Der digitale Wandel stellt viele Arbeitnehmer vor Herausforderungen. In den allermeisten Berufen hat sich das notwendige Wissen massiv gewandelt, Know-how aus Studium oder Ausbildung ist oft überholt. Kein Wunder also, dass die Weiterbildung bei Arbeitnehmern und Unternehmen hoch im Kurs steht. Noch interessanter sind allerdings die Methoden: Mitte 2016 veröffentlichte der Branchenverband Bitkom eine Studie , welche Fortbildungsmethoden Unternehmen nutzen. 65 Prozent setzen demnach klassisch auf Seminare oder Schulungen im Haus. Bereits 63 Prozent verwenden digitale Lernprogramme oder onlinegestützte Angebote.
Wer in die Welt des digitalen Lernens eintaucht, den mag die Themenvielfalt überraschen. Von einfachen Schmink- und Klempneranleitungen auf Youtube geht es über Tutorials für jede existierende Programmiersprache bis hin zu monatelangen Kursen, die in international anerkannten Abschlüssen enden. Zu diesen Trainings gesellen sich Angebote für "Lern-Häppchen", meist in App-Form. So lassen sich etwa beim täglichen Pendeln die eigenen Fremdsprachenkenntnisse mit Duolingo oder Babbel auffrischen, das Wissen in Programmiersprachen via Sololearn ausbauen oder ganze Udemy-Kurse aufs Handy laden.
Dadurch sinkt jedoch die Hemmschwelle: Wer sich fortbilden will, muss nicht mehr mehrere Stunden zu festen Zeiten einplanen. Es reichen ein Smartphone und etwas Zeit um die eigenen Kenntnisse in Spezialbereichen zu vertiefen.
Schüler können ihr Lerntempo selbst bestimmen
Genau dieser schnelle Zugriff auf relevante Inhalte ist die große Stärke von digitalen Kursen, sagt Steve Moran, bei dem Medien-Konzern Bertelsmann für das Lernen zuständig, neudeutsch: Chief Learning Officer. "Früher war es so: Ihr Chef möchte, dass Sie eine neue Funktion lernen, etwa für Datendarstellung in einer Tabellenkalkulation. Also wälzen Sie die Fortbildungskataloge und finden einen passenden Dreitageskurs in einem Hotel irgendwo in der Pampa, der nächste Termin ist in drei Monaten." Wer den Kurs buche und hinfahre, hoffe, dass seine konkrete Frage beantwortet wird und komme mit dem Wissen zurück. "Mit etwas Glück können Sie mit der restlichen Fortbildung auch etwas anfangen", so Moran.
Dieser Ansatz sei jedoch weder effizient noch wirklich effektiv. Beim digitalen Training suchen Nutzer die Lösung zur jeweiligen Fragestellung heraus und können sofort loslegen. So haben sie direkt ein Erfolgserlebnis und benötigen dafür nur einen Bruchteil der Zeit, sagt Moran.
Bertelsmann hat sich 2015 zu einem Wechsel, hin zu digitalen Unterrichtsinhalten entschlossen, auch um mit den veränderten Anforderungen der Digitalisierung mithalten zu können. Inzwischen haben über ein internes Learning Management System weltweit mehr als 80 000 Mitarbeiter in 31 Ländern Zugriff auf etwa 10 000 Kurse. Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist laut Moran eine "Demokratisierung" des Fortbildungssystems.
Weil der Zugang zu Schulungen so einfach ist, nutzen die Plattform auch Mitarbeiter, die nie auf klassische Weiterbildungen gefahren wären. Digitale Inhalte erlauben Trainings auch bei abgelegenen Standorten oder kleinem Abteilungsbudget - und für Kollegen in Elternzeit. Ebenfalls ideal für den Einsatz digitaler Methoden ist das Lernen von Fremdsprachen. Die klassische Schulung in Kleingruppen kommt schnell ins Stolpern, wenn einzelne Teilnehmer oder gar der Kursleiter krank sind.
Beim digitalen Lernen können Coaches und Schüler selbst bestimmen, wann sie sich wie treffen. Das muss nicht einmal vor Ort sein, dank Sprachkommunikation übers Internet können die Lehrer auf der anderen Seite des Erdballs sitzen und dennoch direkt auf einzelne Schüler eingehen. Ein gutes Beispiel für so ein Training sind angehende Expats, Mitarbeiter, die die Firma in ein anderes Land schickt. Mit Lehrern aus dem jeweiligen Land lassen sich nicht nur Sprachen üben, sondern auch kulturelle Themen besprechen - wie etwa Fettnäpfchen vermieden werden können und welche Etikette im Zielland gelten.
