Discounter:Aldi verlangt nun auch Geld für dünne Plastiktüten

Aldi Nord - neues Filialkonzept

Gemüseabteilung bei Aldi. Seitdem die dicken Plastiktüten Geld kosten, verpacken manche Verbraucher ihre gesamten Einkäufe in dünne Beutel. 2018 verbrauchten die Bundesbürger drei Milliarden von ihnen.

(Foto: dpa)
  • Aldi Nord und Aldi Süd reagieren auf Kritik am vielen Plastik in ihren Geschäften.
  • Dünne Obst- und Gemüsebeutel sollen künftig einen Cent kosten - auf die weichen Kunden häufig aus, seit Plastiktüten Geld kosten.
  • Bis 2022 sollen zudem alle Eigenmarken-Verpackungen recyclingfähig sein.

Von Benedikt Müller, Mülheim an der Ruhr

Wer bei Aldi einen sogenannten Knotenbeutel für Obst oder Gemüse nutzt, muss künftig einen Cent bezahlen. Diesen "symbolischen Preis" will die Handelskette an diesem Dienstag verkünden. Aldi Nord und Aldi Süd reagieren damit auf Kritik am vielen Plastik in den Geschäften. Bisher bieten große Lebensmittelhändler die dünnen Kunststoffbeutel in ihren Obst- und Gemüseabteilungen kostenlos an. Die Supermarktkette Real will ebenfalls etwas gegen den Plastikmüll tun und hat angekündigt, dass sie die durchsichtigen Beutel bis 2020 durch Papier ersetzen will.

Die Kunden in Deutschland haben im vergangenen Jahr mehr als drei Milliarden der dünnen Plastiktüten für Obst und Gemüse verwendet, wie das Bundesumweltministerium vor Kurzem mitteilte. Das waren pro Person 37 Beutel, etwas mehr als 2015 oder 2016. Hingegen ist die Zahl der dickeren Plastiktragetaschen, welche die Händler an der Kasse seit drei Jahren nur noch gegen Gebühr verkaufen, deutlich zurückgegangen. Seither kommt es freilich immer wieder vor, dass Kunden sämtliche Einkäufe in die kostenlosen Hemdchenbeutel packen.

Die Handelsketten spüren, dass bei immer mehr Kunden ein Umdenken stattfindet

"Wir würden uns freuen, wenn andere Händler mitziehen", sagt Kristina Bell, die im Einkauf von Aldi Süd für Qualitätssicherung und Unternehmensverantwortung zuständig ist. Der Discounter will die künftig kostenpflichtigen Knotenbeutel von Sommer an aus Bioplastik fertigen lassen. Dieses Material wird aus Zuckerrohrresten hergestellt, spart mithin Erdöl als Rohstoff ein. Als Alternative zu den Hemdchenbeuteln will Aldi von Herbst an Netze für Obst und Gemüse verkaufen, die Kunden mehrmals nutzen können. Andere Handelsketten bieten solche waschbaren Netze ebenfalls an.

Als Vorbild dient eine Vorschrift in Italien. Dort müssen Supermarkt-Kunden seit Anfang 2018 einen bis drei Cent Gebühr pro Knotenbeutel zahlen. Das hilft offenbar - als Aldi vor Kurzem den Preis für Einkaufstüten an der Kasse von zehn auf 20 Cent verdoppelte, ist die Nachfrage zurückgegangen, berichtet der Discounter.

Die Handelsketten spüren, dass immer mehr Kunden ihren Plastikverbrauch senken wollen. Davon zeugt etwa der Erfolg sogenannter Unverpackt-Läden. Zudem verlangt das Umweltministerium von den Unternehmen konkrete Vorschläge zur Kunststoffreduktion. Deutschland exportiert noch immer viel Plastikmüll ins Ausland.

Aldi Nord und Aldi Süd haben im vergangenen Sommer angekündigt, dass sie in den Verpackungen ihrer Eigenmarken-Produkte bis 2025 30 Prozent weniger Plastik einsetzen wollen. Bis 2022 sollen alle Eigenmarken-Verpackungen recyclingfähig sein. "Wir sind da voll im Plan", sagt Rayk Mende, bei Aldi Nord für Unternehmensverantwortung und Qualitätssicherheit zuständig. Man analysiere derzeit alle Verpackungen im Sortiment und spreche mit den Lieferanten. "Stand heute sind wir guter Dinge, dass wir unsere Ziele erreichen können", sagt Mende.

Beide Aldi-Ketten haben zu Jahresbeginn Plastikgeschirr sowie Strohhalme und Becher aus Plastik aus ihren Filialen verbannt. Seit März verzichtet der Discounter auch bei Salatgurken auf die Kunststofffolien. Schwerer fällt den Händlern die Umstellung bei leicht verderblichen Waren wie Fleisch, Fisch oder Milchprodukten. Auf dem Weg zu weniger Plastik setzt Aldi aber nicht nur auf Ideen von Lieferanten und Beschäftigten. Seit 2019 sucht die Handelskette auch gemeinsam mit dem Gründerzentrum Techfounders nach Innovationen von Start-ups. 85 Jungunternehmen haben sich daraufhin bei Aldi beworben.

Bald könnten in den Filialen Automaten stehen zum Abfüllen von Waschmitteln

Vor Kurzem hat der Discounter die verheißungsvollsten Start-ups zum "Pitch" in eine Werkstatt nach Mülheim an der Ruhr geladen: Jeder Gründer hatte fünf Minuten Zeit, um den Managern seine Idee vorzustellen. Für Aldi Nord war es der erste Start-up-Pitch der Firmengeschichte.

Zu den Finalisten zählt etwa Philipp Silbernagel. Sein Unternehmen Wisefood aus Garching bei München hat essbare Trinkhalme entwickelt. Diese bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen wie etwa Apfeltrestern, die bei der Saftherstellung übrig bleiben. Den Gründern passt gut in den Kram, dass die EU Einweg-Plastikhalme von 2021 an verbieten will. Bei Aldi bewirbt sich Silbernagel darauf, die kleinen Plastikhalme zu ersetzen, die bisher etwa an Kakao-Packungen kleben.

Und statt immer wieder einzelne Flaschen an Waschmitteln und Weichspülern zu verkaufen, schlägt das britische Start-up Eziserv vor, dass Aldi den Automaten des Jungunternehmens in seine Regale stellen solle. Dort könnten die Kunden leere Flaschen wieder befüllen. Doch stoßen derlei Ideen auch auf kritische Nachfragen der Aldi-Manager: Drohen da nicht eklige Pfützen auf dem Filialboden, wenn beim Befüllen etwas danebengeht? Und wie soll der Kunde zuhause die Inhaltsstoffe nachlesen, wenn er sich seinen Weichspüler in der Filiale einfach in eine beliebige Flasche kippt?

Die Manager wollen nun zwei bis drei Start-ups auswählen, deren Ideen am ehesten umsetzbar sind - auch im großen Umfang eines Konzerns wie Aldi. Die Sieger erhalten dann 20 Wochen lang eine Förderung von der Handelskette und sollen die Lösungen im Idealfall in die Praxis umsetzen. Kunden und die Politik warten schon darauf.

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