Süddeutsche Zeitung

Disney:Superhelden im Heimkino

Lesezeit: 3 min

Die Pandemie trifft Disney hart, der Konzern macht 4,72 Milliarden Dollar Verlust, besonders betroffen ist das Geschäft mit den Freizeitparks. Derweil läuft das Geschäft mit Disney+ sehr gut, der Film "Mulan" soll nun statt im Kino bei dem Streamingportal gezeigt werden.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es hängt ja immer alles mit allem zusammen, gerade bei einem derart riesigen Konzern wie Disney, und es ist deshalb angesichts der Corona-Pandemie völlig unmöglich, die reinen Quartalszahlen des Unternehmens zu beurteilen. Die klingen zunächst verheerend: Der Umsatz ist im Vergleich zum Vorjahresquartal um 42 Prozent auf 11,78 Milliarden Dollar zurückgegangen. Damals hatte es einen Gewinn von 1,43 Milliarden Dollar gegeben, nun steht da ein Verlust in Höhe von 4,72 Milliarden Dollar. Normalerweise würde ein solches Vierteljahr für Panik sorgen, beim Konzern und bei Anlegern, doch was ist derzeit schon normal? Die Disney-Aktie stieg am Tag danach zeitweise um mehr als zehn Prozent, und es gibt nachvollziehbare Gründe dafür.

Die Pandemie hat dieses Unternehmen, bei dem die Produktion von Kinofilmen, passende Merchandise-Produkte und Attraktionen in Freizeitparks sehr eng ineinander verzahnt sind, ganz besonders hart getroffen. Doch ist in gleich mehreren Segmenten Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. "Der Anstieg positiver Corona-Tests in den USA ist bedenklich, aber Disney scheint auf die schrittweise Lockerung der Einschränkungen sehr gut vorbereitet zu sein", sagt Tuna Amobi von der Analysefirma CFRA Research: "Die schrittweise Öffnung der Freizeitparks sowie Live-Sport dürften helfen."

Die Basketballliga NBA trägt den Rest ihrer Saison im Freizeitpark Disneyworld im Bundesstaat Florida aus, der Großteil der Spiele ist auf den Disney-Sendern ESPN und ABC zu sehen, die Einschaltquoten sind nach der monatelangen Pause formidabel. Ein großer Erfolg war das Streamingportal Disney+. In Verbindung mit den anderen Disney-Portalen Hulu und ESPN+ kommt der Konzern auf mehr als 100 Millionen Abonnenten weltweit und stellt damit ernsthafte Konkurrenz zum Branchenführer Netflix dar. Der Umsatz in diesem Bereich ist um zwei Prozent auf 3,97 Milliarden Dollar gestiegen.

Das führt zu einer strategischen Entscheidung von Bob Chapek, der erst am 25. Februar als Nachfolger des langjährigen Konzernchefs Bob Iger vorgestellt worden ist. Der Kinofilm "Mulan", eine Live-Action-Version des bekannten Zeichentrickfilms von 1998, wird nicht wie geplant im Kino zu sehen sein, sondern zum Preis von 30 Dollar auf dem Streamingportal - zusätzlich zu den Abokosten. "Es ist kein Hinweis auf ein neues Geschäftsmodell, sondern eine einmalige Sache", sagte Chapek: "Die Leute haben sehr lange darauf gewartet." Im Oktober erscheint die zweite Staffel der grandiosen Star-Wars-Serie "The Mandalorian", die bereits vor dem Ausbruch der Pandemie gedreht worden war. Der Konzern erhofft sich dadurch weiteres Wachstum im Streamingbereich.

Problematisch ist der Filmstudio-Bereich, dessen Einnahmen um 55 Prozent auf 1,74 Milliarden Dollar gesunken sind, und bei dem die immensen Verzweigungen im Konzern sichtbar werden. Die Produktion des Marvel-Superhelden-Films "Falcon and the Winter Soldier" musste immer wieder verschoben werden, wegen der Kinoschließungen ist der Start von "Black Widow" noch immer ungewiss. Es sind Filme, die auf der großen Leinwand zu sehen sein sollten - doch die Kinos sind in zahlreichen Bundesstaaten noch immer geschlossen oder nur teilweise geöffnet. Es gibt Gerüchte, dass der bereits fertig gestellte "Black Widow" im November dann doch auf dem Streamingportal zu sehen sein wird - ebenfalls, um anderen Konzernbereichen zu helfen, wie es die Verlegung von "Mulan" tun soll.

In den Freizeitparks gibt es riesige Bereiche für die bekannten Superhelden, die mit der Hilfe neuer Filme mehr Besucher anlocken sollen. Auch zur Verkaufsförderung von Puppen des afroamerikanischen Superhelden Falcon oder der Heldin Black Widow braucht es die Filmstarts; doch zum Beispiel Disneyland in Kalifornien ist nur stark begrenzt zugänglich.

"Die Freizeitparks verbrennen Geld, ganz einfach", sagt Richard Greenfield von LightShed Partners. Die Einnahmen sind um 85 Prozent auf 983 Millionen Dollar gesunken, der Verlust liegt bei 1,96 Milliarden Dollar. Im Vorjahresquartal hatte dieser Bereich noch einen Gewinn in Höhe von 1,72 Milliarden Dollar abgeworfen. Freilich ist derzeit nicht abzusehen, wann die Freizeitparks wieder in voller Kapazität geöffnet und die Produktionen von Kinofilmen und Serien ohne Restriktionen weitergehen werden.

Disney scheint jedoch trotz der Zahlen, die zahlreiche Analysten noch schlimmer befürchtet hatten, ordentlich durch die Krise zu kommen und auch gut für die Zeit danach aufgestellt zu sein. Es genügte diese kleine Ankündigung, "Mulan" auf dem Streamingportal zu zeigen, um den Kurs der Aktie nach oben zu treiben - es hängt eben alles mit allem zusammen, gerade bei Disney.

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SZ vom 06.08.2020
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