FC Bayern München:Siemens arbeitet am smarten Fußballstadion

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Das Stadion des FC Bayern München an der A 9: Hinter der Außenhaut sind mehr als 300 000 LEDs installiert. Die Arena kann in allen Farben leuchten.

(Foto: Foto: Imago)
  • Seit 2016 ist Siemens einer der großen Sponsoren des FC Bayern München - zusammen mit den Fußballern sollen industrielle Software-Anwendungen entwickelt werden.
  • Das Unternehmen arbeitet etwa an einer "Rasen-App" oder an Akustik-Kameras, um die "Fan-Energie" abzubilden.
  • Angenehmer Nebeneffekt für Siemens: Mindestens einmal im Monat führt der Konzern Besuchern und Kunden vor, was da alles gemacht wird.

Von Caspar Busse

Es sind noch drei Stunden bis zum Anpfiff, dann werden 75 000 Zuschauern in der Allianz-Arena sein, doch jetzt ist das weite Rund noch völlig leer. Sebastian Wolf steht wenige Schritte von der ebenfalls noch verwaisten Trainerbank des FC Bayern entfernt und tippt auf seinem Tablet. Die Leute von Siemens haben eine Rasen-App entwickelt. Die Daten dafür liefern im Minutentakt verschiedene Sensoren, die unter dem 8000 Quadratmeter großem Grün eingebaut sind: Temperatur, Rasenhärte, Luftfeuchtigkeit, Licht, Wind, Nährstoffgehalt - für sechs verschiedene Bereiche des Rasens. "Wir machen den Rasen besser", sagt der Siemens-Manager.

Wolf spricht dabei allen Ernstes von "Klimazonen". In Quadrat C beträgt die Temperatur an diesem Nachmittag beispielsweise elf Grad, in Quadrat D auf der anderen Seite des Innenraums nur 4,2 Grad. Siemens bereitet die Daten mit Hilfe der Software Mindsphere auf, eine offene und cloudbasierte Plattform, und stellt sie übersichtlich zur Verfügung. "Es geht nicht darum, die Arbeit des Greenkeepers zu übernehmen, sondern seine Arbeit soll so leicht wie möglich gemacht werden", sagt Wolf. Die neue App sei bislang einzigartig.

Seit 2016 ist Siemens einer der großen Sponsoren des FC Bayern München, Konzernchef Joe Kaeser persönlich stellte damals die neue und teure Partnerschaft zusammen mit Bayern-Präsident Uli Hoeneß in der Münchner Unternehmenszentrale vor, dort also, wo um die Ecke im Schwabinger Café Gisela der Verein einst gegründet worden war. Doch der Industriekonzern wirbt nicht auf den Banden und auch nicht auf den Trikots der Spieler. Siemens will zusammen mit den Münchner Fußballern industrielle Software-Anwendungen entwickeln und diese dann auf andere Bereiche übertragen. Angenehmer Nebeneffekt: Mindestens einmal im Monat führt der Konzern Besuchern und Kunden vor, was da alles gemacht wird.

Zum Beispiel die Rasen-App: Der Greenkeeper, also der Mann, der beim FC Bayern für den Rasen verantwortlich ist, geht noch immer jeden Morgen selbst runter ins Stadion und prüft die Qualität des Grüns. Mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Daten soll er entscheiden, wie viel Wasser oder Licht (der Rasen kann mit Lampen beleuchtet werden) notwendig ist. Das Grün, dessen Qualität zuletzt immer wieder kritisiert wurde, ist heilig - und teuer, der Austausch des Rasens kostet alleine ein Viertel Million Euro. Siemens hofft, dass die Anwendung nicht nur in München, sondern später auch in weiteren Stadien eingesetzt wird - und für andere Sportarten, denkbar sind Tennis, Golf, Football oder Baseball.

Siemens ist dabei nicht der einzige Technologiepartner des Münchner Fußballvereins, mit anderen Unternehmen gibt es durchaus Überschneidungen, alle wollen verdienen. Das Softwareunternehmen SAP beispielsweise analysiert alle Bewegungen der Spieler auf dem Platz und stellt Softwarelösungen bereit. Die Deutsche Telekom wirbt als Hauptpartner auch auf den Trikots. Die Steuerung der Beleuchtung der Außenhaut kommt von der Firma Philips.

