Süddeutsche Zeitung

Digitalkonferenz:Auf eine digitale Weißwurst

Drei Start-up-Gründer veranstalten ein Online-Frühstück für digitalaffine Unternehmen und solche, die es werden wollen - und 50 000 schauen im Internet zu.

Von Jonas Schulze

Am Sonntagmorgen sitzen drei Männer in Lederhosen und eine Frau mit Kapuzenpullover in einem notdürftig eingerichteten Studio: vier Stühle, zwei Pappwände, ein Teppich. Am linken Bildrand stehen Holzkisten, darauf ein paar Schuhe. Was sonst monatelange Vorbereitung braucht, haben die Unternehmer Felix Haas, Bernd Storm van's Gravesande und Andreas Bruckschlögl in zwei Wochen auf die Beine gestellt: eine digitale Konferenz unter dem Motto "Bits and Pretzels".

Sie findet ausschließlich im Netz statt, etwa 50 000 Menschen haben sich per Computer oder Smartphone zugeschaltet. Wie bei einer normalen Konferenz gibt es Vorträge, Diskussionen und Fragerunden. Die Snacks können sich die Teilnehmer an die Haustüre liefern lassen. Passend zum Motto gibt es Weißwurst, Brezeln und Bier.

Beim digitalen Frühstück tauschen sich die Unternehmer über ihre Probleme aus und diskutieren Lösungsansätze. Moderiert wird die Veranstaltung von Britta Weddeling, gesprochen wird Englisch mit überwiegend deutschem Akzent.

Zu den Teilnehmern gehören viele Prominente, darunter der frühere Formel 1-Pilot Nico Rosberg, Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter, Start-up-Gründerin Ophelia Brown und der US-Schauspieler Kevin Spacey. Letzteren hatte "Bits and Pretzels" vor zwei Jahren als festen Partner präsentiert, dies dann aber wegen der Missbrauchsvorwürfe rückgängig gemacht; jetzt war er wieder dabei und sprach über die Vorwürfe und die Folgen für ihn. Andere Redner beschäftigen sich in zehnminütigen Kurzvorträgen mit der Frage, was jeder Einzelne tun kann, um die Herausforderungen der kommenden Monate zu meistern. "Für den Weg aus der Krise gibt es keinen Masterplan", sagt Verhandlungsexperte Matthias Schranner. Jetzt seien kreative Lösungen gefragt.

Wie viele Unternehmer in Deutschland spüren die drei Organisatoren die Auswirkungen der Krise. "Die Ausgangssperre hat mich getroffen wie ein Hammerschlag", sagt Bernd Storm van's Gravesande, aktuell Geschäftsführer bei Iconic Finance. Vierzig Mitarbeiter ins Home-Office zu schicken sei keine einfache Aufgabe, wenn man gerade an einem neuen Produkt arbeite, sagt er.

Felix Haas sieht Start-ups dennoch in einer besseren Ausgangsposition. "Im Vergleich zu anderen Branchen haben wir als Start-up-Gründer den Vorteil, dass wir schon lange digital vernetzt arbeiten", sagt Haas. Ein Teil der Arbeit könne vom Home-Office aus erledigt werden. Auch er spürt die Veränderungen, allerdings in die andere Richtung: Sein Unternehmen ID now, das digitale Identifizierungslösungen anbietet, verzeichnet ein Umsatzplus von 30 Prozent, sagt er. Allerdings stünde auch die Start-up-Branche vor enormen Herausforderungen. "Mit der Konferenz wollen wir der deutschen Gründerszene Mut machen und zeigen, dass die Krise auch eine Chance sein kann", sagt Andreas Bruckschlögl. Die drei Gründer hoffen, dass die Digitalisierung in Deutschland durch die Krise einen Schub bekommt. Wegen der Ausgangssperren sei das ganze Land auf das Internet angewiesen. Besonders in den Bereichen Bildung und Verwaltung gebe es viel Potenzial für Verbesserungen.

Mit dem digitalen Frühstück wollen die drei Unternehmer zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Zeiten von Social-Distancing beitragen. Der Austausch sei extrem wichtig. "Die Krise bietet jetzt die Chance, neue Kommunikationsformen zu testen", sagt Bruckschlögl. Die Organisatoren können sich vorstellen, aus der digitalen Konferenz eine regelmäßige Veranstaltung zu machen.

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SZ vom 30.03.2020
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