Digitaler Euro:Wettlauf ums digitale Geld

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Facebook will eine eigene Internetwährung einführen. Auch China plant dies. Wo bleibt Europa?

Von Katharina Wetzel

Noch ist offen, ob sich Digitalwährungen im Zahlungsverkehr künftig durchsetzen werden. Doch der Wettlauf um die Vormachtstellung beim Cybergeld hat längst begonnen. Der Internetkonzern Facebook hat mit der Ankündigung, eine eigene virtuelle Währung namens Libra auszugeben, die Entwicklung beschleunigt. China will bereits im nächsten Jahr einen digitalen Yuan präsentieren. Auch in anderen Ländern arbeiten Zentralbanken an digitalen Währungen. Hierzulande ist von einem digitalen Euro wenig zu hören. Auch in der Blockchain-Strategie der Bundesregierung, die vergangene Woche vorgestellt wurde, ist von einem E-Euro nicht direkt die Rede. Dabei gibt es ihn schon.

Das Start-up Cash on Ledger sowie die Commerzbank ermöglichen bereits Zahlungen mit dem E-Euro auf Basis der Blockchain-Technologie. Das seien jedoch kleinere Projekte im Vergleich zu dem, was China vorhabe: "Chinas Währung wird von einem großen Konsortium in den Markt gebracht. Bis Deutschland und Europa so weit sind, wird es noch ein paar Jahre dauern", sagt Professor Philipp Sandner, Leiter des Blockchain-Centers an der Frankfurt School of Finance and Management. Sandner begrüßt die Blockchain-Strategie der Bundesregierung, innerhalb der Europäischen Union sei Deutschland damit führend. Doch weltweit betrachtet, hinke Deutschland beim digitalen Geld hinterher. "Für die Industrie kann es Probleme geben, wenn in wenigen Jahren Dutzende Millionen von Geräten an das Internet angebunden sind, aber die nötige digitale Infrastruktur beim Zahlungsverkehr fehlt", befürchtet Sandner. Derzeit sei Geld im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr manchmal länger unterwegs als Bananen aus Ecuador. Viele Firmenchefs hätten die Blockchain noch gar nicht auf dem Schirm.

Blockchain - so heißt die Technik, mit der auch die Kryptowährung Bitcoin funktioniert. Über die zu einer Kette gereihten Datenblöcke können auch digitale Währungen oder Wertpapiere transferiert werden. Die Werte oder Euros werden dafür in digitale Einheiten umgewandelt. Wie das digitale Geld den Zahlungsverkehr revolutionieren könnte, wurde kürzlich auf einer Konferenz des Blockchain Center diskutiert. Digitale Finanzdienstleister wie Finbc oder Tangany würden es begrüßen, wenn der E-Euro auch im alltäglichen Firmengeschäft zum Einsatz käme.

Das Münchner Start-up Tangany bietet die passende Infrastruktur für individuelle Blockchain-Lösungen. Unternehmen können damit ihre Software aufrüsten und Finanztransaktionen, aber auch Verträge oder Anteile von Firmen oder Immobilien über die Blockchain abwickeln. Beim Verkauf einer Immobilie können beispielsweise verschiedene Parteien Anteile erwerben und sich die Kosten für Notar und Grundbuchamt sparen. Ein digitaler Euro habe den Vorteil, dass künftig auch Bruchteile von einem Cent durchführbar sind, sagt Martin Kreitmair, Gründer von Tangany. Globale Transaktionen wären viel schneller und günstiger abwickelbar. Die Transparenz sei ein großer Vorteil. Die Europäische Zentralbank könnte mit einem eigenen digitalen Euro ihre Geldpolitik leichter umsetzen und Negativzinsen automatisch im System implementieren. Kreitmair sieht aber auch Gefahren. China könnte die eigene digitale Währung zur Überwachung der Bevölkerung einsetzen. "Es ist wichtig, dass Zahlungen auch im Internet anonym getätigt werden können", sagt Kreitmair. Seit der Gründung 2018 erhielt sein Start-up staatliche Förderungen in Höhe von mehr als 180 000 Euro. Eine Summe, die im Vergleich zu den Beträgen in anderen Ländern jedoch fast mickrig wirkt.

