Süddeutsche Zeitung

Digitale Bezahldienste:Die smarte Revolution

Ob an der Ladenkasse oder beim Online-Shopping: Das Smartphone und neue Technologien verändern das Bezahlverhalten der Verbraucher. Und bald müssen sich Unternehmen vielleicht auch noch auf eine Internetwährung einstellen.

Von Norbert Hofmann

Als der Kaufmann Franz Bruch vor mehr als 190 Jahren seinen Kolonialwarenladen gründete, hätte er wohl nicht im Traum gedacht, dass daraus einmal unter dem Namen Globus eine ganze Warenhauskette entstehen würde. Ebenso hätte ihn verwundert, dass Kunden dort an den Kassen ihr Smartphone zücken. Sie halten es kurz an ein Terminal - und der Einkauf ist bezahlt.

Globus, bis heute ein Familienunternehmen, ist nicht der einzige Händler, der mit einem solchen Angebot auf Interesse stößt. Einer Studie der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman zufolge hat jeder vierte Bundesbürger das Handy schon einmal zum Zahlen genutzt. "Der absolute Vorteil des Smartphone-Payments ist, dass es einfach und schnell geht", sagt Gökhan Öztürk, Partner im Frankfurter Büro von Oliver Wyman. Auch das kontaktlose Bezahlen mit Girocard oder Kreditkarte, bei dem die Karte nur kurz an die Ladenkasse gehalten wird, nimmt stark zu. Möglich macht es die Übertragung der Daten durch die Nahfunktechnik (Near Field Communication, NFC). In der Oliver-Wyman-Studie hat jüngst fast jeder Zweite angegeben, kontaktlos zu bezahlen. Im Sommer 2017 waren es erst 15 Prozent. "Mit zunehmender Nutzung und Erfahrung wird auch die Akzeptanz des Smartphones als Bezahlinstrument weiter steigen", ist Öztürk überzeugt.

Der Bezahlvorgang darf nicht länger als drei Sekunden dauern

Einer Studie der Beratungsgesellschaft PwC zufolge wünschen sich Jüngere unter 30 bei der Bezahlung mit Smartphone auch Zusatzleistungen wie Coupons, Rabatte oder Gutscheine. Die Kunden von Globus können solche Angebote bereits nutzen. Sie haben zudem die Wahl zwischen unterschiedlichen Bezahlsystemen. Zum einen können sie die Technologie des Bezahlungsnetzwerks Bluecode nutzen. Dabei scannen die Kassierer einen via App auf dem Smartphone generierten Barcode. Die Einkaufsrechnung wird dann direkt vom Girokonto abgebucht. Bluecode will dieses System mit anderen europäischen Zahlungsdienstleistern in der gemeinsamen Initiative European Mobile Payment Systems Association (EMPSA) jetzt europaweit ausbauen.

Andere und schon weiter verbreitete Alternativen sind Apple Pay und Google Pay, bei denen Nutzer ihre Karte in der Bezahl-App hinterlegen (siehe Beitrag unten). Noch ist der Markt klein. "Laut Statistik der Bundesbank steht das mobile Bezahlen für weniger als ein Prozent aller Transaktionen", sagt Stefan Huch, Leiter Transaction Excellence bei Capgemini Invent. Vor allem die ältere Generation wird sich nur schwer zu einer Abkehr vom Bargeld bewegen lassen. Hinzu kommt die Sorge um die Privatsphäre. "Apple und Google sind in der Lage, auch aus anonymisierten Datensätzen Rückschlüsse auf das Verhalten ihrer Kunden zu ziehen", sagt Huch. Selbst wenn sie beteuern, es nicht zu tun. Sie könnten dazu ihr Wissen über Aufenthaltsort und Alter eines Handynutzers mit den Bezahlvorgängen verknüpfen. Mit Apple Pay und Google Pay kooperieren auch Smartphone-Banken wie N 26 und Revolut. Diese jungen Technologiefirmen, bieten kostenlose Girokonten an, die via Handy eröffnet und genutzt werden. Bei Internetkäufen wächst die Bedeutung des Smartphones ebenfalls. Beschleunigend wirkt die neue EU-Zahlungsdienstleisterrichtlinie PSD 2, die - selbst wenn die Umsetzungsfrist für Onlineshops jetzt erst einmal verschoben wurde - strengere Regeln für die Authentifizierung vorsieht. Zulässig für die Legitimation ist dabei unter anderem der Fingerabdruck oder die Gesichtserkennung (Face ID).

Wichtig ist, dass es schnell geht: "Wenn der Bezahlvorgang beim Online-Shopping länger als drei Sekunden dauert, wird mehr als die Hälfte der Bestellvorgänge abgebrochen", sagt Huch. Er glaubt, dass bald neue Vertriebskanäle Furore machen könnten, zum Beispiel von Herstellern selbstfahrender Autos: "Sie bieten den Fahrern dann zum Beispiel die Möglichkeit, während der Reise einen Film für die Kinder zu ordern oder Karten fürs Restaurant oder Kino zu bestellen", sagt er. Bezahlt wird über das Display im Fahrzeug.

Facebook will jetzt über das Internet auch ein neues Zahlungsmittel mit dem Namen Libra schaffen. Das von den Nutzern für den Erwerb dieser Währung gezahlte Geld wird in Anlagen wie etwa auf US-Dollar, Euro oder Yen lautende Anleihen investiert. Durch die Anbindung an diese Hartwährungen soll der Wert von Libra nur in begrenztem Umfang schwanken. Die in Genf gegründete Libra Association wird die Cyberwährung emittieren.

Experten sind skeptisch, ob es tatsächlich zu dem für 2020 geplanten Start kommen wird. "Es fragt sich, ob die Zentralbanken eine solche Parallelwährung zulassen werden", sagt Wissenschaftler Brühl. Die Europäische Zentralbank in Frankfurt fürchtet, dass eine Kryptowährung mit hoher Akzeptanz die Wirksamkeit ihrer Geldpolitik schmälern und der Euro international an Bedeutung verlieren könnte. Stefan Huch von Capgemini Invent rechnet zwar mit Regulierungsauflagen, aber nicht mit einem Verbot. "Es ist durchaus möglich, dass sich Libra etabliert und eine große Zahl von Anwendern finden wird." Anwender sollen die Libra in einer digitalen Geldbörse namens Calibra aufbewahren und auch per Smartphone Rechnungen bezahlen können. Der Zahlungsverkehr würde über eine genehmigungspflichtige Distributed-Ledger-Technologie laufen. Anders als bei einem auf einer offenen Blockchain basierenden Bitcoin sollen Zahlungen damit relativ schnell abgewickelt werden.

"Auch Firmen könnten Libra für den internationalen Zahlungsverkehr nutzen", sagt Experte Öztürk. Facebook habe aber vor allem die jüngeren Verbraucher im Visier, die das Netzwerk an Snapchat oder das eigene Unternehmen Instagram zu verlieren droht. Libra soll ein Anreiz sein, zu bleiben. "Wenn nur zehn Prozent der Facebook-Mitglieder mitmachen, hätten mehr als 250 Millionen Menschen Libra in ihrer digitalen Geldbörse", rechnet er vor. Von solchen Kundenzahlen können viele Banken nur träumen.

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Quelle:
SZ vom 27.09.2019
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