Führungskräfte:Wer sich nicht entschuldigen kann, sollte kein Unternehmen leiten

Lesezeit: 2 Min.

Die Firmenchefs Domenico Dolce und Stefano Gabbana (v.l.) sind keine Entschuldigungs-Künstler. (Foto: AFP)

Die Firmenchefs von Dolce & Gabbana entschuldigen sich - motiviert wie zwei Schuljungen, die man zum Nachsitzen gezwungen hat. Sie sind keine Ausnahme.

Kommentar von Angelika Slavik

Es ist an der Zeit, an dieser Stelle eine oft unterschätzte Form der skurrilen Unterhaltung zu würdigen: das Entschuldigungsvideo. Es kommt nicht allzu oft vor, dass Manager oder Unternehmer zu diesem letzten Mittel der Krisenkommunikation greifen - und wenn man sich ansieht, wie die Herren Bosse in dieser Gattung performen, versteht man auch wieso.

Diesmal waren es die italienischen Modeschöpfer Dolce & Gabbana (D & G), die ihre Woche mit einem Entschuldigungsvideo beschließen mussten. Das Unternehmen hatte zunächst Werbevideos veröffentlicht, die auf den chinesischen Markt zielten. Zu sehen war darin eine junge Frau, die versuchte, italienische Klassiker wie Pizza, Spaghetti und Cannoli mit Stäbchen zu essen - was viele Menschen in China als beleidigend empfanden. Die Empörung war so heftig, dass D & G die Modenschau in Shanghai absagen musste und die Firmenchefs zum öffentlichen Sorry vergattert wurden. In dem Clip sitzen die zwei also da, motiviert wie zwei Schuljungen, die man zum Nachsitzen gezwungen hat, und lesen mit stoischen Mienen ihre Entschuldigung ab.

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Unvergessen auch der Auftritt von Martin Winterkorn, der ein paar Tage nach dem Auffliegen der Abgasaffäre versuchte, per Video seinen Job als VW-Chef zu retten: Winterkorn stand vor einer Wand voller Volkswagen-Logos. Sein Gesicht wirkte so fahl wie sein Anzug, was nicht nur an den Strapazen der vorangegangenen Tage lag, sondern auch an der desaströsen Beleuchtung. Die Entschuldigung las er mit zittriger Stimme vom Teleprompter ab. Wenn man dieses Kunstwerk heute ansieht, drei Jahre später, weiß man immer noch nicht, ob man lachen oder weinen soll.

Interessant auch die Strategie von Facebook: Als das Unternehmen sich vor ein paar Monaten für den Missbrauch von Millionen Nutzerdaten entschuldigen musste, versuchte man erst gar nicht, Firmenchef Mark Zuckerberg für einen glaubwürdigen Auftritt zu coachen. Facebook kreierte stattdessen lieber gleich ein animiertes Video.

Sich zu entschuldigen ist eigentlich keine komplizierte Sache. Menschen machen Fehler, andauernd, und hin und wieder auch richtig große. Deshalb bringt man den Jüngsten spätestens im Kindergartenalter bei, wie man sich aufrichtig entschuldigt. Trotzdem ist auffällig, dass es offenbar besonders vielen Spitzenmanagern schwerfällt, diese Geste einigermaßen aufrichtig hinzubekommen.

Mittlerweile brauchen Chefs mehr menschliche Kompetenzen

Es gibt nun zwei Erklärungsansätze für dieses Phänomen, die sich aufdrängen. Variante eins: Das System in vielen großen Unternehmen fördert den Aufstieg von Menschen, deren menschliche Qualitäten mit jenen eines Kleinkinds nicht mithalten können. Oder, Variante zwei, wer in der Hierarchie oben angekommen ist, verliert die Fähigkeit, sich seine eigenen Unzulänglichkeiten einzugestehen. Beide Varianten sind schlecht - auch für die Unternehmen.

Die Ansprüche an Führungskräfte haben sich in den vergangenen Jahren fundamental verändert. Zum einen, weil Wirtschaft so komplex geworden ist, dass Unternehmen auf die Fähigkeiten und das Wissen jedes einzelnen Mitarbeiters angewiesen sind. Alle Entscheidungen auf höchster Ebene zu treffen und der Mannschaft bloß die Ausführung zu überlassen, das funktioniert nicht mehr. Zudem haben die begehrten jüngeren Arbeitskräfte wenig Verständnis für patriarchal geprägte Strukturen. Sie suchen sich im Zweifelsfall lieber einen Arbeitgeber, der nicht von einem selbstverliebten Egomanen dominiert wird. Führung verlangt heute also mehr als je zuvor menschliche Qualitäten - wer schon an einer Entschuldigung scheitert, hat sich für höchste Ebenen disqualifiziert.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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