Digitaler Zahlungsverkehr:Der Feind der Banken

Digitaler Zahlungsverkehr: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

Virtuelle Währungen könnten den Zahlungsverkehr verändern und günstiger machen.

Von Marcel Grzanna

Es klingt verlockend: Wenn Rechnungen im internationalen Warenaustausch mit virtuellen Währungen beglichen werden, dann haben Banken keine Handhabe mehr, auf fällige Währungswechsel oder Transaktionen Gebühren zu erheben. Wo keine Zahlung per Kreditkarte geschieht, oder keine Summe X von einem auf das andere Bankkonto fließt, da gehen die Geldinstitute schlicht leer aus. Vielleicht wären sie sogar gezwungen, ihre Preise anzupassen, um Marktanteile zurückzugewinnen, wenn ihnen eines Tages die virtuellen Währungen große Teile einer ihrer traditionellen Einnahmezweige streitig machen. Gewinner wäre in diesem Fall der Kunde.

Ein neuer Wettbewerber also? Unternehmen, die viel in alle Welt exportieren, so wie Tausende deutsche Firmen das tun, sind dankbar für jeden Euro, den sie sparen können angesichts des scharfen globalen Wettbewerbs. Die Zahl der Anbieter von digitalen Guthaben wächst stetig: Bitcoin, Ether, Ripple oder Litecoin zählen zu den am weitesten verbreiteten, sind aber nur eine Handvoll von den insgesamt rund 1300 digitalen Währungen, die heute existieren. Längst erkennen weltweit etwa 100 000 Firmen Zahlungen ihrer Kunden mit virtuellem Geld an. Besonders in der IT-Branche und im Onlinehandel wird der Trend immer beliebter.

Und dennoch: "Virtuelle Währungen werden den klassischen Zahlungsverkehr nicht vollständig ersetzen", sagt Karsten Luc, Experte für Digitalisierung bei der Beratungsfirma AKRYL, auch wenn es ein "brennendes Thema" ist, mit der sich zurzeit insbesondere die Start-up-Gemeinde beschäftigt. Denn obwohl sich die Kryptowährungen seit ihrer Erfindung im Jahr 2009 auf dem Vormarsch befinden, stehen ihnen noch etliche Hürden bevor, ehe sie die gleiche Akzeptanz genießen. Auf Skepsis stoßen die neuen Zahlungsmittel in der Finanzbranche und in der Politik. Der Vorstand für Zahlungsverkehr bei der Bundesbank, Carl-Ludwig Thiele, betonte vor wenigen Tagen im Gespräch mit dieser Zeitung, dass Bitcoin weniger eine Währung sei als vielmehr eine spekulative Anlage. Zu selten würden die Token dafür genutzt, um Waren und Dienstleistungen zu bezahlen. Stattdessen würden ihre Besitzer lieber auf eine Wertsteigerung hoffen. Zu verdenken wäre es den Besitzern nicht. Wer in der Vergangenheit investierte, konnte unter Umständen tatsächlich ein Vermögen damit machen. Doch das bedeutet nicht zwingend, dass Unternehmen und Kunden auch ihren Warenverkehr über die alternative Digitalroute bezahlen.

Die Bekanntheit von virtuellen Währungen nimmt zwar schnell zu, weil immer mehr Menschen irgendwann schon einmal den Begriff Bitcoin aufgeschnappt haben. Doch sehr viele wissen nicht so recht, was es eigentlich damit auf sich hat. Vielen Konsumenten sind neue Technologien eher suspekt, weswegen ihr Interesse begrenzt ist, sich näher damit auseinanderzusetzen. Weshalb sollten Firmen dann in Erwägung ziehen, Kryptowährungen zu akzeptieren oder selbst damit bezahlen zu wollen?

Zumal Experten darüber streiten, ob Bitcoins und Co. tatsächlich besser sind als labile Währungen. Gerade die Firmen, die in Staaten Geschäfte machen, in denen hohe Inflationsraten die Margen bedrohen, könnten die neue Alternative bevorzugen. Statt sich in weichen Rupien auszahlen zu lassen, die nach der Rechnungsstellung bis zum Zahltag zehn Prozent an Wert verliert, könnte Bitcoins stabile Aussichten liefern. Doch die virtuellen Währungen sind erheblichen Kursschwankungen unterlegen. Gerade die Wertentwicklung in den vergangenen zwölf Monaten lassen befürchten, dass eine Spekulationsblase entstanden ist, die genauso schnell platzen kann und das Vermögen wieder vernichtet.

Das gilt umso mehr, als dass die politische Zukunft von Kryptowährungen noch nicht geklärt ist. In China, wo große Mengen gehandelt wurden, verfolgt die Regierung bisher keine klare Linie beim Umgang mit der neuen Technologie, die zu mehr Sicherheit bei Investoren und Nutzern geführt hätte. In Japan hat die Regierung digitale Währungen im Frühjahr in den Stand eines offiziellen Zahlungsmittels erkoren. Dennoch suchen auch die Japaner noch nach einer Methode, die Buchhaltung für Bitcoins zu standardisieren. Klar ist, dass Zahlungen jeder Art versteuert und bilanziert werden müssen. Die Nutzer selbst wissen aber oft noch nicht, nach welchen Kriterien sie Kryptowährungen in ihren Büchern registrieren müssen.

Trotzdem nimmt ihre Integration in alltägliche wirtschaftliche Abläufe kontinuierlich zu. Spezielle Anbieter wie Bitpay oder Coingate bieten die Software, um es Betrieben zu erleichtern, sich ohne große Fachkenntnisse in den Zahlungsverkehr einzuschalten. Sie berechnen den Gegenwert eines Kaufpreises, nehmen die Zahlung des Kunden in Bitcoin entgegen und überweisen in der gewünschten Hartwährung auf das Konto des Auftraggebers. Dafür wird eine Gebühr fällig. So trägt nicht die fertigende Firma das Risiko schwankender Bitcoin-Kurse, sondern die Vermittler. Inzwischen kann man in manchen Geschäften sogar Kaffee zum Mitnehmen mithilfe von speziellen Konvertierungsprogrammen in Kryptowährung kaufen.

Ob die Popularität so weit zunimmt, dass in der Speisekarte eines Restaurants neben dem Preis in Euro auch der Preis in Bitcoin oder anderer virtueller Währung steht, hängt also von einer Handvoll Faktoren ab. "Davon auszugehen, dass wir in ein oder zwei Jahren alle mit Bitcoins zahlen, ist ausgeschlossen. Politik und Finanzwelt werden eine schnelle Verbreitung so leicht nicht zulassen", glaubt Digitalisierungsexperte Luc. Wohlgleich ist der Fachmann optimistisch, dass sich jenseits der klassischen Unternehmenszweige schnell eine neue Zahlungskultur entwickelt. Denkbar ist dies etwa im IT-Bereich. Sollten sich die digitalen Zahlungsmethoden samt einer sauberen unternehmerischen Bilanzierung etablieren, könnten sie den klassischen Zahlungsverkehr entscheidend verändern.

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