Das Amt des Bundespräsidenten und eine Steuer auf Finanzgeschäfte, das scheinen zwei völlig verschiedene Dinge zu sein - und doch haben sie mindestens eines gemeinsam: Es lässt sich trefflich darüber reden. Der Diskurs über Christian Wulff ist keine zwei Monate alt - und doch nervt er längst. Kein Rücktritt, kein Neuanfang, stattdessen viel Gerede. Das alles ist nichts gegen die Diskussion, die nun ins fünfte Jahr geht.
Längst hat die Europäische Kommission ein Konzept für eine Finanztransaktionssteuer vorgelegt, die Wettbewerbsverzerrungen gegenüber den Finanzplätzen New York und London verhindern würde. Im Bild: Ein Börsenhändler an der Deutschen Börse in Frankfurt am Main.
(Foto: dapd)Seitdem im Herbst 2008 reihenweise stolze Banken mit Steuergeld vor dem Zusammenbruch gerettet werden mussten, parlieren Politiker darüber, künftig ebendiese Banken auch an den Kosten solcher Krisen zu beteiligen. Und das am besten auch über eine Steuer auf Geschäfte mit Finanzdienstleitungen, also auf den Kauf und Verkauf von Aktien, Anleihen und sonstigen Finanzpapieren. Eine Steuer gegen die Abzocke sei nur gerecht, wird da auf Parteitagen, EU-Gipfeln und an regionalen Stammtischen erklärt, am besten weltweit, nicht nur wegen der Krise, sondern auch, weil ja anderswo grundsätzlich alle Dienstleistungen besteuert werden - nur eben Finanz- und Versicherungsdienstleistungen nicht. Mit dem Pampern der Banken müsse Schluss sein.
Fünf Jahre danach ist die Steuer, die alle wollen, immer noch nicht eingeführt. Weder in Deutschland noch im Euro-Klub, weder in Europa noch weltweit. Die Schuld dafür wird munter herumgereicht. Die Amerikaner wollen die Steuer nicht, sagen die Europäer. Klar, man könnte sie zuerst mal nur zu Hause auf dem alten Kontinent einführen. Aber dann hätten amerikanische und andere Geldhäuser aus Übersee einen Wettbewerbsvorteil, schließlich würden die Geschäfte dann dort abgeschlossen, wo es keine Steuer gibt. Ganz zu schweigen davon, dass die Briten auch gegen die Steuer sind - weil sie um den Finanzplatz London fürchten, wo schließlich der größte Teil europäischer Finanztransaktionen abgewickelt wird. Und die Akteure womöglich ihrerseits an die Wall Street abwandern könnten.
Überholte Argumente
Selbst in Deutschland wird munter durcheinander diskutiert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble würde die Steuer am liebsten sofort einführen, entweder in ganz Europa oder nur in den 17 Ländern des Euro-Klubs. Seine Chefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, wirbt zwar fern der Heimat, etwa auf Brüsseler EU-Gipfeln, gern für die beim Bürger beliebte Steuer, in Berlin allerdings klingt sie meist viel zögerlicher, wohl aus Rücksicht auf ihren Koalitionspartner, die FDP. Deren Chef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler wird nicht müde zu behaupten, die Steuer führe zu Wettbewerbsverzerrungen und belaste den Finanzstandort Deutschland einseitig, falls sie nicht in der gesamten Europäischen Union oder besser noch weltweit eingeführt werde.
Dieses Argument ist, freundlich gesagt, überholt. Längst hat die Europäische Kommission einen Gesetzesvorschlag zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer vorgelegt, der das Prädikat intelligent verdient - weil er genau diese Wettbewerbsverzerrung ausschließt.
Nach ausführlichen Konsultationen mit Banken, Versicherungen und Fonds, aber auch mit europäischen Regierungen sowie G-20-Partnern schlug Steuerkommissar Algirdas Semeta im September des vergangenen Jahres vor, Finanzgeschäfte von 2014 an nach dem Ansässigkeitsprinzip zu besteuern. Hinter dem komplizierten Wort verbirgt sich ein einfacher Mechanismus. Semeta will Geschäfte mit Aktien, Anleihen und Derivaten unabhängig von dem Ort besteuern, an dem sie abgeschlossen werden. Stattdessen sollen die beteiligten Finanzakteure besteuert werden.