Kolumne Femme Digitale:Diverse Ideen

Kathrin Werner, Digi-Kolumne

An dieser Stelle schreiben jeden Dienstag Marc Beise, Helmut Martin-Jung, Jürgen Schmieder und Kathrin Werner im Wechsel. Illustration: Bernd Schifferdecker

Madeline Lawrence ist eine Seltenheit in der Berliner Wagniskapitalszene: jung, weiblich, international. Ihr Rat an Gründerinnen und Gründer: Prüft genau, von wem ihr Geld bekommt.

Von Kathrin Werner

Wenn man etwas über das eigene Land lernen will, hilft es, mit jungen Menschen zu sprechen. Besser noch: mit jungen Menschen, die gerade aus dem Ausland nach Deutschland gekommen sind. Was auch nicht schaden kann: wenn diese Menschen Frauen sind, besonders wenn es um ein Geschäft geht, in dem Frauen fehlen, Investitionen in Start-ups.

Bühne frei also für Madeline Lawrence. Halb Amerikanerin, halb Italienerin, aufgewachsen in Barcelona, Studium in den Niederlanden, 24 Jahre alt. "Jung und naiv", schreibt sie über sich in ihrem Twitter-Profil. Und: "Mache reiche Männer noch reicher." Das ist nicht ganz ernst gemeint. Nicht ganz.

Lawrence ist Wagniskapitalgeberin, für die niederländische Venture-Capital-Firma Peak leitet sie das Geschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Anfang Juli hat sie das Büro in Berlin eröffnet, es war das erste der Firma außerhalb Amsterdams. Gerade ist noch Stockholm hinzugekommen. Das gesamte Geld des Peak-Fonds, 66 Millionen Euro, stammt von anderen Unternehmensgründern. Bevor sie bei Peak anfing und in Amsterdam jungen Firmen Geld gab, hatte Lawrence bereits ihren eigenen Wagniskapitalfonds mitgegründet, er heißt ASIF Ventures und investiert in Studenten-Start-ups. Sie weiß also, wovon sie spricht.

Nach ihren ersten Wochen in Deutschland hat sie einiges gelernt. Über das Land, über die Leute, über die Start-up- und Investorenszene und über den Stand der Digitalisierung. Erste Überraschung: "Mir war vorher nicht klar, wie schlecht das Internet hier ist." Sie hat schon aus Amsterdam oft mit deutschen Gründern Videotelefonate gemacht und immer wieder hatten die sich für ihr schlechtes Wlan entschuldigt. Aber jetzt merkt sie es an sich selbst. "Wenn ich mich in eine Konferenz einwähle mit den anderen in Amsterdam, bin ich die Einzige, die ganz verpixelt aussieht." Es hilft nicht dabei, erfolgreiche Digital-Start-ups zu gründen oder in sie zu investieren, wenn es schon am schnellen Internet hapert.

Weitere Erkenntnis, diesmal positiv: In Deutschland (und nicht nur in Berlin, denn auch außerhalb der Hauptstadt gebe es enorm viele junge Firmen) gibt es sehr viele Gründerinnen und Gründer (vor allem Gründer), die bereits ihr zweites Unternehmen starten und diesmal darauf achten, dass ihr Geschäft etwas Positives in der Welt bewirkt. "Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dieser Fokus auf den Impact ein bisschen vorgeschoben ist, aber ich finde es grundsätzlich gut, das zum Teil der Strategie zu machen", sagt Lawrence.

Außerdem hat sie in Berlin etwas erlebt, das sie auch schon aus Amsterdam kennt: Sowohl unter den Gründern als auch unter den Investoren fehlt es an Frauen und an Menschen, die aus anderen Kulturen stammen. "Es ist ja kein Geheimnis, dass es an Diversität mangelt", sagt Lawrence. "Wagniskapitalgeber sind noch immer ein Old-Boys-Netzwerk." Sie sieht zwar, dass die Investoren gerade in der letzten Zeit mehrere junge Frauen eingestellt haben, aber je höher die Führungsebene desto weniger Frauen. Partnerinnen gibt es in den Firmen fast keine. Bei Branchentreffs sitze sie oft zwischen lauter 40-, 50- oder 6o-jährigen Männern und grinse in sich hinein, wenn sie ihren roségoldfarbenen Laptop aufklappt.

Peak sei mit 50 Prozent Frauen einer der vielfältigste Wagniskapitalgeber, sagt Lawrence. "Zufall ist das nicht. Wir haben uns aber auch nicht explizit vorgenommen, dass wir unbedingt Frauen einstellen. Wir haben einfach immer die besten Leute genommen und die waren halt zur Hälfte Frauen." Irgendwann sei Diversität ein Selbstläufer geworden, weil divers aufgestellte Arbeitgeber nun einmal vielfältigere Mitarbeiter anziehen, sagt sie. Diversität habe sich als wirtschaftlicher Vorteil bewährt, auch was verschiedene Altersgruppen und Hintergründe angeht. "Ich als junger Mensch habe zum Beispiel den Vorteil, dass ich andere Trends erkenne, weil ich merke, dass meine Freunde alle nur noch über diese eine Sache reden."

In Berlin ist das jetzt ihre Aufgabe: Trends finden. Und die passenden Start-ups dazu. Oder sich von ihnen finden zu lassen. Denn das ist eine weitere Erkenntnis: "Es ist mehr Geld auf dem Markt als je zuvor." Wagniskapital-Finanzierung habe 2021 einen neuen Höchststand erreicht. "Es war noch nie so einfach, als Gründer Kapital zu beschaffen. Und zwar eine Menge", sagt sie. "Wenn ein Investor derjenige sein will, der Geld gibt, muss er sich beeilen und bereit sein zu zahlen." Lawrence hatte erwartet, dass das in Berlin so sein würde - "aber es ist doch noch etwas anderes, jetzt mittendrin zu sein". Sie rät Gründerinnen und Gründern, die Geldgeber genau zu prüfen und nicht den Erstbesten zu nehmen, sondern den, der zu einem passt - auch was die Partnerinnen und Partner angeht. "Statistisch gesehen dauert die Beziehung zu einem Wagniskapitalgeber länger als eine Ehe."

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