Süddeutsche Zeitung

Digitales Geld:Anarcho-Währung Bitcoin

Das Vertrauen in staatliche Währungen hat gelitten - das digitale Zahlungsmittel Bitcoin ist beliebt, weil es unabhängig von der Geldpolitik ist. Damit wäre allerdings vorbei, sollte es zur relevanten Währung werden.

Ein Kommentar von Kathrin Werner

Virtuelle Münzen kommen immer stärker in der wirklichen Welt an. Beim Basketballteam Sacramento Kings etwa bekommt man im Tausch für Bitcoin jetzt alles von Tickets über Trikots bis zum Hotdog im Stadion. Eine Kirche in London akzeptiert Bitcoin für die Kollekte. Und Microsoft hat den Währungsrechner der Suchmaschine Bing gerade um Bitcoin ergänzt. Es wirkt, als sei die Internetwährung nun ernst zu nehmendes Geld.

Doch das ist trügerisch. Hinter Bitcoin steckt Satoshi Nakamoto, ein geheimnisvoller Programmierer oder eine Programmiergruppe. Nakamoto hat die virtuelle Währung 2008 eingeführt und festgelegt, dass es nie mehr als 21 Millionen Internet-Münzen geben wird. Anders als "echtes" Geld werden Bitcoin nicht vom Staat gedruckt, sondern mit einem komplizierten Algorithmus von Computern errechnet; "mining" nennt man das - der Begriff soll an den Goldstandard erinnern und Zuverlässigkeit vortäuschen.

Bitcoin hat für Nutzer eine Menge Vorteile. Es handelt sich nicht nur um eine Währung, sondern auch um ein System für weltweite Transaktionen ohne Mittelsmänner wie Banken. Die Betreiber von Online-Läden etwa müssen bei Kreditkartenzahlungen meist eine Gebühr von zwei Prozent zahlen, die mit Bitcoins wegfällt. Für Menschen in Entwicklungsländern, die oft keine Bankkonten haben, könnten Bitcoins eine leicht zugängliche, global einsetzbare Währung werden, auf die ihre Regierungen keinen Zugriff haben.

Freies Spiel der Marktkräfte

Bitcoins sind unabhängig von der Geldpolitik, einen Kollaps des Dollars würden sie überstehen -das macht sie für Investoren interessant. Die Münzen sind eine Art Anarcho-Währung, sie sind besonders beliebt bei den Verfechtern des absolut freien Markts - und bei Kriminellen. Nachvollziehen, wer was mit der virtuellen Währung macht, kann niemand so leicht. Deshalb war sie Zahlungsmittel auf dem inzwischen geschlossenen Online-Handelsplatz Silk Road, auf dem vor allem Drogen verkauft wurden. Dass Leute mit der Währung Illegales treiben, macht allerdings nicht die Währung selbst illegal.

Was den libertären Geistern so sehr behagt, ist gleichzeitig ein Nachteil: Ihr Wert hängt nur von den Marktkräften ab, von Angebot und Nachfrage. Im Dezember kostete ein Bitcoin mehr als 1000 Dollar, jetzt liegt der Preis bei rund 630 Dollar. Anfang 2013 waren es 13 Dollar. Wenn morgen ein neuer Betrug bekannt wird oder Hacker angreifen, kann der Kurs einbrechen. Es gibt keine Zentralbank, die Bitcoin stabil halten könnte. Vertrauen, die Daseinsberechtigung für Währungen, schafft das nicht. Staatliche Geldpolitik hat sich als stabilisierender Faktor erwiesen. Über die Kontrolle von Geldmengen hat etwa die amerikanische Notenbank Fed den Vereinigten Staaten aus der Rezession geholfen. Zentralbanken gleichen allzu große Kursschwankungen aus, Menschen sollen dem Geldwert vertrauen können.

Gesetzgeber beunruhigt die digitale Währung

Nun hat das Vertrauen in staatliche Währungen seit der Finanzkrise sicher gelitten. Aber trotz allem waren die Kursschwankungen marginal im Vergleich zu Bitcoin. Und wenn die Wirtschaft rasant wächst, können staatliche Währungen Schritt halten - anders als die im Wachstum begrenzten Bitcoin und damals der Goldstandard.

Wenn Bitcoin weiter an Bedeutung gewinnt, wenn der Kurs so sehr steigt, dass die virtuelle Währung einen relevanten Teil der Geldmengen der Welt ausmacht, werden die Regulierungsbehörden reagieren müssen. Sie können nicht ihre Geldpolitik an Computeralgorithmen verloren geben. Und sie können der kriminellen Geldwäsche mit Bitcoin nicht unbegrenzt zusehen. Gesetzgeber werden schon jetzt unruhig. In China war der Tausch von Bitcoin in Yuan eine Zeit lang verboten, russische Behörden wollen den Einsatz einschränken und auch westliche Regulierer arbeiten an Gesetzen, die Bitcoin unter Kontrolle bringen sollen. Es gibt also nur zwei mögliche Wendungen: Entweder es misslingt der virtuellen Währung, genug Vertrauen zu schaffen, um in der Wirtschaftswelt relevant zu werden. Dann wird sie in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Oder mehr und mehr Leute setzen auf Bitcoin und lassen den Kurs steigen. Dann wird den Regierungen nichts übrig bleiben, als die virtuelle Währung zu regulieren - und sie damit ihrer libertären Vorzüge zu berauben. Bitcoin ist ein hochspekulatives Anlageobjekt, wird als Währung aber keine große Rolle spielen.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2014/fran
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