Süddeutsche Zeitung

Dieselskandal:Porsche zofft sich mit Audi wegen der Abgasaffäre

  • Audi-Chef Rupert Stadler wurde von Porsche vor längerer Zeit aufgefordert, alle Mängel an den von Audi entwickelten Diesel-Motoren offenzulegen.
  • Schließlich platzte Porsche-Chef Oliver Blume der Kragen: Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte fast 22 000 Porsche Cayenne mit Diesel-Motoren, die von Audi stammten, aus dem Verkehr gezogen.
  • Er präsentierte Stadler daraufhin eine Millionen-Rechnung.

Von Klaus Ott

Was Rupert Stadler da mitten in der Abgasaffäre eines Tages auf den Tisch bekam, war nichts anderes als ein Ultimatum. Der Audi-Chef wurde aufgefordert, alle Mängel an den von seinem Unternehmen entwickelten Diesel-Motoren offenzulegen. Gemeint waren Mängel, die zu Ärger mit den Zulassungsbehörden führen könnten. Außerdem sollte Stadler seine Mitarbeiter "umgehend" anweisen, alles zu tun, was notwendig sei, um Probleme zu beheben.

Das Erstaunliche an diesem Vorgang: Die Mahnung kam nicht etwa vom Bundesverkehrsministerium oder vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Und auch nicht von der Staatsanwaltschaft München II, die wegen Betrugsverdacht ermittelt. Sondern aus dem eigenen Konzern, von der Schwestergesellschaft Porsche. Der Stuttgarter Sportwagen-Hersteller ist ebenso wie Audi in Ingolstadt ein Tochterunternehmen von Volkswagen.

Warnungen aus Stuttgart

Dort, bei VW in Wolfsburg, hatte die Affäre um manipulierte Diesel-Fahrzeuge mit weit überhöhten, gesundheitsschädlichen Abgaswerten begonnen. Inzwischen sitzt der als Audi-Chef beurlaubte Stadler in Untersuchungshaft. Die Ermittler werfen ihm vor, bewusst hingenommen zu haben, dass Audi solche Autos weiterhin produziert und als sauber verkauft habe. Sogar trotz Warnungen aus dem eigenen Konzern, eben von Porsche in Stuttgart.

Porsche-Chef Oliver Blume war vor knapp einem Jahr, am 28. Juli 2017, der Kragen geplatzt. Das KBA hatte damals fast 22 000 Sportwagen des Modells Porsche Cayenne mit Diesel-Motoren, die von Audi stammten, aus dem Verkehr gezogen. Woraufhin der Stuttgarter Vorstandschef Blume dem Ingolstädter Kollegen Stadler eine saftige Rechnung präsentierte.

Einer ersten Schätzung zufolge werde der Schaden mehr als 200 Millionen Euro betragen, schrieb Blume an Stadler. Das sei, so Blumes ausdrücklicher Hinweis, kein abschließender Betrag. Porsche behalte sich vor, "mögliche weitere Schäden gegenüber Audi geltend zu machen".

"Wir gehen dabei von Kosten in Höhe von 50 Euro pro Fahrzeug aus"

Stadler ließ sich mit der Antwort wochenlang Zeit, bis zum 21. August 2017. Dann ließ er Blume abblitzen. Audi war nur bereit, die Kosten für eine Nachrüstung der betreffenden Autos in den Werkstätten zu übernehmen. "Wir gehen dabei von Kosten in Höhe von 50 Euro pro Fahrzeug aus", schrieb Stadler.

Auf die knapp 22 000 Porsche Cayenne umgerechnet wären das gerade mal rund eine Million Euro gewesen. Fast nichts im Vergleich zu den von Porsche geforderten mehr als 200 Millionen Euro. Ob sich beide Schwestern aus der VW-Familie mittlerweile geeinigt haben, ist von außen schwer zu durchschauen. Audi und Porsche äußern sich nicht dazu, auch bei Volkswagen bleibt man wortkarg. Ein VW-Insider sagt, das Verhältnis der beiden Schwestern sei nach wie vor "sehr belastet". Die Stuttgarter sollen wochen- oder gar monatelang Rechnungen aus Ingolstadt nicht beglichen haben, um an ihr Geld zu kommen. Fast 400 Millionen Euro, die Porsche der Audi AG für Motoren und anderen Lieferungen geschuldet habe, soll auf diese Weise aufgelaufen sein.

Bis die VW-Zentrale in Wolfsburg ein Machtwort gesprochen habe, wie es in Konzernkreisen heißt. Ein Machtwort zugunsten von Stadler. Porsche habe die noch offenen Rechnungen von Audi begleichen müssen. Ohne Zusagen aus Ingolstadt, für alle Schäden in Stuttgart infolge manipulierter, von Audi entwickelter Diesel-Motoren aufzukommen. Eine solche Zusage hatte Stadler in seinem Antwortschreiben vom 21. August 2017 an Blume ausdrücklich vermieden. Sondern lediglich wissen lassen, zwecks Abstimmung einer möglichen Übernahme von Kosten sollten sich doch die Porsche-Fachleute mit den Kollegen bei Audi in Verbindung setzen. Gemäß den Regeln bei Volkswagen für solche Fälle.

Porsche-Chef Blume wollte sich das nicht gefallen lassen und hakte zwei Tage später bei Stadler nach, in einem weiteren Brief. Porsche erwarte die "vollumfängliche Übernahme" aller von Audi verursachten Kosten, mahnte Blume. Die beiden Worte "vollumfängliche Übernahme" waren fett gedruckt. Audi lehnte das zwei Monate später ab. Mehr als die zu erwartenden 50 Euro pro Fahrzeug für die Nachrüstung seien nicht drin.

Stadler soll, heißt es aus Konzernkreisen, für seine harte Linie die Rückendeckung des damaligen VW-Chefs Matthias Müller erhalten haben. Nicht einmal der Umstand, dass Müller früher Porsche-Chef gewesen war, soll den Stuttgartern geholfen haben.

Jetzt aber ist Stadler in Bedrängnis. In Untersuchungshaft befindet er sich wegen des Verdachts, er habe die Ermittlungen behindern wollen. Die Staatsanwaltschaft München II hat ihn diese Woche mehrmals vernommen, eine Freilassung ist bislang nicht absehbar. Stadler wird den Strafverfolgern vermutlich auch erklären müssen, warum er selbst nach der Warnung vom Juli 2017 aus dem eigenen Konzern offenbar nicht durchgegriffen habe. Wie es dazu kommen konnte, dass erst ein dreiviertel Jahr später bei Audi weitere 60 000 mutmaßlich manipulierte Autos entdeckt wurden.

Aber vielleicht kann Stadler ja alles erklären.

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SZ vom 06.07.2018/hgn
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