Diskussion um Dieselfahrzeuge:Darauf können Dieselfahrer hoffen

  • VW, Daimler und BMW haben sich bereit erklärt, Umtauschprämien beim Neuwagenkauf zu zahlen.
  • Andere Punkte im Diesel-Streit - zum Beispiel die Nachrüstung und eine eventuelle Rückkaufoption für Gebrauchtwagen - sind weiterhin ungeklärt.
  • Am Montagabend ein gemeinsames Konzept stehen, das Fahrverbote vermeiden soll.

Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin

Millionen Dieselfahrer in Deutschland warten seit Monaten auf ein Konzept der Bundesregierung, wie es mit ihren Wagen weitergehen soll. Am Montagabend soll dieses Konzept beschlossen werden, am Wochenende wurde es bereits intensiv verhandelt. Doch die Branche wehrt sich gegen kostspielige Lösungen. Welche Autobesitzer haben was zu erwarten? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Welchen Dieselbesitzern will die Bundesregierung überhaupt helfen?

Noch in der Nacht zum Freitag hatte das Bundesverkehrsministerium einen neuen Stand der Verhandlungen mit der Autobranche an die beteiligten Ressorts versandt. Doch die haben Einwände. So will das Umweltministerium deutlich mehr Diesel-Halter und Städte von dem Programm für sauberere Luft profitieren lassen als bislang geplant. Während die Pläne von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bislang nur die neun Städte mit der schlimmsten Abgasbelastung wie München, Stuttgart, Köln und zusätzlich die Pendlerstadt Frankfurt vorsehen, fordert Umweltministerin Schulze, das Programm auf 17 Städte auszudehnen. Ein Kompromiss sieht nun vor, 14 Städte einzubeziehen - alle mit einer Stickoxid-Belastung mit einem Jahresmittelwert von 50 Mikrogramm oder mehr. Ausgerechnet Frankfurt wäre damit draußen.

Damit allerdings würde sich die Zahl der Autohalter, die auf Hilfe hoffen können, von 1,38 auf weit über zwei Millionen fast verdoppeln.

Zuvor sollte sich die Pläne nur auf zehn "Intensivstädte" konzentrieren. Dazu gehörten die neun Städte mit den schlechtesten Abgaswerten: München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg, Düsseldorf und Kiel. Die zehnte Stadt wäre Frankfurt gewesen, als Sonderfall. Hier liegt die Umweltbelastung zwar niedriger, trotzdem drohen Fahrverbote.

Was plant die Bundesregierung? Und was könnte sich durchsetzen?

Das Konzept von Bundesverkehrsminister Scheuer sieht vor allem drei Maßnahmen vor: Kaufprämien für schadstoffärmere Autos. Ein Rückgabeprogramm älterer Autos der Abgasklassen Euro 4 und Euro 5, das den Besitzern die Möglichkeit gibt, ihre Fahrzeuge ohne Wertverlust an die Konzerne zurückzuverkaufen. Sowie ein Programm zur Nachrüstung dieser Fahrzeuge. Die Kaufprämie haben BMW, VW und Daimler nach Angaben aus Regierungskreisen bereits bestätigt.

Wahrscheinlich ist auch, dass eine Nachrüstlösung angeboten wird. Pauschale Hardwarenachrüstungen lehnen die Betriebsratsvorsitzenden der drei Autohersteller aber ab. Das berichtet die Bild am Montag. Die Begründung der drei Betriebsratsvorsitzenden: Eine solche Lösung würde deutsche Hersteller benachteiligen und Arbeitsplätze gefährden. Der Gesetzgeber solle auch ausländische Hersteller mit einbeziehen, denn auch diese seien von Grenzwertüberschreitungen betroffen. Derzeit verhandelt die Politik mit den Konzernchefs der drei Hersteller Mercedes, BMW und VW über solche Programme.

Wie sollen Kaufprämien funktionieren?

BMW will nach Angaben aus Regierungskreisen pauschal 6000 Euro Rabatt auf Neuwagen anbieten, wenn ein Kunde einen Diesel-Wagen mit Euro-4- oder Euro-5-Standard in ein neueres Modell eintauscht. Daimler zahlt demnach zwischen 5000 und 8000 Euro Rabatt und Volkswagen im Schnitt wohl 5000 Euro. Bei VW soll die Offerte auch für den Tausch in junge Gebrauchtwagen gelten. Sicher ist zudem ein Förderprogramm über 130 Millionen Euro für einen saubereren Lieferverkehr.

Hardware-Lösungen und neue Gesetze

Kommt die Hardware-Nachrüstung?

Für Dieselfahrer, die ihr Auto behalten wollen oder müssen, soll es eine dritte Option geben: Die Nachrüstung mit einer besseren Abgasreinigung. Der Einbau sogenannter SCR-Katalysatoren soll niedrigere Stickoxidemissionen bringen. Allerdings ist innerhalb der Bundesregierung umstritten, wie schnell solche Lösungen am Markt sind. Auch fehlen noch Vorschriften für solche Konzepte, und für die neuen Katalysatoren gibt es bislang weder Anträge noch Genehmigungen.

Damit könnte diese Variante für Besitzer zum Risiko werden. Kommen im nächsten Jahr weitere Fahrverbote, stünden die Autos erst einmal still - Nachrüstlösungen würden nach Einschätzung des Verkehrsressorts frühestens ein Jahr später angeboten. Zudem ist der Rechtsrahmen einer solchen Lösung unklar. Noch ist nicht sicher, dass nachgerüstete Euro-5-Autos auch wirklich von Fahrverboten ausgenommen werden können. Denn verschont würden nur Euro-6-Fahrzeuge.

Warum erlässt die Politik nicht einfach Gesetze?

Für die Politik ist es schwierig, Druck auszuüben. Die betroffenen Fahrzeuge haben eine gültige Typzulassung; Halter das Recht, sie zu fahren. Zwar könnte die Bundesregierung wie beim Atomausstieg ein Gesetz erlassen, das strengere Vorgaben einführt. Sie müsste dann aber in Eigentumsrechte eingreifen und würde nach Einschätzung von Juristen in europäisches Recht eingreifen. Die Folge könnten hohe Schadenersatzforderungen sein. Zudem fürchtet man in der Bundesregierung, dass andere Länder gegen deutsche Hersteller vorgehen könnten, wenn Deutschland in einem nationalen Alleingang strengere Umweltvorgaben einführt.

Und woran erkennen die Städte, welche Autos trotz Fahrverbot einfahren dürfen?

Um diese Frage hat die Bundesregierung bisher einen großen Bogen gemacht. Die Städte verlangen dafür eine "blaue Plakette", die vergleichsweise saubere Fahrzeuge von den anderen unterscheidet, auch das Bundesumweltministerium hätte nichts dagegen. Das Verkehrsministerium allerdings lehnt eine Plakette ab - und sinniert über Lösungen, mit denen sich über das Kennzeichen erkennen lässt, wie viel Stickoxid aus dem Auspuff kommt.

Wie soll nun eine Einigung gefunden werden?

Nachdem am Freitag bei einem Treffen der zuständigen Minister im Kanzleramt keine Lösung gefunden wurde, wurde am Wochenede weiterverhandelt, am Montag soll dann der Koalitionsausschuss entscheiden. Nach mehr als zwei Jahren Hinhaltetaktik soll jetzt also alles ganz schnell gehen.

Hinweis: Der Artikel wurde in ähnlicher Fassung bereits in der vergangenen Woche veröffentlicht.

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