanburg, South Carolina. An die 10 000 Menschen arbeiten hier und bauen SUVs wie den X3 oder den X5 für den Weltmarkt. Es ist der größte Arbeitgeber hier weit und breit und mit an die 1500 Fahrzeugen am Tag das größte BMW-Werk überhaupt. Größer als die BMW-Fabrik im niederbayerischen Dingolfing und größer als der Standort München sowieso. Und, auch das: BMW ist dank seines Standortes in Spartanburg einer der größten Autoexporteure der USA. German cars, but made in the US.

Die Bayern sind also, je nach Perspektive, ein Stück weit auch ein amerikanischer Autobauer. Genauso wie Mercedes-Benz, die Stuttgarter fertigen in Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama. Und Volkswagen, der Konzern betreibt unter anderem ein Werk in Chattanooga, Tennessee.

Und doch fordert der alte und neue US-Präsident Donald Trump seit Jahren schon: Deutsche Autohersteller müssten zu US-amerikanischen werden – vermutlich wohl auch, um Amerika wieder „groß zu machen“. Dabei haben sie ja schon längst große Fabriken in den USA und treten dort als lokale Hersteller auf. Auf dem Tisch liegen nun aber auch hohe Einfuhrzölle für Importe in die USA, betroffen wären im Extremfall auch deutsche Autos aus anderen Teilen der Welt. Zölle, die dann so hoch sein könnten, um ein seit vielen Jahren funktionierendes Geschäftsmodell zu Fall zu bringen.

Allein im vergangenen Jahr verkauften die deutschen Autobauer immerhin insgesamt an die 1,4 Millionen Autos in den USA, viele davon als Importe – vor allem aus Deutschland und aus Mexiko. Es wären dann Importe, die durch massive Zollbelastungen kaum noch rentabel für die Hersteller wären. Wie es nun weitergeht? Weiß man nicht so genau, das macht die Sache ja gerade so unangenehm. Für die Autobauer, aber auch für alle anderen.

Der VDA-Jahresauftakt, das perfekte Timing am Tag danach

Am Tag nach der Amtseinführung Trumps steht die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, vor einem Pult und spricht in eine Kamera, vor sich eine weiße Kaffeetasse mit dem grünen VDA-Logo. Perfektes Timing für eine Jahrespressekonferenz, könnte man sagen, es gibt ja so viele Themen, und bei den meisten geht es um Probleme. Strenge CO₂-Grenzwerte für Neuwagenflotten, gleichzeitig der schleppende und milliardenteure Übergang zur E-Mobilität, der große Rivale China, der die Deutschen zunehmend auf den Märkten zurückdrängt, ein sinkender Auftragsbestand.

VDA-Präsidentin Hildegard Müller, hier im Rahmen der IAA 2021, setzt auf Dialog und wirtschaftliche Stärke.  (Foto: Foto: dpa)

Und jetzt auch noch das: Ein US-Präsident, der jederzeit mit massiven Zöllen gegen BMW, VW und Mercedes ausholen könnte. Die schon seit Längerem angedrohten Zölle von bis zu 25 Prozent auf Waren aus Mexiko und Kanada könnten schon vom 1. Februar an stehen – und was kommt dann als Nächstes? Europa etwa? Eine erste Flut von Dekreten hat Trump schon gleich am ersten Tag sehr medienwirksam unterschrieben. Und es dürften längst nicht die letzten ihrer Art sein.

VDA-Chefin Müller hofft dann doch auf Einsicht. Sie betont, dass die deutschen Autohersteller viele Arbeitsplätze in den USA geschaffen hätten und dort für Wohlstand sorgten, dass auch die USA ein Exportland seien. Und, dass hohe, einseitige Zölle immer auch Gegenzölle und eine Zollspirale in Gang setzen würden, dass, wenn dann alles viel teurer würde, am Ende die Verbraucher die Zeche bezahlen müssten.

