Süddeutsche Zeitung

Digitalisierung:Flirten in Friedrichshain

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VW-Chef Herbert Diess trifft Microsoft-Boss Satya Nadella und beteuert, Volkswagen sei in Sachen Digitalisierung ganz vorn dran.

Von Angelika Slavik, Berlin

In schwierigen Zeiten braucht der Mensch bisweilen ein wenig Ermunterung. Da ist es gut, wenn man Freunde hat, die einem versichern, dass man alles richtig macht. Dass man ein echter Visionär ist. Einer, der die Zukunft nicht fürchten muss. Dass man, im Gegenteil, zu denen gehört, die Zukunft gestalten. Ha!

Am Mittwochnachmittag treffen also in Berlin Herbert Diess, der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen, und Satya Nadella, der Chef von Microsoft, zusammen. Volkswagen hat in sein "Digital Lab" geladen, eine demonstrativ coole Hütte im demonstrativ coolen Friedrichshain. Das ist natürlich auch schade, denn eigentlich hätte man ganz gern gesehen, wie VW den guten Freund Nadella nach Wolfsburg gekarrt hätte, wo es, nun ja, ein klein bisschen weniger cool ist. This is old economy, Satya! Nach Friedrichshain aber passt Nadella ganz ausgezeichnet: Er trägt Ringelsocken, das Coolness-Insigne der Anzugträger. Besser geht's nicht.

Einen wirklichen Anlass für den kleinen Bühnentalk gibt es nicht, auch wenn VW vorab pflichtschuldig bekannt gibt, dass man nun noch umfangreicher mit Microsoft kooperieren werde als bislang - und zwar in allen großen Absatzmärkten. Man werde jetzt an "ersten Leuchtturmprojekten für vernetzte Fahrzeugdienste" arbeiten. Aber diese Kooperation gibt es natürlich schon längst, und so geht es bei diesem inszenierten Plausch wohl vor allem um die Bilder, um das Signal: Wir bei Volkswagen, wir sind in Sachen Digitalisierung ganz vornedran.

Nadella jedenfalls weiß, was von ihm erwartet wird, er ist cool und berühmt und begeistert. Volkswagens Vision, sagt Nadella, sei "wahnsinnig aufregend". Überhaupt habe er "noch nie in meinem ganzen Leben" einen so extremen industriellen Wandel gesehen wie nun in der Autobranche. Dass der Wandel bei Volkswagen auch deshalb so massiv vorangetrieben wird, weil der Konzern nach der Dieselaffäre die Flucht nach vorn antritt, sagt Nadella nicht. Stattdessen schwärmt er davon, dass Autos ja bald "Computer auf Rädern" seien. Und er versichert, dass Microsoft sich nichts mehr wünsche, als dass Volkswagen Erfolg habe mit dem Auto der Zukunft. Davon hänge schließlich auch der Erfolg des eigenen Unternehmens ab, nicht wahr?

So viel Freundlichkeit darf natürlich nicht unerwidert bleiben, also zeigt sich nun auch Herbert Diess als Prince Charming: Microsoft, sagt er, sei in jeder Hinsicht ein idealer Partner, schließlich habe das Unternehmen auch eine Transformation hinter sich. Da könne man vielleicht noch etwas lernen. Dann beschreibt er den Status quo: Man sei ja ganz ausgezeichnet, wenn es um die Hardware und das Design gehe, sagt Diess und fährt fort - die Sache mit dem Diesel scheint auch ihm hier kurzfristig zu entfallen - die Autos von VW seien ja "close to perfect", nahezu perfekt. Jetzt gelte es sicherzustellen, dass man auch in Software-Fragen ähnliche Perfektion erreiche. Das sei nicht einfach, schließlich müsse man ein vernetztes Auto immer auf dem neuesten Stand halten und dennoch gewährleisten, dass nur geprüfte und sichere Technologie den Weg ins Betriebssystem finde. "Wir müssen das Auto immer am Laufen halten", sagt Diess. Das kann man philosophisch finden oder banal, Satya Nadella lächelt. Ein paar Fotos noch, dann ist er wieder weg. Die Zukunft basteln, bestimmt.

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Quelle:
SZ vom 28.02.2019
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