Süddeutsche Zeitung

Diskussion über Zwangsabgaben:Wir brauchen das Geld der Reichen

Rückkehr zum Sozialismus? Inmitten der Krise klingen Forderungen nach Vermögensabgaben und Zwangsanleihen für Reiche wie linksradikaler Populismus. Doch so abwegig sind die Ideen gar nicht.

Catherine Hoffmann

Vermögensabgabe, Zwangsanleihen, Lastenausgleich - bei den Reichen abzukassieren, das sieht auf den ersten Blick wie linksradikaler Populismus aus. Inmitten der Krise sind Forderungen nach drakonischen Reichtumssteuern vermutlich noch populärer als Milliardärs-Bashing. Dass sie ausgerechnet beim biederen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Anklang finden könnten, überrascht dann doch.

Freilich will er nicht die deutsche Oberschicht mit Zwangsmaßnahmen traktieren. Für die gebeutelten Krisenländer Europas könne das aber ein "interessantes" Modell sein, ließ ein Sprecher des Finanzministeriums die staunende Öffentlichkeit wissen. Das gelte vor allem für die Staaten, in denen es "ein schwieriges Verhältnis" zwischen dem Steueraufkommen und dem Privatvermögen gebe.

Die Steilvorlage dazu kam vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Dessen Forscher hatten am Mittwoch eine stärkere Belastung der Vermögenden angeregt, um mit dem Geld Löcher in den Staatskassen zu stopfen. "Mit Zwangsanleihen und einmaligen Vermögensabgaben könnten Privathaushalte mit hohen Vermögen und Einkommen zur Refinanzierung und zum Abbau der Staatsschulden herangezogen werden", heißt es in einer Studie des DIW-Ökonomen Stefan Bach.

Auch in den Krisenländern gibt es jede Menge Reiche

Die Reaktionen waren vorhersehbar: SPD und Grüne zeigten Sympathie für die Idee. Der Wirtschaftsflügel in der Regierungskoalition erklärte die Vorschläge für absurd und warnte vor kalter Enteignung, ja der Rückkehr zum Sozialismus.

Doch so abwegig ist die Idee gar nicht. Auch in den hoch verschuldeten Ländern gibt es eine Menge wohlhabender Bürger. "Wir sehen privaten Reichtum und öffentliche Armut zugleich, gerade in Italien", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Italienische Haushalte besitzen (nach Schulden) ein Finanzvermögen in Höhe von 175 Prozent der Wirtschaftsleistung; die Schuldenquote des Landes liegt bei 120 Prozent. Müssten die Italiener nun eine Vermögenssteuer in Höhe von 15 Prozent zahlen, würde ihr Finanzvermögen zwar auf 150 Prozent der Wirtschaftsleistung abschmelzen, zugleich könnte der Staat seine Schuldenquote aber unter die kritische Marke von 100 Prozent drücken, rechnet Krämer vor.

Entweder zahlen reiche Italiener oder alle Deutschen

"Ich verstehe nicht, warum das nicht gemacht wird", sagt der Ökonom. "Italien braucht klare Signale, der Reformprozess ist erschlafft, obwohl sich Regierungschef Mario Monti als großer Reformer feiern lässt." Nun ist der Commerzbanker keiner, der lustvoll die Bürger schröpft. Aber vor die Wahl gestellt, dass die Italiener ihre Schulden selbst begleichen oder der deutsche Steuerzahler dafür aufkommt, sei doch klar, dass die italienische Lösung besser sei. Und ausschließen könne es niemand, dass Rom in den kommenden Monaten nicht doch noch beim Rettungsschirm anklopfen muss.

Nun sind die Italiener zwar besonders reich. Bemerkenswert ist aber, dass auch in anderen Krisenstaaten - Griechenland, Portugal, Irland und Spanien - das Geldvermögen der Privathaushalte die öffentlichen Schulden um ein Vielfaches übersteigt. Würden die Wohlhabenden der Euro-Zone 40 Prozent ihres Vermögens an den Staat überweisen, wären auf einen Schlag alle öffentlichen Schulden getilgt. Nur stellt sich natürlich die Frage, warum sollten Dimitrios, Luigi oder Pedro, so sie denn Millionen auf dem Konto haben, für die Schulden ihres Staates aufkommen?

