Arbeitsmarkt:Jobkiller E-Auto? Keine Panik!

Produktion VW e-Golf in Dresden

Die Montage von Elektroautos, wie hier beim E-Golf, verändert die Industrie massiv.

(Foto: dpa)

Wenn sich die Elektromobilität durchsetzt, werden bei den Autobauern viele Arbeitsplätze verschwinden - kein Grund für Alarmismus. Die schnelllebige Zukunft lässt sich beherrschen.

Kommentar von Marc Beise

Die Nachricht passt ins Bild. Wenn die fortschreitende Digitalisierung wirklich Jobs im Akkord frisst und ein Proletariat von Arbeitslosen zu erwarten ist, wie manche Weltuntergangs-Propheten nicht müde werden zu behaupten, dann wäre die neue Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation ein handfester Beleg für dieses Horror-Szenario. Denn die Forscher in Stuttgart sind hochkompetent bei der Beschreibung dessen, wie sich die Industrie und hier konkret die Automobilindustrie verändert. Bis 2030, sagen sie, könne allein wegen des Aufstiegs des Elektromotors unter dem Strich etwa jeder dritte Arbeitsplatz in der Antriebstechnik wegfallen, weitere Veränderungen sind zu erwarten.

Der Befund an sich ist so naheliegend, wie alarmistische Folgerungen daraus unsinnig sind. Zunächst zu den schlechten Nachrichten, und siehe: So viele sind es gar nicht. Für den Bau eines Elektro-Antriebs sind deutlich weniger Beschäftigte nötig als für den klassischen Verbrennungsmotor, das ist keine neue Erkenntnis. Der Wert der Studie besteht darin, dass er Zahlen liefert. Unter der Voraussetzung, dass im Jahr 2025 insgesamt 15 Prozent aller in Deutschland gefertigten Autos rein batteriegetrieben sein werden und weitere zehn Prozent einen Hybridmotor haben, könnten 100 000 der heute 210 000 Arbeitsplätze in der Antriebstechnik wegfallen; je mehr sich der Elektromotor durchsetzt, desto mehr Jobs werden überflüssig.

Aber schon kommen die guten Nachrichten. Bereits den ersten 100 000 Jobs, die sozusagen kurzfristig wegfallen können, stehen 25 000 Jobs gegenüber, die neu entstehen. Das zeigt, wie multifunktional die Veränderungen sind, wie falsch die Vereinfacher liegen. Selbst bei einer Elektroauto-Quote von 80 Prozent würde nur die Hälfte der beschriebenen Jobs wegfallen - und ein solcher Erfolg des E-Autos wird, so wie es aussieht, noch lange auf sich warten lassen. In jedem Fall geht es nur um einen Teilbereich der Autoproduktion, eben die Antriebstechnik. Angesichts von mehr als 800 000 Jobs in der Autoindustrie und der Zahl der Beschäftigten insgesamt in Deutschland (44 Millionen Menschen, so viel wie nie zuvor), ist das eine nennenswerte, aber keine katastrophale Verschiebung. Eine Verschiebung, der die Gesellschaft nicht ausgeliefert ist, die gestaltbar ist.

Dass das dies gelingen kann, dafür gibt es jede Menge positive Anzeichen. Es ist kein Zufall, dass die größte Gewerkschaft der Welt, die IG Metall, die die Studie in Auftrag gegeben hat, sich bei der Veröffentlichung am Dienstag jeden Alarmismus verkniffen hat. "Die Herausforderung ist groß, aber zu bewältigen" - das Wort des obersten Metall-Gewerkschafters, Jörg Hofmann, zeigt, dass alle Seiten erkennen, wie schnell sich die Technik verändert. Und dass man Chancen suchen muss und nicht zu viel über die Risiken lamentieren darf.

Deutschland kann die Digitalisierung gestalten

So passt die Nachricht der Fraunhofer-Forscher also tatsächlich ins Bild - allerdings in ein anderes als vermutet. Deutschland befindet sich vom E-Auto bis zur Digitalisierung in einem fundamentalen Umbruch, in der nächsten, der vierten industriellen Revolution, nach Dampfmaschine, Fließband und Automatisierung. Diesem Umbruch ist das Land nicht ausgeliefert, es kann ihn gestalten.

Die Verknüpfung von unzähligen Daten verändert die Produktion, und sie verändert natürlich ein Hochproduktionsland wie die Bundesrepublik Deutschland, und das mit einem bisher nicht gekannten Tempo. Was vor fünf Jahren nicht zu erahnen war, ist längst da, und was in zwei Jahren sein wird, mag man sich noch gar nicht vorstellen. Dabei wird die Arbeit in der Summe nicht ausgehen - aber sie wird sich ändern. Jobs gehen, Jobs kommen. Darauf müssen sich Unternehmen, Arbeitgeber und Gewerkschafter, die Politik und die Gesellschaft insgesamt einstellen.

Der Schlüssel für eine Beherrschung der schnelllebigen Zukunft ist die Bildung. Im digitalen Zeitalter wird einen Job finden, wer gut ausgebildet ist. Deshalb ist es genau richtig, wenn der IG-Metall-Chef eine "massive Qualifizierungsoffensive" fordert. Dazu müssen alle Seiten ihren Teil beitragen, übrigens auch die Gewerkschaften, die in diese Qualifizierungsoffensive Geld umleiten müssen, das früher einfach so in Gehaltserhöhungen gegangen wäre. Und das Management muss frühzeitig die Strukturen im Unternehmen so verändern, dass nicht plötzlich ganze Betriebe obsolet und ganze Regionen aufgegeben werden müssen. Die Arbeit beginnt jetzt.

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