Fachkräfte:Unternehmen können zwei Millionen Stellen nicht besetzen

Fachkräfte: Es gibt kaum eine Branche in Deutschland, die nicht händeringend nach Arbeitskräften sucht. Und der Mangel wird immer größer.

Es gibt kaum eine Branche in Deutschland, die nicht händeringend nach Arbeitskräften sucht. Und der Mangel wird immer größer.

(Foto: Ralph Peters via www.imago-images.de/imago images/Ralph Peters)

Ob Handwerk, Bildung oder Pflege: Überall fehlen Arbeitskräfte. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer legt drastische Zahlen vor.

Von Roland Preuß

Den Fachkräftemangel kann man derzeit zum Beispiel spüren, wenn man sich eine Solarstromanlage samt Wärmepumpe am Haus installieren lassen will. Vielerorts gerät schon die Suche nach einem Energieberater für die Planung zur Geduldsprobe, die Leute sind sehr gefragt. Mindestens genauso aufreibend dürfte anschließend die Suche nach einer Elektro- und Heizungsfirma werden, denn auch in dieser Branche suchen viele Firmen Beschäftigte - und finden sie nicht.

Blickt man auf die gesamte deutsche Wirtschaft, so hat sich der Mangel an Fachkräften weiter verschärft. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) bei fast 22 000 Unternehmen, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Mehr als die Hälfte der Unternehmen, 53 Prozent, konnte offene Stellen demnach 2022 längerfristig nicht besetzen. Das ist eine weitere Verschärfung der Lage im Vergleich zum Vorjahr, als dies noch 51 Prozent beklagten - und ein Rekordwert.

"Wir gehen davon aus, dass in Deutschland rund zwei Millionen Arbeitsplätze vakant bleiben", sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer, Achim Dercks. Damit entgehe dem Land eine mögliche Wertschöpfung von fast 100 Milliarden Euro. "Viele offene Stellen sind eine zusätzliche Belastung für uns alle", sagte Dercks mit Blick auf Herausforderungen wie hohe Energiepreise und gestiegene Staatsschulden. Der Mangel an Fachkräften gefährde zudem den Erfolg wichtiger politischer Zukunftsaufgaben wie Digitalisierung, Ausbau von Bahnstrecken oder die Energiewende - wie etwa bei der besagten Solarstromanlage.

Der Mangel ist auch bei den großen Unternehmen angekommen

Früher hatten laut DIHK vor allem kleinere und mittlere Unternehmen Schwierigkeiten, geeignete Leute zu finden. "Inzwischen ist das auch bei den Großen angekommen", sagte Dercks. Besonders gesucht sind Menschen in Ausbildungsberufen, hier berichteten fast die Hälfte (48 Prozent) der Unternehmen von Besetzungsschwierigkeiten. Fast 40 Prozent gelingt es nicht, wie gewünscht Auszubildende anzuwerben. Etwas geringer, aber dennoch auffällig, ist die vergebliche Suche nach Hochschulabsolventinnen und -absolventen; selbst Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung, die häufig für einfache Tätigkeiten eingesetzt werden, können viele Unternehmen (31 Prozent) nicht mehr einstellen.

Was könnte Abhilfe schaffen? Fast die Hälfte der Unternehmen nennt hier die Stärkung der beruflichen Ausbildung - also beispielsweise mehr Werbung für Ausbildungsberufe und mehr Investitionen in Berufsschulen. Gut ein Drittel setzt Hoffnungen in eine leichtere Anwerbung von Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland. Hierzu liegt bereits ein Gesetzentwurf der Ampelkoalition vor, den Dercks begrüßte. Bei den Arbeitslosen im Land sieht Dercks dagegen die Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft. "Die, die keine Vermittlungshemmnisse haben, sind mittlerweile in den Betrieben", sagt er. Als Vermittlungshemmnisse auf dem Arbeitsmarkt gelten zum Beispiel Krankheiten, kleine Kinder, die betreut werden müssen, oder fehlende Deutschkenntnisse.

Am häufigsten, zu 52 Prozent, sehnen sich die Unternehmer allerdings nach einem Abbau der Bürokratie. Pflichten, beispielsweise zur Dokumentation oder Meldung von Vorgängen, binden nach dieser Logik Personal, das man dringend für die eigentlichen betrieblichen Aufgaben benötigen würde. Zudem müssten staatliche Verfahren schneller werden. "Man muss die Visaverfahren unbedingt beschleunigen - teilweise muss man ein Jahr auf einen Visatermin warten", sagte Dercks.

Der Wunsch nach einem Abbau der Bürokratie gehört zum zeitlosen Forderungskatalog von Unternehmen, allerdings wird die Debatte in der Regel dann kontrovers, wenn es darum geht, welche Vorschrift konkret abgeschafft werden soll. So wehren sich Wirtschaftsvertreter derzeit gegen eine flächendeckende Erfassung der Arbeitszeit, die das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom Herbst verlangt hat. Diese bringt einerseits mehr Bürokratie mit sich - allerdings dürfte sie andererseits dazu beitragen, dass ein größerer Teil der vielen Millionen unbezahlten Überstunden pro Jahr künftig bezahlt wird.

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