Siemens dagegen ist vor allem für die Infrastruktur verantwortlich. Der Energiebedarf der Arena an einem Spieltag liegt alleine bei sechs Megawatt, etwa so viel wie eine Kleinstadt braucht. Wichtig ist auch der Brandschutz, es gibt alleine 4600 Brandmelder sowie 15 000 Sprinklerköpfe. Ganz oben unter dem Dach der Arena ist hinter verspiegelten Scheiben, die Blick ins Stadion garantieren, die Verkehrsleitzentrale untergebracht. Dort wird mit Siemens-Technik der Verkehr auf den umliegenden Autobahnen, die Lage im öffentlicher Nahverkehr auf den Wegen zum Stadion im Norden Münchens oder das Parksystem überwacht.

Alleine in dem Parkhaus, eines der größten in Europa, gibt es Platz für etwa 11 000 Autos. "Wir können sicher stellen, dass alle pünktlich im Stadion sind", sagt Siemens-Mann Wolf, der im Konzern vor allem für die Software Mind-sphere zuständig ist. "Die Herausforderung ist, alle Daten zusammen zu bringen und die Silos aufzubrechen", fügt er an.

"Siemens ist ein wichtiger Partner für uns, und soll noch wichtiger werden", sagt Andreas Jung, Vorstand bei der FC Bayern München AG und unter anderem für das Sponsoring zuständig: "Unser Wunsch ist es, die Partnerschaft noch auszuweiten." Man denke größer, sagte er. So will Jung die Technologie von Siemens auch an den anderen Standorten einsetzen.

Dem Verein gehört nicht nur die Arena. Es gibt auch das Trainingsgelände an der Säbener Straße und den neuen Campus im Münchner Norden, wo Nachwuchsspieler ausgebildet werden. Die Basketballer des FCB spielen im Audi-Dome, ein Neubau ist in Planung. Überall soll Siemens-Technik eingesetzt werden. Groß sei das Interesse von Investoren, die woanders ähnliche Stadien bauen wollen und sich die Ausstattung in München anschauen.

Es geht um viel Geld. Die Arena wurde 2005 eröffnet und gehört inzwischen zu hundert Prozent dem FC Bayern München. Der frühere Partner TSV 1860 München ist ausgeschieden. Heute finden in dem Stadion nicht nur rund 50 große Fußballspiele im Jahr statt, sondern insgesamt etwa 3000 Events aller Art, die den Stadionbetrieb mitfinanzieren. An der FC Bayern München AG, die zuletzt einen Umsatz von 657 Millionen Euro und einen Jahresüberschuss von kapp 30 Millionen Euro meldete, sind derzeit drei Partner beteiligt: Adidas, Allianz und Audi mit jeweils 8,3 Prozent. Ob auch Siemens irgendwann mal einsteigt, ist offen.

Ganz oben, im dritten Rang unter dem Dach des Stadions, hat Siemens sogenannte Akustik-Kameras, sie sind rund und mit Mikros in alle Richtungen ausgestattet. Hier wird in Zusammenarbeit mit der Londoner Firma Signal-Noise, die auf so etwas spezialisiert ist und zur Mediengruppe Economist gehört, die Lautstärke an jedem Platz des Stadions in jeder Sekunde des Spiels gemessen und dann visualisiert dargestellt - ein nach Siemens-Angaben im Fußball bisher weltweit einzigartiges Projekt, um die sogenannte "Fan-Energie" abzubilden. Damit soll die Qualität eines Spiels anhand der Stimmungen und Reaktionen der Fans beurteilt werden. Das könnte dann auch Auswirkungen auf die Höhe von Sponsorverträgen einzelner Spieler oder den Verkauf von TV-Rechten haben, heißt es. "Wenn die Stimmung gut ist und der Rasen grün, dann haben alle etwas davon", meint ein Beteiligter.

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