"Die logische Reaktion der Reichen ist ökonomisch falsch", sagt Jochen Felsenheimer, Geschäftsführer des Vermögensverwalters Assenagon. "In den vergangenen Jahrzehnten wurde Wohlstand auf Kosten aller (des Staates) an wenige (Privathaushalte) umverteilt." Deshalb sei die europäische Krise auch keine Schuldenkrise im klassischen Sinne, in der die Zahlungsfähigkeit einer Volkswirtschaft aufgrund ihrer geringen Leistungsfähigkeit infrage gestellt werde.

Vielmehr handele es sich um eine Umverteilungskrise zwischen einzelnen Volkswirtschaften, aber mehr noch zwischen Privatleuten und öffentlicher Hand in jedem einzelnen Staat. Dieser Aspekt der Krise, bedauert Felsenheimer, sei bislang völlig vernachlässigt worden. Dabei komme ihm bei der Lösung der Krise eine zentrale Bedeutung zu.

Es geht aber nicht nur um das Verhältnis von Privatleuten zum Staat, es geht auch darum, die Einkommens- und Vermögensverteilung, die in vielen Ländern krass auseinanderdriftet, wieder ein Stück zusammenzuführen. Damit die Kluft zwischen Reich und Arm, die großen Finanzkrisen oft vorausgeht, kleiner wird. Das hilft nicht nur dem Staat, das ist auch gerecht.

Wie lässt der Fiskus die Steuerquelle sprudeln?

Seit den siebziger Jahren senkten die Regierungen vieler Industriestaaten die Belastungen für Vermögende und Reiche. Vermögenssteuern wurden abgeschafft und die Abgaben auf Kapitalgewinne gesenkt. Später gab es dank Euro-Einführung noch mehr Steuergeschenke für Reiche in den Mittelmeerstaaten - die niedrigen Zinsen verschafften den Regierungen Spielraum. Und schließlich profitierten die Vermögensbesitzer von den staatlichen Kriseninterventionen an den Finanzmärkten, die zu allerhand Preisblasen führten.

Nun könnten die klammen Staaten das Geld ihrer Reichen und Wohlhabenden gut gebrauchen. Die Frage ist nur: Wie kommt der Fiskus da ran? "Ich halte Zwangsanleihen oder -abgaben schlicht und ergreifend für nicht umsetzbar", sagt Thomas Straubhaar, Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). "Wer glaubt denn, dass sich Griechenland eine sprudelnde Steuerquelle erschließt, wenn es eine Vermögensabgabe einführt? Niemand."

Steuern müssen konsequent eingetrieben werden

Also empfiehlt der Ökonom den Krisenländern, erst einmal ihre Institutionen zu stärken, damit sie ganz gewöhnliche Steuern eintreiben können. Dann sollten sie Steuerschlupflöcher für Reiche schließen und als nächstes ein progressives Steuersystem etablieren, das die Leistungsfähigen höher belastet als die Schwachen.

Tatsächlich liegen höhere Einkommenssteuern im Trend. Seit 2007 haben mehrere Staaten ihre Spitzensteuersätze nach oben geschraubt, darunter Frankreich, Italien und Spanien. Sie reagieren damit nicht nur auf die Finanzkrise, sondern auch auf die wachsende Einkommensungleichheit. Erst wenn all diese Möglichkeiten ausgeschöpft seien, sollte man darüber diskutieren, ob es legitime Gründe gebe, einzelne Teile der Gesellschaft durch Zwangsabgen, Luxus- oder Reichensteuern zu belasten.

Linktipp: DIW-Ökonom Stefan Bach, der die Zwangsanleihen für Reiche vorschlug, antwortet auf Zeit-Online seinen Kritikern.

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SZ vom 13.07.2012/rela/rus
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