Fast zehn Jahre nach dem Auffliegen des Dieselskandals bei Volkswagen hat das Landgericht Braunschweig vier frühere Führungskräfte des Konzerns wegen Betrugs schuldig gesprochen. Die Wirtschaftsstrafkammer des Gerichts verurteilte zwei Angeklagte zu mehrjährigen Haftstrafen, zwei Ex-Mitarbeiter erhielten Bewährungsstrafen.
Ein ehemaliger Leiter der Dieselmotoren-Entwicklung muss für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Der frühere Leiter der Antriebselektronik bekam zwei Jahre und sieben Monate Haft. Der ranghöchste Angeklagte, ein Ex-Entwicklungsvorstand der Marke Volkswagen, erhielt ein Jahr und drei Monate auf Bewährung. Ein ehemaliger Abteilungsleiter wurde zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft waren die Ingenieure und Manager tief in die Entwicklung und den Einsatz von Manipulations-Software in Millionen Fahrzeugen verstrickt. Zur Klärung der Frage, wer wann was über das geheime Programm wusste, überzogen die vier Angeklagten den ehemaligen Konzernchef Martin Winterkorn und einander mit Vorwürfen. Sie stellten sich als Bauernopfer dar.
Der Prozess dauerte fast vier Jahre. Es stand Aussage gegen Aussage. Ingenieure, die die Abschalteinrichtung vorgeschlagen haben sollen, sagten sinngemäß: Wir haben Bedenken geäußert und vor Konsequenzen gewarnt. Die Vorgesetzten entgegneten: Es wurde über Probleme gesprochen, nie aber über ungesetzliches Handeln oder gar Betrug.
Direkt zu Beginn seiner Urteilsbegründung machte der Vorsitzende Richter Christian Schütz klar, dass er mit einigen Zeugenaussagen während des Prozesses überhaupt nicht einverstanden war. Zeugen hätten vorsätzlich unzutreffende oder ungenaue Angaben gemacht, da sie teilweise selbst Beteiligte seien.
Die Staatsanwaltschaft hatte drei der Männer als Täter bezeichnet und drei beziehungsweise vier Jahre Gefängnis gefordert. Den vierten Angeklagten sahen die Strafverfolger eher als Gehilfen, der zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt werden sollte. Die Verteidigung dagegen plädierte auf drei Freisprüche und eine Verwarnung.
Das Verfahren gegen Winterkorn wurde aus gesundheitlichen Gründen vom Prozess abgetrennt. Ein Unfall mit anschließendem Klinikaufenthalt unterbrach den Prozess gegen den prominentesten Angeklagten. Ob und wann das Verfahren gegen den mittlerweile 78-Jährigen fortgesetzt wird, ist völlig offen.
Richter: Nicht nur verurteilte Ex-VW-Manager verantwortlich
Die juristische Aufarbeitung des Dieselskandals ist noch nicht beendet. In Braunschweig sind nach dem ersten Prozess und neben dem Verfahren gegen Winterkorn noch vier weitere Strafverfahren gegen insgesamt 31 Angeklagte offen, wie ein Sprecher des Landgerichts sagte.
Die Verantwortung für den Dieselskandal bei Volkswagen tragen nach Überzeugung des Landgerichts nicht nur die vier verurteilten früheren Führungskräfte. Die betroffenen Motoren seien von einer Vielzahl von Personen entwickelt worden, sagte der Richter Schütz. Nach Überzeugung der Wirtschaftsstrafkammer gebe es weitere Involvierte mit Schlüsselrollen, die teils gar nicht angeklagt seien.