Diskussion um die Landwirtschaft:Kopfschütteln über Ilse Aigner

Wie gefährlich ist die Kuh für das Klima? Im Gegensatz zur Agrarministerin Aigner pochen Experten auf neue Regeln, damit die Landwirtschaft nachhaltiger wird.

Daniela Kuhr

Eigentlich sind sich alle Experten einig: Die Landwirtschaft ist zu einem beachtlichen Teil mit schuld am Klimawandel. Der Umbruch von Grünland setzt Kohlenstoff frei. Der Einsatz von Düngemitteln und Gülle verstärkt die weltweiten Emissionen von Treibhausgasen noch. Und Kühe stoßen Methan aus, ein Gas, das sehr viel stärker als Kohlendioxid zur Aufheizung der Atmosphäre beiträgt.

Landwirtschaft, dpa

Kühe stoßen Methan aus, ein Gas, das sehr viel stärker als Kohlendioxid zur Aufheizung der Atmosphäre beiträgt - sagen Experten.

(Foto: Foto: dpa)

Diesen Erkenntnissen zum Trotz spricht Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner sich gegen weitere Vorschriften zum Klimaschutz in der Landwirtschaft aus. "Die Produktion hochwertiger Lebensmittel setzt seit jeher Treibhausgase frei, dies wird sich nie ganz vermeiden lassen", hatte die CSU-Politikerin der Saarbrücker Zeitung gesagt - und damit den Widerspruch von Umweltexperten provoziert.

Im Gegensatz zu Aigner sieht das Umweltbundesamt, das die Bundesregierung wissenschaftlich unterstützt, sehr wohl weiteren Regelungsbedarf, um die Landwirtschaft in Europa umweltschonender und damit auch klimaschonender zu gestalten. Das geht aus einem internen Papier der Behörde hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Fehlentwicklung beim Agrardiesel

"Alle staatlichen Transfers" müssten im Hinblick auf ihre Umweltwirkungen überprüft werden, schreiben die Experten. "Umweltschädliche Transfers sind abzulehnen." Als "besonders umweltschädlich" werten sie "die Subventionierung von Preisen sowie Zahlungen, die auf eine Steigerung der Erträge abzielen". Das führe zu erhöhten Nährstoffüberschüssen und zu einem höheren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

Auch die Steuervergünstigungen beim Agrardiesel hält die Behörde für eine "Fehlentwicklung". Agrardiesel ist normaler Kraftstoff, der für den Einsatz in der Landwirtschaft aber niedriger besteuert wird. Aigner hatte es im Mai als Erfolg gefeiert, dass die deutschen Landwirte in Zukunft wieder von einem geringeren Mineralölsteuersatz profitieren. Der Schritt sollte Wettbewerbsnachteile gegenüber französischen Bauern reduzieren, die von ihrem Staat beim Agrardiesel sogar noch stärker entlastet werden.

Das Umweltbundesamt lehnt die Maßnahme jedoch strikt ab. Eine steuerliche Besserstellung von Mineralöldiesel in der Landwirtschaft "schwächt Anreize zur Einsparung ab und steht dadurch im Widerspruch zu Zielen des Klimaschutzes", heißt es in dem Bericht. Deutschland müsse zudem den Widerstand gegen eine EU-Bodenrahmenrichtlinie aufgeben.

Mit dieser Richtlinie will Brüssel Böden vor Erosion, Verdichtung, Versalzung und Versauerung schützen. Deutschland lehnt das ab. Nach Ansicht der Umweltexperten ist sie nötig, um das "Vordringen der Wüsten" nach Europa zu stoppen, vor allem nach Südspanien. "Eine derartige Richtlinie führt auch nicht zu mehr Bürokratie und höheren Kosten, wie oftmals behauptet." Im Gegenteil, die Kosten für Boden- und Klimaschutz seien heute geringer als die Kosten, die in der Zukunft anfielen, wenn die notwendigen Maßnahmen aufgeschoben würden.

Öffentliche Gelder sollten nach Ansicht des Umweltbundesamts nicht mehr für Produkte oder Flächen fließen, sondern nur noch für Investitionen zum Beispiel in umwelt- und tiergerechte Ställe, für die Infrastruktur und für öffentlich nachgefragte Güter und Dienstleistungen. Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der die Bundesregierung ebenfalls berät, spricht sich in einem Gutachten dafür aus, die Agrarpolitik in Europa "ökologisch nachhaltig" auszurichten.

"Die bisherigen Vorschriften sind völlig unzureichend"

"Wir brauchen Anreize, die klimaschädliche Überdüngung zu stoppen, und Anreize, damit Grünland nicht weiter umbrochen und Moore nicht weiter trockengelegt werden", sagt Christian Hey, Generalsekretär des Sachverständigenrats, zur SZ. "Die bisherigen Vorschriften sind völlig unzureichend." Martin Hofstetter von Greenpeace wirft Aigner "Fahrlässigkeit" vor. "Auch die Landwirtschaft muss sich der Herausforderung stellen und ihren Klimagasausstoß reduzieren", sagt er.

Aigner hatte den fehlenden Handlungsbedarf damit begründet, dass die deutsche Landwirtschaft an den CO2-Emissionen nur einen Anteil von sechs Prozent habe. Der Präsident des Umweltbundesamts, Jochen Flasbarth, korrigierte Aigner. "Die sechs Prozent sind nur die Treibhausgasemissionen, die unmittelbar aus der Landwirtschaft selbst stammen.

Wenn man den Ausstoß aus Traktoren und Maschinen, umgebrochenem Grünland und entwässerten Mooren sowie die Mineraldüngerproduktion hinzurechnet, kommt man schon auf einen Anteil von 13 Prozent." Im Übrigen hält er die Sichtweise für wenig geglückt. "Wenn jeder Teilbereich für sich in Anspruch nimmt, nicht relevant zu sein, dann werden wir nie schaffen, den Ausstoß von Klimagasen zu senken."

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