Dominanz bei Großrechnern:Kartellvorwürfe gegen IBM

Großrechner bescheren dem Computerkonzern IBM satte Gewinne. Missbraucht das Unternehmen hierbei seine Marktmacht? Das US-Justizministerium ermittelt.

Moritz Koch, New York

Dem Technologiekonzern IBM droht ein Kartellverfahren in den USA. Nach Angaben eines Branchenverbands, in dem IBM-Konkurrenten organisiert sind, untersucht das Justizministerium in Washington, ob IBM seine Monopolstellung auf dem Markt für Großrechner missbraucht hat. Edward Black, Chef der Computer & Communications Industry Association (CCIA), sagte, dass mehrere Mitglieder seiner Organisation von Ermittlern zum Marktverhalten von IBM befragt wurden. Im September hatte sich die CCIA in Washington über IBM beklagt. Das Justizministerium nahm zu den Vorgängen keine Stellung. IBM sagte zu, "voll mit jeder Untersuchung des Justizministeriums zu kooperieren".

Die Ermittlungen sind ein weiterer Hinweis darauf, dass sich mit Amtsübernahme von Präsident Barack Obama auch die amerikanische Wettbewerbspolitik verändert. Unter Obamas Vorgänger George W. Bush waren Großkonzerne von Kartellverfahren weitgehend verschont geblieben. Die Obama-Administration knüpft nun an das entschlossene Vorgehen der Regierung von Bill Clinton an. Während dessen Amtszeit mussten sich in den neunziger Jahre mehrere Konzerne vor Gericht dafür verantworten, ihre Marktdominanz ausgespielt zu haben, darunter der Chiphersteller Intel und das Softwareunternehmen Microsoft.

Lukrativer Geschäftszweig

Auch die Wirtschaftskrise, welche die US-Konzerne schwächt, bremst die neue Regierung nicht. Schon im Mai stellte Christine A. Varney, die neue Leiterin der Anti-Kartellabteilung im Justizministerium, klar: "Es gibt keinen angemessenen Ersatz für Wettbewerb, erst recht in Zeiten ökonomischer Not. Eine energische Durchsetzung des Kartellrechts muss eine bedeutende Rolle in der Krisenpolitik der Regierung spielen." Varney ließ keinen Zweifel daran, dass sie kleinere Unternehmen dazu ermutigen wollte, Wettbewerbsbeschwerden beim Justizministerium einzureichen. Unter Bush hatten viele Firmen wegen offenkundiger Aussichtslosigkeit davon abgelassen.

Das nun eingeleitete Verfahren gegen IBM untersucht einen lukrativen Geschäftszweig, der ein Überbleibsel aus den Gründungszeiten des Unternehmens ist. IBM hat sich in den vergangenen Jahren von der Herstellung von PC und Laptops verabschiedet und sich zu einem Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen gewandelt. Großcomputer aber baut der Konzern bis heute.

Wie bedeutend das Geschäft ist, lassen Schätzungen einiger Analysten erahnen. Demnach erwirtschaftet IBM mehr als ein Viertel seiner Jahreserlöse von 104 Milliarden Dollar mit dem Verkauf, der Programmierung und der Wartung von Großcomputern. Einzelne Rechner können eine Millionen Dollar und mehr kosten. Sie sind darauf getrimmt, Spezialprogramme zur Rechnungslegung und Verwaltung von Datenbanken laufen zu lassen.

Großrechner wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten in vielen Unternehmen durch PC und Server ersetzt. Zuletzt aber wuchs der Markt wieder, weil die Geräte Vorteile bei der Datensicherheit bieten. Von 1959 bis 2001 war IBM an eine Verordnung der Regierung gebunden, die es verpflichtete, seine Großrechner-Technologie mit Wettbewerbern zu teilen. Danach, beschwert sich die Computer & Communications Industry Association, habe IBM seine Marktmacht ausgebaut, in dem es die neueste Software so programmierte, dass sie nicht auf den Maschinen der Konkurrenten lief.

Technologieunternehmen im Visier der Wettbewerbshüter

Darunter leiden Firmen wie T3-Technologies. Vor den Ermittlungen der Regierung hatte T3 einen Zivilprozess gegen IBM angestrebt. Die Klage war in der vergangenen Woche abgewiesen worden, T3 legte Berufung ein. Nun dient T3 als Hauptinformant des Justizministeriums. Dies ist auch IBM nicht entgangen: "Wir wissen, dass das Justizministerium bei T3 Dokumente aus dem Zivilprozess angefordert hat", sagte ein Sprecher des Technologiekonzerns. Interessanterweise ist der IBM-Rivale Microsoft, der in den USA und in Europa immer wieder mit den Wettbewerbshütern auseinandersetzen muss, an T3 beteiligt. Auch IBM hat reichlich Erfahrung mit Kartellverfahren. Den ersten Prozess gegen den Konzern eröffneten US-Behörden 1952.

Wie unter Clinton scheinen die Wettbewerbshüter unter Obama die Technologiebranche ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Die Kartellbehörde prüft, ob Intel seine Marktmacht im Geschäft mit Mikroprozessoren missbraucht. Auch über ein Verfahren gegen den Internetkonzern Google wird spekuliert. Erste Ermittlungen wurden bereits eingeleitet. Allerdings beschränken sie sich bisher auf ein Nebengeschäft: die Digitalisierung von Büchern.

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