Süddeutsche Zeitung

Digitale Dienstleistung:Zu Tisch mit der Firma

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Florian Gottschaller will Unternehmer sein, unbedingt. Er ist einer der Gründer der Münchner Firma Spendit. Sie bietet eine Prepaid-Kreditkarte für Unternehmen und die Essensmarke-App Lunchit.

Von Elisabeth Dostert, München

Aller Anfang ist analog. Florian Gottschaller, 43, steht im Großraumbüro seiner Firma in München und zeigt auf die bunten Zettel an der weißen Wand. Er redet über "Scrum Agile Development", eine Methode, um schnell Software zu entwickeln. Auch in Gottschallers Spendit AG arbeiten die Softwareentwickler so. Es geht dabei um eine schrittweise Annäherung an die Lösung. Nach jedem Schritt wird gecheckt, ob die neue Software etwas taugt, nicht erst ganz am Ende. Wie das geht, ist an der Wand im Großraumbüro zu sehen: Unten kleben viele gelbe Zettel, es sind Vorschläge von Mitarbeitern. Oben wenige. "Wir liefern alle zwei Wochen ein Update für Lunchit", sagt Gottschaller. Die App, eine Art digitale Essensmarke, ist eines der Produkte der Spendit AG. Gottschaller und Ralph Meyer haben die Firma 2014 gegründet. Sie beschäftigt derzeit 40 Mitarbeiter.

Ihr erstes Produkt brachte die Firma kurz nach der Gründung auf den Markt - eine Prepaid-Kreditkarte, auf die Arbeitgeber steuerfreie oder -begünstigte Sachbezüge buchen können. Die Karte bezieht Spendit vom Münchner Start-up Givve, ebenfalls ein Fintech. Der Sammelbegriff steht für Unternehmen, die mit modernen Technologien Finanzdienstleistungen bieten. In Deutschland gibt es mittlerweile Schätzungen zufolge ein paar Hundert.

"Um ihr Potenzial auszuschöpfen, müssen Mitarbeiter Spaß an dem haben, was sie tun."

Eine der bunten Plastikkarten steht bei Spendit am Eingang des Büros in einer Vitrine, als wäre sie ein Schmuckstück. Spendit hat nach eigenen Angaben mehr als 2200 Firmenkunden, davon 500 für die Lunchit-App und rund 1700 für die Prepaid-Karte. Gottschaller sieht in den Prepaid-Karten ein Zeichen der "Wertschätzung" des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer. "Um ihr Potenzial auszuschöpfen, müssen Mitarbeiter Spaß haben an dem, was sie tun. In der Wissensgesellschaft ist das wichtiger denn je", sagt Gottschaller.

Spendit ist nicht die erste Gründung des Münchners. Im Studium betrieb er gemeinsam mit einem Kommilitonen eine Bar. Als Schüler trug er Zeitungen aus, "schon damals hatte ich Subunternehmer". Nach dem Studium fing er im Jahr 2000 bei 12snap an, einer Agentur für mobile Kommunikation. "Die wollten das Ebay auf dem Handy werden", erzählt Gottschaller. 12snap ging 2013 in der Serviceplan-Gruppe auf. Da arbeitete Gottschaller längst schon als Derivatespezialist bei Morgan Stanley in London. "Am Puls des Finanzmarktes zu arbeiten, macht Spaß", sagt er: "Ich hatte coole Kollegen und spannende Kunden." Gut verdient hat er auch. "Geldverdienen an sich ist für mich keine Herzensangelegenheit", sagt Gottschaller. Er sei erfolgreicher und glücklicher, wenn er inhaltlich motiviert arbeite. Deshalb sei er Unternehmer geworden. Für ihn bedeute Geld nicht Kaufkraft, sondern Freiheit, so zu leben, wie er wolle, sagt Gottschaller.

2006 wechselte er zu Bear Stearns. In der großen Finanzkrise 2008 verhinderte nur die Übernahme durch JP Morgan die Insolvenz des US-Geldinstituts. Aber Gottschaller war seinen Job los und zog zurück nach München, arbeitete für ein paar Insolvenzverwalter. "Ich wollte in komprimierter Form wissen, woran es liegt, wenn es nicht funktioniert." 2009 gründete Gottschaller Autoloader. Die Firma hat ein System zur automatischen Gepäckverladung an Flughäfen entwickelt. Es gab viele Gespräche mit Flughafen-Managern, aber der Kreis potenzieller Kunden sei dann doch zu klein gewesen. "Das System funktioniert, aber der Vertrieb nicht." Die Firma gehört immer noch Gottschaller, aber sie ruht.

"Ich hatte damals die Wahl, ob ich zurück ins Glied gehe oder den unternehmerischen Weg wähle, aus Erfahrung zu lernen und es besser zu machen", sagt er. Er nahm sich vor, jeden Tag drei Leute aus seinem Netzwerk zu treffen und zu reden. Einer war Ralph Meyer, früher Berater bei Roland Berger und Spezialist für Luftfahrt. 2014 gründeten sie Spendit und brachten die Prepaid-Kreditkarte auf den Markt.

Viel schwieriger war die Markteinführung der App Lunchit. Sie zog sich mehr als ein Jahr hin, die Gründer mussten bei den Finanzbehörden um die Anerkennung ihrer digitalen Essensmarke kämpfen. Arbeitgeber können in diesem Jahr Mahlzeiten ihrer Mitarbeiter täglich mit bis zu 6,27 Euro (2018 sind es 6,33) steuerfrei subventionieren. Anmelden müssen sich über die App Arbeitgeber und Mitarbeiter. Der Arbeitnehmer scannt den Kassenbon für seine Mahlzeit im Restaurant, am Kiosk oder aus dem Supermarkt ein. Am Ende des Monats übermittelt Lunchit eine Abrechnungstabelle an das Unternehmen. Seit der Einführung im Sommer 2016 seien mehr als 200 000 Belege verarbeitet worden, sagt Gottschaller. Im Schnitt reicht ein Mitarbeiter zwölf Belege im Monat ein.

Gottschaller kann sich noch mehr vorstellen, etwa die Digitalisierung der Reisekostenabrechnung. Um die Finanzierung seiner Pläne scheint er sich keine Sorgen zu machen. In die Spendit AG seien bislang vier Millionen Euro geflossen von drei Privatpersonen, deren Namen er nicht nennen mag, und dem Family Office Reimann Investors, das Mitgliedern der Industriellenfamilie Reimann gehört. Gottschaller und Meyer halten immer noch 70 Prozent an ihrer Firma. In diesem Jahr werde der Umsatz siebenstellig ausfallen. "Gewinn machen wir noch keinen", sagt Gottschaller: "Wir wachsen". In einer zweiten Finanzierungsrunde sammelt Spendit gerade weiteres Geld ein. Gottschaller hat Ziele, mittlere, längerfristige. Aber nur das Endziel im Blick zu haben, sei riskant, empfiehlt er.

Gottschallers Zettel an der Wand hat es nicht sehr weit gebracht. Wer seinen täglichen Essenzuschuss nicht nutze, sollte ihn über die App spenden können. Der Vorschlag wurde bislang nicht umgesetzt.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2017
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