Süddeutsche Zeitung

Dieselskandal:Razzia bei Porsche und neue Verdächtige

Der Abgasskandal bei Volkswagen erreicht nun auch den Vorstand des Stuttgarter Sportwagenherstellers - mit einer weiteren Razzia.

Von Max Hägler und Klaus Ott

Die Vorwürfe werden immer umfangreicher, mit jeder Razzia. Als Münchner Staatsanwälte im März 2017 bei der Volkswagen-Tochter Audi Einlass begehrten, präsentierten sie einen zwölfseitigen Durchsuchungsbeschluss. Zwei Monate später zogen Stuttgarter Strafverfolger, die Daimler filzten, schon 24 Seiten aus der Tasche. Und jetzt, an diesem Mittwoch bei Porsche, einer weiteren VW-Tochter, sollen es schon 36 Seiten gewesen sein. 12, 24, 36; mal schauen, was als Nächstes noch kommt.

Man kann daran ermessen, was die Ermittler inzwischen so alles gefunden und gesammelt haben. Wie sich aus ihrer Sicht das Netz immer dichter spannt um die Konzerne und Manager, die verwickelt sein sollen in den Dieselskandal. Der verästelt sich, unterschiedliche Hersteller sind unterschiedlich umgegangen mit der Herausforderung, schadstoffarme Dieselautos zu entwickeln und zu bauen. Meist und lange ging es darum, nur den Schein von Sauberkeit zu wahren. Bei Volkswagen läuft dabei alles immer wieder auf Audi zurück, die Tochter, die führend betraut war mit der Entwicklung von Dieselmotoren. Auch die Audi-Zentrale in Ingolstadt und die Dependance Neckarsulm wurden deshalb an diesem Mittwoch durchsucht, zum wiederholten Male. Von dort bezieht und bezog Porsche seine Dieselaggregate, die in die Sportwagen eingebaut werden.

"Der lügt", heißt es im Konzern über jenen Ingenieur, der hochrangige Manager belastet

Die Software, heißt es jedoch bei Audi, sei teils auch von Porsche selbst angepasst worden. Der Austausch im VW-Konzern ist groß, auch personell. Das zeigt sich an den neuen Beschuldigten, die es jetzt in der VW-Abgasaffäre gibt. Alle kommen von Porsche. Einer von ihnen war ursprünglich ein Audianer, ehe er nach Stuttgart wechselte, zu dem Sportwagenhersteller. Dort hat die örtliche Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr zu ermitteln begonnen. Anfangs noch gegen "unbekannte Mitarbeiter" von Porsche.

Jetzt haben drei Porsche-Leute ein Aktenzeichen. Ein ehemaliger Beschäftigter. Ein Ingenieur aus dem höheren Management, das ist der frühere Audianer. Und sogar Michael Steiner, der seit 2016 dem Vorstand angehört. Er folgte damals Wolfgang Hatz nach, der ebenso Karriere gemacht hatte im VW-Konzern, bei Audi, bei Volkswagen und schließlich bei Porsche. Heute sitzt Hatz in Untersuchungshaft, weil ihn ein früherer Audi-Ingenieur, Giovanni P., schwer belastet. Dieser Ingenieur ist offenbar der Grund, wieso der aktuelle Porsche-Entwicklungsvorstand nun ebenfalls zu den Beschuldigten zählt: P. hat auch zulasten von Steiner ausgesagt.

Hatz und seine Anwälte weisen die Vorwürfe zurück und kämpfen seit Monaten bei der Justiz um eine Freilassung. Mit langen Schriftsätzen, in denen P. als unglaubwürdig hingestellt wird. Bislang vergeblich, aber das kann sich noch ändern. Steiner seinerseits und auch Porsche sowie Volkswagen äußern sich nicht zu den Anschuldigungen; wegen der "laufenden Ermittlungen". Das machen Beschuldigte und Unternehmen oft so. Erster Ansprechpartner ist die Staatsanwaltschaft. Inoffiziell freilich sind klare und heftige Worte aus VW-Kreisen zu vernehmen. Steiner sei unschuldig. Und Giovanni P.? "Der lügt."

Was am Ende herauskommt, bleibt abzuwarten. Wie immer. Giovanni P. hat, als er in München in Untersuchungshaft saß, ausführlich von einer Reise mit Steiner und vielen anderen in die USA erzählt. Dort habe Steiner dafür gesorgt, dass eine ausführliche Präsentation über Audi-Dieselmanipulationen stark gekürzt worden sei. So stark, dass bei einer Besprechung mit US-Behörden Wichtiges unter den Tisch gefallen sei. Dabei habe er, P., doch zu Steiner gesagt, dass die Wahrheit auf und nicht unter den Tisch gehöre. Ist das, was P. den Ermittlern über Steiner berichtet hat, aber die Wahrheit? Ausgerechnet Steiner. Er galt und gilt bei VW als "Aufräumer". Nach Beginn der Affäre im Herbst 2015 habe ihn der damals neu eingesetzte und gerade hinausbeförderte Vorstandschef Matthias Müller gebeten, nach dem Rechten zu sehen, wie verschiedene im Konzern beschreiben. Jedenfalls hatte der frühere Porsche-Chef Müller dann als neuer VW-Chef den Kollegen Steiner eine Zeit lang mit zu Volkswagen nach Wolfsburg genommen. Der "grundsolide Schwaben" sei eine technisch versierte "Vielzweckwaffe", heißt es in Wolfsburg. 2016 wurde Steiner dann in den Porsche-Vorstand berufen, Standardgeschäft gewissermaßen. Dieser Tage hat er in dieser Funktion den Einstieg von Porsche in die Formel E erklärt, in die Elektroauto-Rennserie. Es ging um Zukunft, um die digitale Transformation, um junge Leute. Nicht um Diesel. Um den geht es jetzt wieder. Mit einem Aktenzeichen für Steiner.

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Quelle:
SZ vom 19.04.2018
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