Süddeutsche Zeitung

Diskussion um Kraftstoffsteuer:Warum künstlich gesenkte Benzinpreise falsch wären

Autofahrer verzweifeln an steigenden Spritpreisen. Frankreichs Präsident Hollande will sie nun künstlich senken. Doch Steuergeschenke an der Tankstelle sind ein falsches Signal, denn die Zeiten, in denen Öl billig und scheinbar unbegrenzt war, sind vorbei. Alternative Konzepte gibt es genug, doch es fehlt der politische Wille, sie konsequent umzusetzen.

Silvia Liebrich

Politiker versprechen mitunter seltsame Dinge, wenn es darum geht, Wahlen zu gewinnen. Versprechen sind schnell gemacht. Sie einzulösen, ist weitaus schwieriger - manchmal sogar unmöglich. Das gilt etwa für die vollmundige Ankündigung des französischen Präsidenten François Hollande, er werde die Spritpreise nach einem Wahlsieg auf jeden Fall konstant halten, ganz egal, was der Rohstoffpreis macht - ein äußerst gewagtes Versprechen für ein Land, das wie Deutschland kaum über eigene Vorkommen verfügt und abhängig ist vom Weltmarkt.

Heute ist klar, dass sich der neue starke Mann Frankreichs damit übernommen hat. Auch unsere Nachbarn müssen inzwischen deutlich mehr für Benzin und Diesel zahlen als noch vor ein paar Wochen. Um nicht als Wahlbetrüger dazustehen, muss Hollande nun handeln und rasch ein neues Wahlgeschenk präsentieren. Und das sieht so aus: Der Präsident will die Kraftstoffsteuer reduzieren und so die Spritpreise künstlich senken. Verbraucher sollen damit entlastet werden. Prima, wird sich da so mancher deutsche Autofahrer denken, das will ich auch.

Soweit wird es aber in Deutschland sicher nicht kommen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat bereits mehrfach deutlich gemacht, dass Preisnachlässe an der Zapfsäule völlig indiskutabel sind, und das obwohl der Staat an jedem verkauften Liter wesentlich mehr verdient als die Mineralölkonzerne. Gut 43 Milliarden Euro nahm der Staat 2010 durch die Mineralölsteuer ein - viel Geld, das Schäuble in Zeiten der Euro-Krise keinesfalls missen möchte.

Und er tut das Richtige, wenn er in diesem Punkt hart bleibt. Steuergeschenke an der Tankstelle wären ein völlig falsches Signal, weil dadurch nur ein Anreiz geschaffen wird, noch mehr Benzin und Diesel zu verbrauchen, obwohl der dafür notwendige Rohstoff Öl immer knapper und teurer wird.

Ein wirkungsloses Steuergeschenk

Man muss kein Hellseher sein, um vorherzusagen, dass Hollande mit seiner Taktik scheitern wird. Sie ist nicht nur aus wirtschaftlicher und umweltpolitischer Sicht höchst fragwürdig, sondern auch sozial ungerecht, weil dabei Autofahrer entlastet werden, die Nutzer anderer Verkehrsmittel aber nicht. Vor allem aber wird das Steuergeschenk wirkungslos verpuffen, wenn die Ölnotierungen und mit ihnen die Benzin- und Dieselpreise weiter steigen - und daran bestehen kaum Zweifel. Die Steuererleichterung macht sich dann im Portemonnaie der Verbraucher nur für kurze Zeit bemerkbar und das große Jammern beginnt von Neuem.

Unbestritten ist, dass die hohen Spritpreise auch die Autofahrer in Deutschland stark belasten. Geradezu reflexhaft werden dafür die Mineralölkonzerne verantwortlich gemacht. Automobilklubs wie der ADAC werfen ihnen Abzocke und Preistreiberei vor und blenden dabei die Realität an den Energiemärkten einfach aus: Öl ist nach wie vor der wichtigste Energielieferant der Welt. Mehr als die Hälfte der weltweiten Vorräte hat die Menschheit bereits verbraucht, in nicht einmal zweihundert Jahren - und der Bedarf steigt weiter. Zugleich wird es schwieriger und teurer, noch nicht erschlossene Vorkommen anzuzapfen.

Die Zeiten, in denen Öl billig und scheinbar unbegrenzt zur Verfügung stand, sind definitiv vorbei. Gegenseitige Schuldzuweisungen helfen deshalb nicht weiter. Alternativen sind gefragt. Die "Energiewende" im Straßenverkehr muss vorangetrieben werden. Eine Aufgabe, die weit mehr Einsatz verlangen wird als der Atomausstieg. Konzepte gibt es genug. Was fehlt, ist der politische Wille, diese konsequent umzusetzen.

Verkehrsplaner sind sich zwar einig darin, dass die Zukunft den Elektro- und Wasserstofffahrzeugen gehört. Doch das Ziel, schon bald diese Autos zu bezahlbaren Preisen auf den Markt zu bringen und die nötige Infrastruktur vorzuhalten, rückt immer weiter in die Ferne. Industrie und Politik scheuen den Wandel und die Unwägbarkeiten, die mit dem Ausstieg aus dem Ölzeitalter verbunden sind.

Dabei drängt die Zeit, Autofahrer verzweifeln an steigenden Spritpreisen. Ein Problem sind die hohen Kosten vor allem für Berufspendler und Geringverdiener, die für den Weg zur Arbeit auf ihren Wagen angewiesen sind und nicht auf andere Verkehrsmittel ausweichen können. Anstatt teure Steuergeschenke zu machen, sollte Frankreichs Präsident Hollande seine Einnahmen aus der Mineralölsteuer besser in neue Mobilitätskonzepte investieren. Auch Finanzminister Schäuble wäre gut beraten, rasch zu handeln und die Mittel in den Aufbau neuer Techniken und eine neue Infrastruktur zu stecken.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1452743
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.08.2012/fran
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.