Digitalisierung:Bill Gates fordert Robotersteuer

File picture of a worker walking past second-hand robots in a factory in Shanghai

Industrieroboter nehmen seit Jahrzehnten Menschen die Arbeit ab - oder weg -, je nach Sichtweise.

(Foto: REUTERS)
  • Die Digitalisierung bedroht Millionen Arbeitsplätze - und damit auch die Lohnsteuern und Sozialabgaben, die vom Staat darauf erhoben werden.
  • Auch Microsoft-Gründer Bill Gates bringt nun eine Robotersteuer ins Spiel, um die Risiken der Digitalisierung zu bewältigen.
  • Ökonomen sind allerdings skeptisch. Sie fürchten, dass eine solche Steuer den technischen Fortschritt abwürgen könnte.

Von Alexander Hagelüken

Der Mann, der in diesem Video spricht, ist ein Revolutionär. Das war er schon damals, als die Haare noch nicht grau, aber ähnlich verwuschelt aussahen. Bill Gates schmiss mit 19 Jahren sein Studium und gründete Microsoft. Betriebssysteme wie Windows verhalfen Computern zum weltweiten Siegeszug - und machten den Studienabbrecher zum reichsten Mann der Welt. Im aktuellen Video des Onlineportals Quartz redet er schon wieder über eine Revolution - aber über eine ganz andere als in den Babyjahren des PC. Diesmal will Bill Gates das Steuersystem umkrempeln. Auf eine Art, die vom reichsten Mann der Welt kaum zu erwarten war: Er plädiert für eine Robotersteuer.

"Natürlich wird es Steuern geben, die sich auf die Automatisierung beziehen", sagt Gates, grüner Pulli, verwuschelte Haare. Bisher werfe die Arbeit von Menschen Steuern und Sozialabgaben ab. "Wenn Roboter diese Arbeit übernehmen, sollte man denken, dass wir den Roboter auf ähnliche Weise besteuern."

Widerspruch aus der Welt der Wirtschaft ist garantiert. Bei einer Diskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung in München sagte kürzlich Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer des bayerischen Wirtschaftsverbands vbw: "Eine Robotersteuer ist technik- und innovationsfeindlich. Sie mindert die Bereitschaft aller Beteiligten, sich auf die moderne Arbeitswelt einzulassen und führt zu Abwanderungstendenzen von innovativen Unternehmen." Statt mit Managern findet sich Gates in einer Allianz mit dem Präsidentschaftskandidaten der französischen Sozialisten, dem sehr linken Benoît Hamon. Eine Robotersteuer erwog gerade auch das EU-Parlament, verwarf sie aber letztlich.

Erst auf den zweiten Blick wird verständlicher, was Gates zu seinem Vorstoß bewogen hat - und auch andere Manager umtreibt. Die Digitalisierung bedroht Millionen von Arbeitsplätzen - und damit auch die Lohnsteuern und Sozialabgaben, die vom Staat darauf erhoben werden. Maschinen werden in den kommenden 20 Jahren bis zur Hälfte der Jobs in den USA und Europa ersetzen, sagen Studien voraus. "Maschinen werden den Menschen viele standardisierte Arbeitsplätze wegnehmen", erwartet der Ökonom Thomas Straubhaar. Absehbar "bleiben einige auf der Strecke, weil sie mit der Geschwindigkeit auf der Welt einfach nicht mehr mitkommen", warnt Siemens-Chef Joe Kaeser. Daher sei "eine Art Grundeinkommen völlig unvermeidlich". Für diese Idee erwärmen sich auch einige Silicon-Valley-Bosse.

Bill Gates geht einen Schritt weiter. Er will nicht nur zusätzliche Einnahmen für die Betreuung älterer Menschen und kleinere Schulklassen. Er will sich nicht nur um die Verlierer der Digitalisierung kümmern, sondern auch ihr Tempo bremsen und damit in die Wirtschaft eingreifen. "In einer Zeit, da Menschen sagen, Roboter werden wegen der Verdrängung unterm Strich Verluste verursachen, sollten wir das Steuerniveau erhöhen und sogar das Tempo der Einführung etwas bremsen." Der Eigentümer von Microsoft, das massiv in künstliche Intelligenz investiert, will die Einführung von Robotern bremsen? Das ist schon erstaunlich. Aber Gates steht mit seiner Haltung nicht allein. Auch der Chef der Deutschen Post, Frank Appel, sprach sich für eine Art Robotersteuer aus, um staatliche Ausgaben zu finanzieren - und menschliche Arbeit geringer zu besteuern.

Ob so eine Idee nutzt oder schadet, wird unter dem Stichwort Maschinensteuer seit ein paar Jahrhunderten diskutiert. Seit die Industrialisierung ab dem 18. Jahrhundert in großem Stil menschliche Jobs zu verdängen begann, kam die Idee immer wieder auf. Und setzte sich nie durch. Zurecht, findet der Hamburger Ökonom Straubhaar. "Die Robotersteuer ist eine dumme Steuer. Sie löst das Grundproblem nicht, sondern verschärft es." Wer den Einsatz von Technik bremst, schade dem Menschen. "Wenn ich von Hand ein Loch schaufele, schaffe ich zehn Meter pro Tag. Mit einem Bulldozer 1000 Meter." Man solle den Einsatz von Kapital nicht bremsen, sondern fördern. "Digitalisierung hilft Menschen, produktiver zu werden." Frankreich habe Technik zu Beginn der Industrialisierung gebremst, weshalb Großbritannien sich schneller entwickelt und Frankreich abgehängt habe.

"Statt Roboter zu besteuern, sollte man ihre Besitzer besteuern"

Eine Maschinensteuer verteuert den Einsatz von Maschinen. Die Folge: Es wird weniger Kapital eingesetzt, wodurch wiederum die Produktivität der Arbeiter und damit ihr Lohn gebremst werde, kritisiert der Ökonom. "Arbeiter gewinnen vielleicht kurzfristig den Wettkampf gegen Roboter, aber nicht gegen ausländische Konkurrenten", die mit Robotern produktiver werden.

Die Gefahren der Digitalisierung sieht Straubhaar auch. Deshalb fordert er im neuen Buch "Radikal gerecht", die Wertschöpfung der Firmen zu besteuern, also nicht bloß den Gewinn. "Statt Roboter zu besteuern, sollte man ihre Besitzer besteuer." Die Einnahmen aus dieser Wertschöpfungssteuer sollen, so seine Vorstellung, die Lohnsteuer ersetzen - und ein Grundeinkommen für jeden Deutschen von 1000 Euro im Monat finanzieren.

Und Bill Gates? Der reichste Mensch der Welt, der einen Großteil seines Vermögens in soziale Stiftungen gesteckt hat, zeigt sich ganz entspannt, was die Details seiner Steuerrevolution betrifft. Im Video sitzt der Microsoft-Gründer im grünen Pulli da und strahlt Optimismus aus: Wie die Menschheit es genau anstelle mit der neuen Besteuerung, darüber solle sie jetzt reden.

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