Discounter:Aldi-Familie streitet um die Macht im Konzern

Aldi Nord

Die Erben des Aldi-Imperiums streiten vor dem Oberverwaltungsgerichts Schleswig um die Macht in der Jakobus-Stiftung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Trotz ihres Reichtums sind die Firmenerben von Aldi Nord so zerstritten, dass nur noch Richter helfen können. Das Urteil, das am Donnerstag fallen soll, entscheidet über die Zukunft des Konzerns.

Von Michael Kläsgen

Aldi Nord ist ein weltweit erfolgreicher Discounter und im Prinzip völlig ungefährdet. Und doch geht es vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig um die Zukunft des Konzerns. Die Firmenerben haben sich trotz ihres schier unendlichen Reichtums scheinbar heillos zerstritten und ringen um die Macht in der Jakobus-Stiftung, eine von drei Stiftungen, die das Milliardenvermögen von Aldi Nord verwalten.

An der Unternehmensspitze des Discounters glaubt man, dass das Urteil, je nachdem, wie es ausfällt, zum "möglichen Wendepunkt in der Unternehmensgeschichte" werden könnte. Denn wichtige Entscheidungen, etwa die Modernisierung der Filialen oder die Bestellung von Managern, müssen alle drei Stiftungen laut Satzung einstimmig treffen. Entscheiden die drei Richterinnen, dass eine Satzungsänderung bei einer der drei Stiftungen, der Jakobus-Stiftung, aus dem Jahr 2010 unzulässig war, so wie es die Vorinstanz tat, könnte das am vom Firmengründer Theo Albrecht senior fein austarierten Gleichgewicht zwischen den Stiftungen Entscheidendes verändern. Eine Einstimmigkeit wäre dann nicht mehr automatisch gegeben; ständige Querelen wären programmiert.

An diesem Donnerstag sollte das Gericht über die Zulässigkeit eigentlich urteilen. Nach rund acht Stunden Verhandlung vertagten die Richterinnen eine Entscheidung im Familien-Streit. Voraussichtlich am 7. Dezember soll noch ein Zeuge gehört werden.

Die Satzungsänderung hatte der inzwischen verstorbene Firmenerbe Berthold Albrecht am 23. Dezember 2010 per Unterschrift vollzogen. Statt drei Sitzen sah er nur noch zwei für seine Familie vor, daneben einen Sitz für einen Manager von Aldi Nord sowie einen für den Unternehmensanwalt. Mit dieser geplanten Zwei-zu-zwei-Regelung wollte Berthold offenbar verhindern, dass die Familienmitglieder im Stiftungsvorstand die Unternehmensmitglieder überstimmen können. Er wollte die Satzung also zum Nachteil seiner Frau und der fünf Kinder ändern. Andererseits bedachte der 2012 Verstorbene sie in seinem Testament mit sehr viel Geld und Immobilien.

Gültigkeit hat die Satzungsänderung bis heute nicht, weil die Kinder die Regelung über ihren Anwalt Andreas Urban anfochten. Witwe Babette und die Kinder fühlen sich auf Betreiben von Bertholds Bruder Theo junior aus der Stiftung gedrängt. Vor Gericht wird nun verhandelt, wie es genau zu der Satzungsänderung kam und warum sich Berthold gegen seine Familie entschied.

Strittig ist etwa die Frage, ob Berthold zurechnungsfähig war, als er die Änderung unterschrieb. Er sei aufgrund seines Zustandes nicht in der Lage gewesen, Tragweite und Bedeutung seiner Unterschrift zu erkennen. Die Kinder stützen die These von der Unzurechnungsfähigkeit.

War Berthold Albrecht noch zurechnungsfähig? Es steht Aussage gegen Aussage

Die Version von Bertholds Bruder Theo junior ist eine andere: Im Sommer 2010 habe Berthold die ärztliche Prognose erhalten, nicht mehr lange zu leben. Zu etwa der gleichen Zeit sei der Firmengründer Theo senior gestorben. Seit dem Sommer 2010 hätten die Brüder deswegen viele Gespräche über die Satzungsänderung geführt. Bertholds Wunsch sei es gewesen, dass seine noch jungen Kinder keine Entscheidung gegen das Unternehmen treffen können sollten.

