Süddeutsche Zeitung

Dieselskandal:Audi-Kunden brauchen Geduld

Ob Kläger je eine Entschädigung von Audi bekommen, ist nach einem neuen Urteil unklar. Käufer müssen beweisen, dass der Autohersteller schuldhaft gehandelt hat. Juristen sind empört.

Von Sibylle Haas, München

Käufer eines manipulierten Dieselfahrzeugs der Marke Audi brauchen Geduld. Vorerst zumindest können Kläger nicht auf Schadenersatz von Audi hoffen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hatte zum Wochenanfang ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung ans OLG zurückverwiesen. Das OLG hatte Audi im Herbst 2019 zur Leistung von Schadenersatz verurteilt.

Im konkreten Fall geht es um einen Audi-Kunden, der im Mai 2015 einen gebrauchten Audi A6 Avant gekauft hatte. Der Wagen war mit dem Dieselmotor des Typs EA189 EU5 ausgestattet, der die manipulierte Software enthielt. Audi hatte die Motoren nicht selbst produziert, sondern von der Konzernmutter VW gekauft. Kläger gegen VW konnten bereits entsprechende Entschädigungszahlungen durchsetzen.

Das allein reichte dem BGH aber nicht aus. Der Kläger hätte beweisen müssen, so das Gericht, dass der Audi-Vorstand vom Verkauf rechtswidrig manipulierter Motoren wusste. Der Audi-Kunde muss nun seine Klage vor dem OLG Naumburg abermals begründen und belastbare Beweise für eine arglistige Täuschung und ein sittenwidriges Verhalten vorlegen. Eine "Wissenszurechnung" über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-) Gesellschaften hinweg ist nach Ansicht des Senats grundsätzlich nicht möglich.

"Aus unserer Sicht sind die Hürden hoch, um einen Anspruch des Kunden gegen die Audi AG für einen nicht von Audi entwickelten Motor zu bejahen", sagte ein Audi-Sprecher auf Anfrage. Audi sei zuversichtlich, dass das OLG Naumburg nun der Rechtsauffassung des Unternehmens folgen werde und einen Anspruch des Klägers verneine. "Es fehlt aus unserer Sicht klar an einer sittenwidrigen Täuschungshandlung der Audi AG, die den Motor nicht entwickelt hat", sagte er. Die Zahl der Schadenersatzklagen im Zusammenhang mit dem manipulierten Dieselmotor gegen Audi lägen im niedrigen vierstelligen Bereich, sagte der Sprecher weiter. Audi selbst habe in der Sache keinen Vergleich geschlossen. Zahlreiche Audi-Kunden hatten sich im Rahmen einer Musterfeststellungsklage gegen VW hingegen mit VW geeinigt.

Aus Sicht von Juristen hätte der Kläger damit nicht nur gegen Audi, sondern auch gegen VW klagen müssen, um Erfolg zu haben. "VW nachträglich zu verklagen, bringt sicher nichts, da die Sache verjährt ist", sagt Klägeranwalt Siegfried Mennemeyer, der mehrere Audi-Kunden vertritt. "Ich war überrascht von dem BGH-Urteil", sagt Mennemeyer. "Es kann nicht sein, dass VW-Kunden entschädigt wurden, ein Audi-Kunde jedoch nicht, obwohl der Motor von VW und damit identisch war", kritisiert der Anwalt, der gute Chancen sieht, den Prozess noch zu gewinnen. "Aus meiner Sicht sollten auch im Konzern die Grundsätze der sekundären Darlegungslast und damit Darlegungs- und Beweiserleichterungen für den Käufer gelten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Manipulation der VW-Motoren dem Audi-Vorstand nicht bekannt war. Zumindest dürfte sich insoweit die Darlegungslast umdrehen", erklärt Mennemeyer. Konkret bedeutet dies, dass es dann an Audi läge, sich zu entlasten. Der Anwalt erwartet die schriftliche Urteilsbegründung in den nächsten Tagen. Insgesamt dürfte es aber noch gut ein Jahr dauern, bis eine abschließende Entscheidung vorliegt.

Der Bundesverband Verbraucherzentrale, der eine Musterfeststellungklage gegen VW angestrengt hatte, die mit einem Vergleich beendet wurde, will sich zum aktuellen Fall nicht äußern. "Da der Verbraucherzentrale Bundesverband nicht am Verfahren beteiligt war und uns die Urteilsgründe nicht vorliegen, sehen wir von einer Kommentierung ab", hieß es.

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