Süddeutsche Zeitung

Digitalisierung:Lösung gesucht

Viele Unternehmen wollen in digitale Projekte investieren. Häufig scheitert dies an der Finanzierung. Doch wenn Banken zaudern, wittern Fintechs ihre Chance.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Die Nachfrage nach Finanzierungslösungen ist hoch. Laut der Umfrage "Mittelstandsmonitor" benötigt mehr als jeder vierte Betrieb in diesem Jahr eine Finanzierung, um seine Digitalisierungsprojekte voranzutreiben. Um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, muss der Mittelstand massiv in die Digitalisierung investieren. Die Finanzierung erweist sich jedoch häufig als Knackpunkt.

"Jeder weiß, dass der Maschinenbau in fünf Jahren zu fünfzig Prozent aus Software besteht, ebenso wie die Medizintechnik. Ohne Investitionen in die Digitalisierung kommt jede Branche in Schwierigkeiten", sagt Elmar Jakob, Geschäftsführer von der Frankfurter Finanzierungsberatung Ipontix Corporate Finance. Unternehmen könnten sich jedoch nicht mehr fünf Jahre Zeit lassen, um die digitalen Projekte anzuschieben, sondern müssten das Thema nun in den nächsten Monaten angehen, meint Jakob. Eine Einschätzung, die der Mittelstand teilt.

Laut aktuellem Finanzierungsmonitor der digitalen Finanzplattform creditshelf steht die Digitalisierung bei vielen Mittelständlern an oberster Stelle. 72 Prozent der befragten 200 Finanzentscheider messen der Digitalisierung bei ihren Investitionsplanungen eine wichtige oder sogar eine sehr wichtige Bedeutung bei. "Gleichzeitig befürchten mehr als zwei Drittel der Betriebe, dass die Finanzierung zum Flaschenhals bei der Digitalisierung des Unternehmens werden könnte", sagt Dirk Schiereck, Leiter des Bereichs Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt und Autor der Studie.

Für Banken und Sparkassen stellen Kredite für digitale Projekte häufig ein erhöhtes Risiko dar. Denn auch bei etablierten Firmen sind kostenintensive Investitionen in Zukunftstechnologien mit erheblicher Unsicherheit verbunden. Vielerorts können digitale Vorhaben aus eigener Kraft gestemmt werden, denn Betriebe haben ihre Eigenkapitalpolster gut befüllt. "Wer überdurchschnittlichen Erfolg hat, verfügt über volle finanzielle Möglichkeiten und kann entsprechend investieren. Diese Unternehmen können notfalls auch einen Flop verkraften", sagt Schiereck. Wer digitale Expertise benötigt, kann diese auch über eine Beteiligung oder einen Zukauf ins Haus holen. Wenn nötig, zieht Berater Jakob auch Finanzinvestoren und Family Offices als Eigenkapitalpartner zur Finanzierung der Projekte hinzu.

Staatliche Fördertöpfe sind besonders hilfreich für junge Firmen

"Investitionen haben durch den raschen technologischen Fortschritt eine ganz andere Halbwertszeit. Dies verlangt nach raschem und einfachem Zugang zu Kapital", sagt Schiereck. ist der Kapitalbedarf schwierig einzuschätzen, bieten sich auch spezille Instrumente an. So kommen für den Online-Shop-Aufbau klassische Leasingfinanzierungen zur Anwendung und durch das Internet der Dinge werden Pay-per-Use Modelle genutzt. Statt dem Produktkauf finanzieren Unternehmen den tatsächlichen Verbrauch, beispielsweise bei einem Mietmodell für IT-Programme namens "Software-as-a-Service". Dabei wird gegen eine Monatsgebühr über das Internet die Software im Rechenzentrum des Lieferanten genutzt. Der Einzug der Digitalisierung in die Finanzwelt hat Betrieben auch völlig neue Anbieter, sogenannte Fintechs, gebracht, die zudem den Kapitalzugang deutlich vereinfachen. "Fintechs haben mehr Technologieverständnis, um digitale Daten in Kreditmodelle umzusetzen. Der klassische Bankberater tut sich mit den traditionellen Bewertungsmethoden, die auf Jahresabschlüssen und Sicherheiten abstellen, hingegen schwer", sagt Schiereck. Statt verwertbarem Anlagevermögen sind in der digitalen Welt immaterielle Vermögenswerte wie Software, Lizenzen und Datenbanken vorhanden. Die Bandbreite der Fintechs ist groß. Doch die rasche und unbürokratische Darlehensvergabe hat meist einen deutlich höheren Preis.

Laut Mittelstandmonitor haben 48 Prozent der mittelständischen Industriebetriebe Software, Lizenzen und Co. bereits über alternative Wege finanziert. Die Finanzierungsmodelle für die Industrie 4.0 werden sich fortan Hand in Hand mit der Technologie wandeln. Für die Firmen ist ein Mix aus verschiedenen Finanzierungsinstrumenten häufig die richtige Antwort. "Alternative Finanzierungsmodelle sehe ich auch bei digitalen Themen nur als Ergänzung zu Eigenkapitalfinanzierung und Bankkredit und nicht als generelle Alternative", rät Finanzberater Jakob. Lösungen wie der Forderungsverkauf (Factoring) und Sale and Lease back, die Liquidität schonen und somit Finanzmittel für Digitalisierungsvorhaben freimachen, werden im Mittelstand bereits stark genutzt. Gerade für innovative Betriebe sind kapitalmarktnahe Instrumente wie Schuldscheindarlehen und Mischformen aus Eigen- und Fremdkapital (Mezzanine) eine Option.

Angesichts der kommenden Herausforderungen für die mittelständischen Betriebe ist eine regelmäßig aktualisierte Finanzplanung Basis des effizienten Kapitaleinsatzes. Ein guter Weg um Finanzierungskosten zu senken, sind staatliche Mittel. Die Fördertöpfe, welche die EU, Förderbanken und die Länder speziell für die digitale Transformation im Mittelstand bereithalten, sind besonders hilfreich für kleine und junge Betriebe ohne Sicherheiten. Die Förderbank KfW übernimmt beim zinsgünstigen ERP-Digitalisierungs- und Innovationskredit auf Wunsch 70 Prozent des Kreditrisikos und entlastet somit die Hausbanken. Die Darlehenssumme bis 25 Millionen Euro kann für neue Fertigungstechniken, die Entwicklung von Apps oder die Stärkung der IT-Sicherheit genutzt werden. Neuerdings ab Juli 2019 auch von Unternehmen, die neu am Markt sind.

Zinsverbilligte Darlehen vergibt zudem auch die bayerische Förderbank LfA sowie einen Digitalbonus über maximal 50 000 Euro speziell für kleine und mittlere Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft. Anträge können ab 1. Juli 2019 gestellt werden.

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Quelle:
SZ vom 05.07.2019
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