Theo junior änderte die Satzung in der von ihm kontrollierten Lukas-Stiftung seinerseits zugunsten von Unternehmensvertretern und ging mit gutem Beispiel voran. Auch in der Markus-Stiftung sind Familienexterne, die zugleich Vertraute des Clans sind, zahlenmäßig ebenbürtig. Die Markus-Stiftung verwaltet das Vermögen der Gründergattin Cäcilie (Cilly); an ihr sind die Lukas- und die Jakobus-Stiftung zu gleichen Teilen beteiligt, weshalb die Markus-Stiftung die größte ist. Ähnliche Regelungen zur dauerhaften Unternehmensabsicherung wurden beim Schwesterkonzern Aldi Süd eingeführt.

So sollte es auch bei Bertholds Jakobus-Stiftung gemacht werden. Das sei dessen Wunsch gewesen, heißt es auf Seiten von Aldi Nord. Von einer Handlungsunfähigkeit könne keine Rede sein. Dokumente belegten, dass Berthold in dem entsprechenden Zeitraum auf Dienstreise in den USA und dem europäischen Ausland war. Im November 2010 sei Berthold auf Vorschlag seines Bruders sogar zum Vorsitzenden des Aldi-Verwaltungsrates ernannt worden.

So steht Aussage gegen Aussage.

Die geplante Satzungsänderung dürfte aber wie in der Vorinstanz von Babettes Anwalt Urban zudem aus einem formalen Grund angefochten werden: Der Stiftungsvorstand war bei der Änderung nicht vollzählig, das schreibt aber die Satzung vor. Der damalige Vertreter der Geschäftsleitung von Aldi Nord lag nach einer Herzoperation in der Klinik. Berthold unterschrieb daher für ihn mit, also zweimal.

Betrugsprozess gegen Kunstberater Achenbach

Babette Albrecht bezweifelt, dass ihr Mann bewusst die Position der Familie in der Konzernstiftung geschwächt hat.

(Foto: Rolf Vennenbernd/picture alliance/dpa)

Im Aktienrecht ist das unzulässig, ob es im Stiftungsrecht rechtens sein kann, müssen die Richterinnen entscheiden. Um sie von der Rechtmäßigkeit zu überzeugen, reist der langjährige Unternehmensanwalt und Vertraute von Theo junior, Emil Huber, mit drei hochkarätigen Gutachtern nach Schleswig. Das Gericht dort ist zuständig, weil alle drei Stiftungen der Essener Albrecht-Dynastie aus steuerlichen Gründen im schleswig-holsteinischen Städtchen Nortorf ansässig sind.

Ein Argument zugunsten von Bertholds Witwe Babette, ihren Kindern und deren Anwalt könnte sein, dass mit ihrem Einverständnis das größte Investitionsprogramm der Firmengeschichte in Höhe von 5,2 Milliarden Euro lanciert und kurz vor der Gerichtsverhandlung der Vertrag von Aldi-Nord-Chef Marc Heußinger um weitere fünf Jahre verlängert wurde. Das Investitionsprogramm verzögerte sich zwar um Monate. Dennoch könnte beides jeweils als Signal dafür gewertet werden, dass der Familienstreit das operative Geschäft bei dem Discounter nicht ernsthaft tangiert. Ist die Tragweite des Urteils der drei Richterinnen letztlich doch nicht so groß, dass der Konzern ins Schlingern geraten könnte? Wie sie urteilen werden, ist nicht absehbar.

Entscheiden müssen sie in einem zweiten Verfahren auch, ob Babette, ihre Kinder und ihr Anwalt Einblick in Unterlagen der Markus-Stiftung erhalten dürfen und wenn ja, in welcher Form. Die Vorinstanz hatte die Klage noch mit der Begründung abgewiesen, die Akten enthielten schützenswerte Inhalte. Sollten die Klagenden in beiden Verfahren Recht bekommen, wäre das der von Theo junior befürchtete Einschnitt in der Geschichte von Aldi Nord.

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