Digitale Welt:Diese Emojis brauchen wir

Herzchen, Elefant, Mülleimer: Handynutzer können sich mithilfe von 2000 Symbolen mitteilen. Das ist aber noch lange nicht genug.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Frauen können jetzt surfen. Sie können Gewichte heben. Sie können Basketball spielen und sogar schwimmen. Logisch, das Surfbrett ist rosa, die Jogginghose lila, der Trainingsanzug pink, aber als Ausgleich für das verkitschte Farbenspiel dürfen sie nun richtig harte Jobs machen, also auf der Baustelle arbeiten und als Polizistin oder Sherly Holmes Verbrecher jagen. Und der Mann, was ist dem geblieben? Surfen und Verbrecher jagen konnte der ja immer schon, da wird es Zeit für neue Aufgaben, zum Beispiel alleinerziehender Vater von zwei Kindern sein. Ja, es ist schon eine irre schöne, gleichberechtigte, politisch korrekte Bilderwelt, in der wir da leben, seit Apple kürzlich ein Update für das Smartphone herausgebracht und unser Daseinsrepertoire damit um ein paar Emojis bereichert hat.

Galten Emojis bis vor ein paar Jahren noch als Ironie-Marker und pubertäre Piktogramme, deren Gefühlsspektrum gerade mal von Fröhlichkeit bis Wut reichte, haben sich die bunten Bildschriftzeichen mittlerweile fast zu einer Art Weltsprache entwickelt. 2015 wählte das Oxford Dictionary das Tränen lachende Emoji zum Wort des Jahres, im vergangenen Jahr sollen sechs Milliarden Emojis verschickt worden sein, täglich. In natürlicher Nachfolge der Höhlenmalerei gibt es heute auf unterschiedlichen Plattformen fast 2000 Symbole: Daumen hoch, Herzchen, Kleeblatt, Matcha-Tee, Commedia-dell'arte-Masken, Heiligenschein-Smiley, Mülleimer, Elefant.

Emoji Kollage

Ewig dasselbe: Neue Emojis braucht die Welt.

(Foto: dpa)

Einst erfunden, um als exaltierte Smileys die Displays zu erleuchten und klare Ich-Botschaften auszusenden, dient dieses Welt-Alphabet längst nicht mehr nur der Abbildung von Gefühlen. Nachdem es verschiedene Hautfarben sowie Händchen haltende Männer und Händchen haltende Frauen schon etwas länger gibt, kamen kürzlich mehr als hundert neue Emojis hinzu. Zum Beispiel eine Regenbogenflagge, eine alleinerziehende Mutter, eine Wasserpistole, tanzende Männer mit Hasenohren. Das Unternehmen will damit mehr "Gender- und Familienoptionen" schaffen und die "Diversität von Menschen überall" widerspiegeln.

Gut, als divers könnte man diesen im Smartphone integrierten Stimmungs-Setzkasten schon bezeichnen. Zumindest kann sich jeder mitteilen, der einen blauen Diamanten gefunden hat, einen Hotdog isst oder eine Mass heben geht. Mainstream ist das nicht. Aber was ist eigentlich, wenn man nun nicht nur zwei Kinder hat, sondern vier? Oder wenn man anstatt Bier lieber Billigschnaps trinkt? Oder einen Hidschab trägt? Für diese drei wahrscheinlich gar nicht mal so selten vorkommenden Beispiele bietet Apple nämlich keine Symbole. Muss man in solchen Fällen tatsächlich auf schnöde 26 Buchstaben oder gar ein anstrengendes Telefongespräch ausweichen?

Für die aktuelle Liste wurde der Revolver gekillt, stattdessen neu: eine grüne Wasserpistole

Nicht unbedingt. So hat die Berliner Schülerin Rayouf Alhumedhi, 15, erst vor Kurzem ein Hidschab-Emoji entworfen - weil einfach keines der Smileys aussah wie sie. Ihren Antrag schickte sie unter viel Presseaufmerksamkeit an das kalifornische Unicode-Konsortium, eine Nicht-Regierungsorganisation, die digitale Standards für die Darstellung von Text festlegt und auch über die Emojis wacht. Dieser Organisation gehören unter anderem Regierungen, Universitäten und Vertreter großer Technologiekonzerne wie Google, Microsoft, Apple, IBM, Oracle oder SAP an. Mal sehen, ob das Gremium das Kopftuch in die offizielle Emoji-Liste aufnehmen wird. Einen Turban tragenden Mann und eine Turban tragende Frau gibt es auf dem iPhone jedenfalls schon. Was hingegen nicht mehr existiert im Bilderschatz der Apple-User, das ist ein Revolver; der wurde durch eine grüne Wasserpistole ersetzt, was zu einer Diskussion über Deutungshoheiten führte und von der FAZ als "Die Zensur der Symbole" tituliert wurde.

Stinkefinger, Bomben und Messer - all das gibt es auf unseren Retina-Fenstern. Aber zusammen mit den joggenden Frauen und babysittenden Vätern und friedlichen Einhörnern sieht das dann in summa eben total Herz/Feuerwerk/Kussmund aus. Wie ein lustiger, bunter Lebenscomic aus dem digitalen Alltag. Wenn jetzt noch ein paar Symbole dazukommen, die noch mehr mit der Realität zu tun haben, muss man echt sagen: Respekt, voll die Weltsprache!

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