Süddeutsche Zeitung

Digitale Infrastruktur:Dobrindt will Zugriff auf Daten erleichtern

  • Verkehrs- und Infrastrukturminister Dobrindt plant weitreichende Änderungen beim Datenschutz, damit Unternehmen leichter auf Daten zugreifen können.
  • Im Ministerium ist man besorgt, dass deutsche Unternehmen wegen des strengen Datenschutzes im internationalen Wettbewerb zurückfallen.

Von Markus Balser, Berlin

Wo das Geschäft der Zukunft liegt? Daimler-Chef Dieter Zetsche kommt bei einer Diskussion mit Managern und Forschern in Berlin ohne Umschweife zum Punkt: In Zeiten, in denen Autos zu rollenden Laptops werden, in denen Computer Fahrer ersetzen, gebe es einen neuen Rohstoff für seine Industrie: Daten. Gesammelt werden die in Zukunft von 40 Millionen Autos, die immer stärker vernetzt sind. Wetter, Urlaub, Routen, Gewohnheiten, Tagesabläufe. Autos der neuesten Generation verraten viel. Nicht nur für die Autoindustrie entsteht ein kostbarer Datenschatz. Auch in IT-, Medien-, Telekom oder Medizintechnikfirmen hofft man auf florierende Geschäfte.

Bislang aber sind denen enge Grenzen gesetzt. Persönliche Daten unterliegen dem strengen deutschen Datenschutzrecht, nach dem Daten nur zweckgebunden genutzt werden dürfen. Seit langem fordert die Wirtschaft mehr Freiheiten. Nur so, heißt es in Konzernen, bei Verbänden und Start-ups, könne die hiesige Branche bei der globalen Digitalisierungswelle mithalten. Offenbar mit Erfolg. In der Bundesregierung bahnt sich ein Umdenken an.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung treibt man im Digitalressort von Verkehrs- und Infrastrukturminister Alexander Dobrindt das Ziel voran, rechtliche Hürden für Digitalunternehmen zu senken. Die Bundesregierung müsse ihre digitale Strategie "weiterentwickeln und sie auf die nächste Welle der Digitalisierung mit der Vernetzung aller Dinge, einem enormen Datenwachstum und neuen, digitalen Schlüsseltechnologien ausrichten", heißt es in einem Strategiepapier "Digitale Agenda 2017+", das der SZ  vorliegt.

Das Papier gilt auch als Update der vor zwei Jahren vorgestellten Digitalstrategie der Bundesregierung. Das Ministerium strebt demnach weit reichende Änderungen an. "Wir brauchen ein Datengesetz", heißt es weiter. Auch die Stoßrichtung wird klar: "Daten sind der Rohstoff der Digitalisierung und bilden die Grundlage für digitale Wertschöpfung. Wir wollen weg vom Grundsatz der Datensparsamkeit, hin zu einem kreativen und sicheren Datenreichtum." Im Klartext: Unternehmen sollen mehr Möglichkeiten bekommen, den Datenschatz, über den viele längst in ihren Rechenzentren verfügen, auch endlich zu heben. Denn bislang gilt im deutschen Datenschutzrecht das Gebot der Datensparsamkeit.

Laut Ministerium steht beim strikten Umgang mit Daten jedoch viel auf dem Spiel. Man fürchtet, dass Branchen international zurückfallen. "Größe, Marktmacht und Innovationsführerschaft sind für Unternehmen - aber auch für ganze Staaten - zu Momentaufnahmen geworden", heißt es weiter. Das Ministerium drückt intern deshalb aufs Tempo: Die laufende Wahlperiode ende im Spätsommer 2017, die Digitalisierung aber gehe weiter. "Wir können uns deshalb keinen Stillstand leisten. Lagen früher zwischen einzelnen Innovationsschritten Jahre oder auch Jahrzehnte, sind es heute teilweise nur noch wenige Monate.

Dadurch hat sich der internationale Wettbewerb massiv verschärft." Bei Datenschützern stoßen die Pläne auf Kritik. Denn das Ministerium setzt sich für ein Datengesetz ein, das "die Persönlichkeitsrechte der Menschen mit der Wertschöpfung der Wirtschaft vereint". Zwar pocht das Ministerium darauf, dass diese Daten den Menschen gehören, die sie erzeugen. Eine Verarbeitung und Vernetzung dürfe ausschließlich anonymisiert und pseudonymisiert erfolgen, heißt es.

Auch in Europa sollen ganz große Spieler entstehen

"Ich stehe dem kritisch gegenüber", sagt etwa der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Es drohe eine Beschränkung des Datenschutzes. Auch innerhalb der großen Koalition könnte es neue Debatten geben. Denn für den Datenschutz ist in der Regierung federführend das Innenressort von Thomas de Maizière (CDU), für Verbraucherschutz das für Justiz von Heiko Maas (SPD). Vor allem Maas verfolgt einen strikten Kurs. Die Pläne des Digital-Ministeriums gehen indes noch weiter. Dobrindts Beamte setzen sich dafür ein, auch Kartellhürden zu beseitigen. "Wir brauchen ein Wettbewerbsrecht 4.0", heißt es. Digitale Märkte dürften nicht mit analogen Regeln organisiert werden: Sie stünden für einen grenzüberschreitenden Wettbewerb. Marktmacht sei als zentraler Bewertungsmaßstab des Kartellrechts nicht mehr zeitgemäß.

Das Ministerium will das Wettbewerbsrecht so überarbeiten, dass es "enge Kooperationen zwischen Unternehmen unterstützt und nicht verhindert". Das Ziel: Auch in Europa sollen ganz große Spieler entstehen. In Deutschland wie in Europa wolle man die Entstehung von Digitalkonzernen ermöglichen, die international eine kritische Größe erreichen. Auch soll mehr Geld in die IT-Szene fließen. Die Investitionen des Bundes in die digitale Infrastruktur sollen auf zehn Prozent des Gesamtinvestitionshaushaltes steigen - auf jährlich rund drei Milliarden Euro also. Zudem soll für die Förderung von Start-ups ein "Dachfonds mit einem Volumen von einer Milliarde Euro entstehen", der gezielt in deutsche Fonds investiert, um den Kapitalzugang inländischer Startups zu verbessern.

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Quelle:
SZ vom 17.11.2016/jps
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