"In China und den USA spielen die Unternehmen in einer ganz anderen Liga. Dort werden die fünf- bis zehnfachen Summen investiert. Damit können wir in Europa nur schwer konkurrieren", sagt Kreitmair, der darin auch eine Gefahr für den Industriestandort Deutschland sieht. So kämen die meisten Unicorns - das sind junge innovative Unternehmen mit einer Marktbewertung über einer Milliarde US-Dollar - aus den USA. Wenn diese europäische Wettbewerber aufkauften, gehe viel Potenzial für Europa verloren, befürchtet Kreitmair.

"Blockchain made in Germany ist auch ein Gütesiegel, das für Transparenz steht."

Auch Andreas Scheifele, einer der Gründer von Finbc, sieht die geringen staatlichen Fördersummen als Nachteil an. "Im Vergleich zu China und USA ist Europa absolutes Schlusslicht", meint Scheifele. Mit seinem Start-up Finbc (Finance blockchained) aus dem Rhein-Main-Gebiet will er im vierten Quartal an den Markt gehen. Die Online-Plattform im Bereich Mittelstandsfinanzierung deckt unter anderem Serviceleistungen wie Factoring, Rechnungs-Vorfinanzierung, Leasing und Unternehmenskredite ab. Über die Plattform können Firmen Angebote vergleichen, Rechnungen austauschen und währungsunabhängig bezahlen. Aktuell spiegelt Finbc den Euro auf die Blockchain durch die Verbindung mit einem Bankkonto: "Wir sind einer der ersten, die so einen Service bieten", sagt Tobias Pitz, Co-Gründer von Finbc. Die Blockchain könnte noch viel mehr Vorzüge aufweisen, sind Pitz und Scheifele überzeugt, wenn sie in Kombination mit anderen Technologien wie künstlicher Intelligenz oder dem Internet der Dinge (Internet of Things) eingesetzt werde.

Auch die Regulierung sei mitunter ein Hemmschuh: "In Deutschland werden EU-Regeln häufig strenger ausgelegt als in anderen EU-Ländern. Das macht Kooperationen schwieriger und die Umsetzung neuer Ideen komplexer. Wir sind neben der geringeren Investitionsbereitschaft der Wirtschaft dem Risiko ausgesetzt, von Unternehmen aus dem Ausland überholt zu werden", sagt Pitz. Und Tangany-Gründer Kreitmair meint: "Bezüglich der Geldwäscherichtlinie ist kein EU-Land so streng wie Deutschland. Wir werden eine eigene Lizenz für Deutschland einführen." Die strengen Regeln hierzulande hätten aber auch Vorteile. "Blockchain made in Germany ist auch ein Gütesiegel, das für Transparenz steht", meint Scheifele.

Der digitale Zahlungsverkehr ist zum Politikum geworden. Ausländische Anbieter müssten hierzulande erst eine Lizenz beantragen, wenn sie digitale Geldbörsen verwalten wollten. "Das sind schon protektionistische Tendenzen", meint Kreitmair. Diese könnten sich noch verschärfen, wenn China mit dem digitalen Yuan eine Vormachtstellung einnimmt oder an Facebooks Libra Milliarden Nutzer Gefallen finden. "Kein Staat der Welt will die Entwicklung von digitalen Währungen Facebook überlassen", sagt Kreitmair. Hier gebe es nur zwei Möglichkeiten: Libra gewähren lassen oder Libra verbieten und eine eigene digitale Währung zu starten.

Dabei wird es auch keine allzu große Rolle spielen, dass die Bundesregierung Facebooks Pläne erst mal abgelehnt hat. "Es ist möglicherweise irrelevant, wie sich Deutschland und Frankreich zu Libra positionieren. Die Internetwährung wird vermutlich kommen. Sie ist vor allem für Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern gedacht", sagt Sandner.

© SZ vom 27.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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