Besser, man bleibt im Dialog miteinander

Beide Regionen müssten also genug Gründe haben, „auf Augenhöhe über gemeinsame Interessen zu sprechen“. Ja, eigentlich müssten sie das. Die Frage ist nur: Versteht Trump diese eigentlich nicht allzu komplizierte Logik? Man müsse nun erst mal „abwarten“, was da jetzt genau auf die Industrie zukomme, sagt Müller. Sie empfiehlt, aus einer Position der  „wirtschaftlichen Stärke“ heraus auf eine Fortführung der transatlantischen Partnerschaft zu setzen.

Also reden, reden, reden – die Politik der ausgestreckten Hand. Ob es dann am Ende aber auch zum freundlichen Handschlag kommt?

Reden, um im Dialog zu bleiben, so sieht es auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), und er fordert von der EU neue Initiativen zur Kooperation mit den USA des Donald Trumps. „Die EU sollte den USA Angebote zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit machen“, sagte das Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, Wolfgang Niedermark, am Tag nach dem Amtseid in Washington. Es gebe doch viele „Möglichkeiten, zum beiderseitigen Nutzen enger zusammenzuarbeiten“.  Im Gespräch bleiben, gemeinsam für den Klimaschutz, Kontakte pflegen „und eine positive transatlantische Agenda entwickeln“. Was kann man auch empfehlen, wenn man genau weiß: Es muss funktionieren, denn die USA sind neben der EU der wichtigste Handelspartner Deutschlands.

Schon jetzt sind Industrie und Wirtschaft in Deutschland angeschlagen, auch ganz ohne Trump. Jetzt kommt noch der Neue im Weißen Haus mit dazu. Ein Präsident, bei dem vor allem eines sicher ist: dass nichts mehr sicher, kaum noch etwas planbar und vorhersehbar ist. Ein Präsident der Unsicherheit also.

Auch deshalb warnte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) davor, sich auf einen Handelskonflikt einzulassen, denn damit „dürfte sich die Deindustrialisierung und der Verlust guter Arbeitsplätze in der Industrie in Deutschland beschleunigen“, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher der Nachrichtenagentur Reuters. So werde „eine erneute Rezession der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr immer wahrscheinlicher“. Das Bruttoinlandsprodukt war schon 2023 um 0,3 Prozent und in 2024 um 0,2 Prozent geschrumpft.

Die Zeiten werden härter

Entsprechend schlecht ist nun die Stimmung in den Chefetagen deutscher Unternehmen, die jahrzehntelang von einem recht komfortablen Exportmodell profitieren konnten.  28 Prozent rechnen mit starken Einbußen als Folge einer schwächeren Weltwirtschaft, wie das arbeitgebernahe Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) bei einer Umfrage unter mehr als 2000 Betrieben herausfand. Fast jede dritte Firma erwarte demnach deutliche Nachteile durch höhere Energiekosten. „Die neue Trump-Regierung wird deutsche Unternehmen unter Druck setzen“, sagt der IW-Konjunkturexperte Michael Grömling.

Die Zeiten werden definitiv härter, so sieht es auch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Vor allem, weil es Trump gelingen könnte, auf kurz oder lang Unternehmen aus Europa in die USA zu holen. „Trumps Dekrete zur Energie- und Klimapolitik werden zu einer Steigerung der Energieproduktion und zu günstigeren Energiepreisen führen“, sagte ZEW-Präsident Achim Wambach zu Reuters. So werde es „für manche Unternehmen attraktiver, in den USA zu produzieren“.

Dies und auch ein möglicher Handelskonflikt könnten dann viele Deutsche direkt zu spüren bekommen. „Vor allem Menschen mit mittleren und geringen Einkommen werden dafür einen hohen Preis zahlen, da ihre Kaufkraft und ihr Lebensstandard sinken werden“, so Ökonom Marcel Fratzscher vom DIW. Strafzölle durch Trump würden „insbesondere Deutschland hart treffen“.

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