2018 entwickelt sich zum Jahr des Techlash. Die Wortschöpfung aus Technologie und "Backlash" (Gegenreaktion), umfasst drei Phänomene: die Kritik an der Marktmacht von Internet-Konzernen wie Google, Amazon und Facebook. Das Unbehagen über die sozialen Folgen von Smartphone-Dauernutzung und den ruppigen Ton im Netz. Und die Furcht vor Zukunftstechnologien wie KI und filigrane Robotik.
Über diese Themen diskutieren inzwischen Ökonomen, Programmierer, Wissenschaftler, Politiker und Anwender, also eigentlich die gesamte Gesellschaft. Das ist eine gute Entwicklung. In den unfruchtbaren Debatten der vergangenen zehn Jahre dominierten zu lange Technologie-Evangelisten auf der einen und Digital-Kritiker auf der anderen Seite.
Beide argumentierten nicht selten in Absolutheiten: Technologie als Lösung für alles oder Technologie als Lösung für nichts. Gemeinsam war ihnen dabei oft, dass sie politische, gesellschaftliche und ökonomische Kontexte ignorierten. Sie sahen eine utopische Zukunft aufziehen oder romantisierten die vordigitale Vergangenheit.
Der "Techlash" überwindet nicht nur diese Debatte, er nimmt explizit die beteiligten Firmen, Entwickler und Institutionen in die Verantwortung. Das entmystifiziert "Algorithmen" und die Mär von der gottgleichen Macht der Maschinen. Es sind Menschen, die Software pflegen und nutzen.
Ja, es gibt Lösungsvorschläge
Und es sind Menschen, die nach Lösungen suchen. Die vergangenen Monate haben zahlreiche Ideen zur wettbewerbsrechtlichen Regulierung von Technologie-Oligopolen hervorgebracht.
Programmierer und Juristen diskutieren wiederum detailliert über die Ethik autonomer Systeme: Sollte ein selbstfahrendes Auto in einem Unfallszenario ohne Ausweichmöglichkeit eine alte Frau oder besser zwei junge Jogger anfahren? Solche Entscheidungen müssen programmiert werden und ziehen Haftungsfragen nach sich.
Zugleich herrscht immer größere Einigkeit, dass die Entscheidungswege autonomer Software nachvollziehbar sein müssen. Zwar ist dies bei komplexen Systemen von morgen - ein mit KI ausgestattetes Scoring- oder Verkehrsleitsystem zum Beispiel - eine Herausforderung. Doch die rege Forschungsaktivität auf diesem Gebiet zeigt, dass sich sehr wohl bereits heute erfolgreich Kernanforderungen für künftige Computersysteme formulieren lassen.
Auch die Diskussionen über soziale Medien drehen sich nicht mehr nur um die heftigen emotionale Reflexe und um staatlichen Regelungsbedarf, sondern auch um die tieferliegenden Ursachen: ob es um Verhaltenspsychologie hinter den eingebauten Belohnungssystemen der Netzwerke geht oder um allzu menschliche Ur-Bedürfnisse nach Bestätigung, Zugehörigkeit und einfachen Erklärungen, die dort bedient werden.
Das Unbehagen sitzt tiefer
Diese Neuordnung der Welt zu verstehen, benötigt Zeit. Das exponentielle Wachstum digitaler Technologien setzt uns jedoch unter Druck. Wir wollen schon heute wissen, welche Auswirkung die Smartphone-Nutzung hat, auch wenn es an aussagekräftige Langzeit-Studien mangelt. Debatten über Marktmacht erwarten alle Branchen, in denen die Digitalisierung in Massen Datensätze und Kundenbeziehungen produziert, die Monopolisierung ermöglichen. Und die Folgen der Automatisierung will jeder kennen, der um seinen Job fürchtet oder gerade vor der Berufswahl steht.
Die Technologie-Firmen taugen nur bedingt als Sündenböcke für sämtliche Verwerfungen, sie folgen keinen selbstgemachten Regeln. Ihre aggressiven Wachstumsstrategien speisen sich aus der marktüblichen Dividenden-Optimierung. Ihre Weltverbesserung-Rhetorik ist nicht heuchlerischer als das Umweltschutz-Marketing von Ölkonzernen oder Bierbrauer-Werbebotschaften von Freiheit und Freundschaft. Auch für sie gilt die Logik neuer Wachstumsfelder: Die Auswertung privaten Verhaltens für zielgenaue Online-Werbung schafft schlicht einen weiteren Markt, in dem Firmen dafür bezahlen, uns neue Bedürfnisse einzuflüstern.
Dass die Rolle des Einzelnen dabei auf die des Konsumenten schrumpft, seine Aufmerksamkeit zu Geld gemacht wird, während seine Arbeitskraft immer austauschbarer erscheint: für all dies ist nicht alleine die Digitalisierung verantwortlich.
Der Techlash ist vielmehr Symptom des Unbehagens über einen Fortschrittsgedanken, der praktisch nur noch ein ökonomisch-technischer ist. Die Forderung nach menschlicheren Technologien ist untrennbar verbunden mit der Sehnsucht nach einem menschlicheren Kapitalismus.