Computerkompetenzen:Wie gut können die Deutschen Digital?

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Selfie vor grüner Wand. (Foto: IMAGO/Zoonar.com/Yuri Arcurs peo/IMAGO/Zoonar)

Anderswo in Europa verlieren weniger Menschen den Anschluss an das digitale Zeitalter, zeigt das internationale Digitalbarometer. Hierzulande haben Ältere, Frauen und weniger Gebildete wenig Vertrauen in ihre Digitalkompetenz.

Von Jannis Brühl, München

Die Sache mit den Festnetztelefonen ist wirklich auffällig. Satte 79 Prozent der befragten Menschen in Deutschland nutzen privat noch eines. Das erklärten sie im internationalen Digitalbarometer, einer repräsentativen Umfrage des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation (BIDT) und des SZ-Instituts, einer Einrichtung des Süddeutschen Verlages.

Die Sache mit dem Festnetz ist bemerkenswert, weil der Vergleich mit anderen europäischen Ländern nun zeigt: Diese eher traditionelle Technik ist in keinem anderen der untersuchten Länder auch nur ansatzweise so weit verbreitet wie in Deutschland, weder in Österreich, Spanien, Finnland, Frankreich, Großbritannien noch in Italien. Die Forscher haben auch in diesen Ländern Tausende Menschen befragt, um die Ergebnisse mit denen aus Deutschland zu vergleichen. Denn das BIDT hat seine Umfrage aus Deutschland vom Sommer 2021 (die SZ berichtete) nun mit Umfragen aus anderen Ländern verglichen, die wenige Monate später durchgeführt wurden. In Finnland sei die Festnetznutzung "praktisch nicht mehr existent", schreiben die Autoren. Die Nutzung des Smartphones ist in Deutschland zudem die niedrigste in den untersuchten Ländern.

Das zeigt symbolhaft, wie breit die digitalen Gräben in Europa sind. ( Hier können Sie Ihre Digitalkompetenzen selbst einschätzen.)

Die Grundfrage des Digitalbarometers könnte man so formulieren: Wie wohl fühlen Sie sich in der digitalisierten Welt? In dem Selbsteinschätzungstest mussten 82 Fragen zu verschiedenen Themenfeldern beantwortet werden: Nutzungsverhalten, E-Government, digitale Kompetenzen, digitale Transformation der Arbeitswelt und künstliche Intelligenz. Die Fragen basieren auf einem digitalen Kompetenzrahmen der EU-Kommission. Beispielsätze, denen die Befragten zustimmen konnten oder nicht: "Wenn ich mit einem technischen Problem konfrontiert bin, versuche ich Schritt für Schritt das Problem zu finden." Oder: "Ich weiß, wie ich den Zugriff auf meine Standortdaten einschränken oder verweigern kann." Das BIDT, das die Umfrage durchgeführt und die Antworten analysiert hat, ist Teil der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Googeln geht gut

Die Vorliebe fürs Festnetz steht für die vergleichsweise zögerliche Digitalisierung Deutschlands, die sich allerdings nicht in allen Antworten niederschlägt. 94 Prozent der Befragten aus Deutschland gaben an, das Internet zu nutzen - nur in Italien ist der Anteil geringer. Und beim Suchen nach Informationen im Netz liegt Deutschland vorne.

Dafür legt die Studie frei, dass die digitalen Gräben in Deutschland tiefer gehen als in den anderen Ländern. "So ist in Deutschland die Gefahr, dass größere Teile der Bevölkerung mehr und mehr digital abgehängt werden, besonders groß", heißt es in der Studie. Geht es um den - nach Selbsteinschätzung - souveränen Umgang mit digitaler Technik, geht die Schere zwischen jungen und alten Befragten in keinem der Länder so weit auseinander wie in Deutschland (die Frage war, wer sich "selten oder nie" von digitalen Geräten oder dem Internet überfordert fühlt).

Die Kluft ist groß bei der digitalen Weiterbildung

Studienleiter Roland Stürz sagt: "Mich hat erstaunt, dass die digitale Kompetenzkluft in Deutschland vergleichsweise groß ist. Ältere, Frauen und zum Teil formal niedrig gebildete Menschen sind stärker als in den anderen untersuchten Ländern abgehängt. Das hängt unter anderem am Bildungssystem und den relativ geringen Weiterbildungsquoten gerade bei den Leuten, die es am nötigsten hätten."

In Finnland gibt es dagegen praktisch kein Bildungsgefälle, in Deutschland dagegen eine große Kluft bei der digitalen Weiterbildung im Vergleich mit anderen Ländern. Relativ wenige Menschen gaben an, dass sie "in jüngster Zeit ihre Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet oder digitalen Geräten verbessert haben". In Spanien bildeten sich etwa deutlich mehr Ältere digital fort.

Der sogenannte Indexwert - für wie kompetent halten sich die Befragten? - liegt in Deutschland in der Altersgruppe der 14 bis 29-Jährigen drastisch über dem der Gruppe über 65 Jahre. Beide Gruppen liegen 37 Punkte auseinander, der Index geht bis 100 Punkte. Dieser Unterschied ist auch deutlich größer als in allen anderen untersuchten Ländern. Einen deutlichen Unterschied gibt es in Deutschland auch beim Geschlecht. Männer haben einen Indexwert von 60 Punkten, Frauen von 51. Es ist der größte Unterschied, in Italien und Großbritannien sind es zum Beispiel nur 5 Punkte Unterschied. Auch bei diesem Geschlechterunterschied geht es wohlgemerkt um die Selbsteinschätzung.

Teilweise liegen die Probleme schlicht am mangelnden Angebot von staatlicher und kommunaler Seite. Daraus folgt dann: "Deutschland bildet bezüglich des Anteils der Personen, die schon einen kompletten Verwaltungsvorgang online ausgeführt haben, im Ländervergleich das Schlusslicht."

Immerhin, sagt Roland Stürz, die Probleme hätten die Menschen in Deutschland erkannt. Ein deutlich größerer Teil der Befragten als in anderen Ländern findet, dass der Digitalisierung in ihrem Land zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird, nämlich 61 Prozent. In allen anderen Ländern mit Ausnahme Italiens sind es weniger als 30 Prozent. Mit 17 Prozent ist auch der Wert derer, die die Beschäftigung mit dem Thema angemessen finden, der niedrigste im Vergleich. Stürz sagt dazu: "Das Bewusstsein für die Probleme ist bei vielen vorhanden, aber die Lösungen sind noch nicht da."

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