Benachteiligung:Diskriminierung schadet der Wirtschaft

  • In vielen Alltagssituationenen, beispielsweise bei der Wohnungs- oder Jobsuche, werden Menschen aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert.
  • Das schadet nicht nur den einzelnen Betroffenen, sondern auch den Unternehmen und der Wirtschaft.

Von Aloysius Widmann

Wenn es um Diskriminierung geht, ist die Rechtslage eigentlich eindeutig. "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden", heißt es im Grundgesetz. Viele Menschen in Deutschland erfahren allerdings täglich, dass dies eher einen Idealzustand beschreibt als die Wirklichkeit.

Denn die sieht so aus: Bei der Passkontrolle während der Einreise, bei der Wohnungssuche, beim Abschluss von Versicherungen und sogar auf Mitfahrgelegenheitsportalen - wie einfach der Alltag für jemanden abläuft, hängt auch an der Herkunft. Ein fremder Akzent, dunkle Hautfarbe oder ein nicht-europäischer Name sind in vielen Situationen ein Nachteil - auch, wenn man sich sonst überhaupt nicht von den Menschen ringsum unterscheidet.

Niemand kann Privatpersonen vorschreiben, wen sie bevorzugen sollen

Es kann viele Gründe für Diskriminierung geben - von Fremdenhass über wirtschaftliches Kalkül bis zu unbewussten Vorurteilen. Das Problem ist, dass man sie oft nicht nachweisen kann. "Ein Vermieter findet immer irgendein vermeintlich sachliches Argument, weshalb er seine Wohnung nicht an den ausländischen Bewerber vermietet", sagt Walther Michl, Experte für Rassismus und Diskriminierung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Auch wenn er aus rassistischen Motiven handelt. Vielleicht verdient ein ausländischer Bewerber weniger als ein deutscher Interessent oder der Vermieter gibt an, keine Familien unterbringen zu wollen, wenn der ausländische Bewerber Kinder hat. "Deshalb werden am Wohnungsmarkt verhältnismäßig wenige Fälle von Diskriminierung vor Gericht gebracht."

Noch problematischer ist Diskriminierung bei Vermittlungsportalen von Mitfahrgelegenheiten und Tauschbörsen. Niemand kann einer Privatperson vorschreiben, bei wem sie mitfahren will oder wen sie für ein Wochenende in ihrer Wohnung schlafen lassen will. "Im höchstpersönlichen Bereich darf man diskriminieren", sagt Michel. Das betrifft einen großen Teil der Share Economy.

Bisherige Gleichstellungsmaßnahmen galten überwiegend Mann und Frau

Die Politik hat zuletzt wenig unternommen, weiter gegen Diskriminierung vorzugehen. Zwar haben die Bundesrepublik und die EU zwischen dem Jahr 2000 und 2006 einige umfangreiche Gleichstellungsmaßnahmen auf den Weg gebracht, diese galten jedoch überwiegend der Gleichstellung von Mann und Frau.

Dabei schadet die Diskriminierung nicht nur den einzelnen Betroffenen, sondern auch der Wirtschaft. Zahlreiche Studien belegen: Arbeitgeber bevorzugen bei gleicher Qualifikation Einheimische. Menschen mit Migrationshintergrund müssen oft mehr als zwanzig Bewerbungen abschicken, bis sie ein Job gefunden haben. Wer Arbeit bekommt, wird auch dann benachteiligt, wie man im Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung weiß. Demnach verdienen vollbeschäftigte Männer mit Migrationshintergrund fast sechs Prozent weniger als ihre deutschen Kollegen - bei gleicher Qualifikation. "Die Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt ist nicht nur zutiefst ungerecht. Es schadet auch der Wirtschaft und der Gesellschaft, wenn wir nicht das Potenzial aller hier Lebenden nutzen", sagt Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Außerdem entgehen Unternehmen kulturelle und sprachliche Kompetenzen. "Studien weisen darauf hin, dass Vielfalt eine Rechnung ist, die aufgeht: Sie führt zu mehr Kreativität, zieht Toptalente an und erschließt den Zugang zu neuen Märkten", sagt Lüders. Und: Diese Unternehmen widerlegen ein gängiges Dogma der Wirtschaftswissenschaften - das der Gewinnmaximierung. Denn wenn Menschen mit Migrationshintergrund bei gleicher Qualifikation weniger Lohn nehmen, ist es irrational, andere zu bevorzugen. Mal abgesehen davon, dass es unanständig ist.

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