Abseits von Weiterbildungen durch den Arbeitgeber lassen sich die Portale zum Ausbau der eigenen Fähigkeiten nutzen. Einen interessanten Weg geht hier das Karriere-Netzwerk Linkedin. Dieses hat im Dezember 2016 seine Weiterbildungsplattform Linkedin Learning in einer deutschen Version vorgestellt. "Zu unseren populärsten Kursen gehören Inhalte wie die Grundlagen für Onlinemarketing", so Ryan Roslansky, Vizepräsident und zuständig für das Lernportal. "Auf Platz zwei liegen Videos zum Thema Zeitmanagement, danach folgen Kurse rund um die Grundlagen des Managements." Laut Roslansky lassen sich viele Anforderungen in Stellenausschreibungen gut als Kurs auf Lernplattformen abbilden. Durch die Integration von Linkedin Learning kann das Karrierenetzwerk den Mitgliedern auf Wunsch passende Kurse vorschlagen, die das eigene Profil schärfen und mit neuen Kenntnissen weiter ausbauen. "Die Halbwertszeit ist gerade bei digitalen Werkzeugen sehr kurz. Onlineplattformen helfen dabei auf dem aktuellen Stand der Technik zu bleiben, ohne dass externe Schulungen zwingend notwendig sind", so Roslansky.
Doch wie sehr helfen solche Qualifikationen wirklich bei der Stellensuche oder der Karriereentwicklung? Steve Moran von Bertelsmann sagt, im Rahmen der Bewerbung werde jeder Nachweis genau angesehen. "Bei der Bewertbarkeit trennt sich die Spreu vom Weizen. An der einen Stelle reichen möglicherweise digitale Zertifikate, bei komplexeren Fähigkeiten sollten ein Leistungsnachweis erbracht werden." Ideal sei es, ein Portfolio an digitalen Projekten vorzeigen zu können, eine Art digitales Gesellenstück.
Dabei können Lehrplattformen durchaus das Sprungbrett für eine neue Karriere sein. Der Onlinebildungsanbieter Udacity garantiert beispielsweise bei seinem "Nanodegree Plus Programm", dass Teilnehmer innerhalb von sechs Monaten einen Job bei einer namhaften Firma wie Google, Facebook oder Amazon erhalten. Andernfalls erstattet das Portal die Kosten von monatlich 299 US-Dollar. Bislang gibt es so ein Angebot nur für Arbeitnehmer mit US-Visum, dennoch zeigt es das Vertrauen der Anbieter in ihre Ausbildung.
Die Preisunterschiede sind teilweise enorm
Digitale Plattformen können viel, sind aber kein kompletter Ersatz für klassisches Training. "Teilweise braucht es gerade die persönliche Begegnung mit anderen", so Steve Moran von Bertelsmann. In einigen Bereichen sei es einfach notwendig, Verhalten im geschützten Lernraum auszuprobieren und die Wirkung direkt gespiegelt zu bekommen. "Führungskompetenzen beispielsweise lassen sich nur schwerlich rein digital erlernen."
Eine weitere Herausforderung ist die Aktualität. Ändert beispielsweise ein Programm sein Aussehen in einer neuen Version, verlieren veraltete Trainingsvideos teilweise ihren Sinn. Zusammen mit der allgemeinen Qualitätskontrolle der Videos ist diese eine große Herausforderung für die jeweiligen Plattformen. Bei Linkedin Learning habe man den Anspruch, die Kurse 24 bis 48 Stunden nach einem Programmupdate zu aktualisieren, sagt Ryan Rolansky: "Außerdem sind unsere Kurse so aufgebaut, dass man jeden Tag auch nur fünf Minuten absolvieren kann." Dazu nutzt der Anbieter Studios in Kalifornien und dem österreichischen Graz.
Bleibt die Frage, welche Plattform bei der Vielfalt der Auswahl tatsächlich die Richtige ist. Die Preisunterschiede sind teilweise enorm, von kostenlosen Mitgliedschaften wie bei Codeacademy über Einmalzahlungen für Kurse bei Udemy bis hin zu monatlichen Gebühren etwa bei Udacity sind alle Modelle vertreten.
Bevor sich Lernwillige entscheiden, sollten sie die oft angebotenen kostenlosen Probetrainings oder Testperioden unbedingt nutzen. Der Vorteil der Vielfalt ist, dass sie bei den meisten Themen zwischen verschiedenen Trainern wählen können. Damit findet sich leichter ein Lernsystem, das ideal auf das eigene Tempo zugeschnitten ist. Tatsächlich macht es sogar Spaß, unterschiedlichste Angebote zu testen. Gerade die zahlreichen Apps für das Lernen von Fremdsprachen haben verschiedenste Ansätze. Wer mit einem Angebot partout nicht zurechtkommt, dem bleiben noch genügend Lösungen für den nächsten Versuch.