Es ist ruhig geworden um Ulrich Hackenberg, 70, der einst eine große Nummer war bei Volkswagen und dort zu den engsten Vertrauten des langjährigen Konzernchefs Martin Winterkorn gehörte. Und zu den Weggefährten von Rupert Stadler, der ebenfalls viele Jahre lang die VW-Tochter Audi leitete. Hackenberg galt als der Obertechniker im Konzern, sein Wort hatte Gewicht. Doch dann stolperte Hacki, wie er von Kollegen genannt wurde, im Herbst 2015 über die Abgasaffäre; ebenso wie Winterkorn und später auch Stadler. Große, viel beachtete Auftritte in der Automobilbranche sind seither vorbei.
Ein großes Ereignis mit Hackenberg im Mittelpunkt soll es indes noch geben nach dem Willen der Staatsanwaltschaft München II, die im Diesel-Skandal bei der Ingolstädter VW-Tochter Audi ermittelt. Nachdem die Münchner Strafverfolger es geschafft haben, Stadler und weitere Audi-Leute vor Gericht zu bringen (siehe oben), steht bald die nächste Anklage wegen Betrugsverdacht an. Gegen Hackenberg, er war zuletzt Entwicklungsvorstand bei Audi gewesen; gegen Stefan Knirsch, einen weiteren Ex-Entwicklungsvorstand von Audi; und zwei andere Verdächtige aus den Reihen der VW-Tochter. Das ist aus Kreisen von Beteiligten an dem Ermittlungsverfahren zu hören. Die Anwälte von Hackenberg und Knirsch wollten sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Den Vorwurf, in die Abgasaffäre verwickelt zu sein, haben die beiden Ex-Entwicklungsvorstände von Audi bereits vor Jahren zurückgewiesen.
Hackenberg will erst im Herbst 2015 von den Manipulationen erfahren haben
Die Ermittler sehen das anders; sie wollen unbedingt auch gegen Knirsch und Hackenberg vorgehen. Der galt bei Volkswagen als Vater des legendären Baukastensystems. Viele Modelle, viele gleiche Teile, und das in mehr als 100 Fabriken weltweit. Das war die Formel für niedrige Kosten und hohe Gewinne bei Volkswagen, einem Konzern mit unterschiedlichsten Marken bis hin zu Seat und Skoda. Konzernpatriarch Ferdinand Piëch und Winterkorn, intern Wiko genannt, hatten guten Grund, auf Hackenbergs Rat zu hören. Das Verhältnis zwischen Wiko und Hacki soll sogar so eng gewesen sein, dass der VW-Chef noch kurz vor Beginn des Abgasskandals dem Audi-Entwicklungsvorstand angekündigt habe, dieser solle in Ingolstadt aufrücken, nach ganz oben. Er, Winterkorn, wolle Audi-Chef Rupert Stadler zu sich nach Wolfsburg holen, und Hackenberg solle den Job von Stadler übernehmen. So hat es Hackenberg den Braunschweiger Ermittlern erzählt, die bei Volkswagen ermitteln. Doch kurz nach dem Auffliegen der Abgasmanipulationen im September 2015 trennten sich die Wege von Winterkorn und Hackenberg. Wie es dazu kam, dazu gibt es zwei Versionen. Die eine stammt von Hackenberg. Er erzählte der Braunschweiger Staatsanwaltschaft, die bei VW ermittelt, von einem Treffen mit Winterkorn kurz nach Beginn der Abgasaffäre am Münchner Flughafen.
Hackenbergs Version geht so: Winterkorn habe erklärt, dass er, Hackenberg, mit der Sache eigentlich nichts zu tun habe. Aber Hackenberg sei in jenen Jahren zuständig gewesen und müsse sich deshalb jetzt hinstellen und die Verantwortung übernehmen. Dann hätte das Unternehmen vielleicht eine Chance, da herauszukommen. Und er, Winterkorn, eventuell auch. Hackenberg sagte den Ermittlern auch, Winterkorn habe ihn sehr ausgenutzt und die Verantwortung auf ihn abwälzen wollen. Darüber sei er, Hackenberg, sehr enttäuscht. Aus Winterkorns Umfeld hieß es dazu schon vor Jahren, Wiko habe mitnichten Hackis Kopf gefordert. Welche Version auch zutreffen mag, beide waren kurz darauf weg bei Volkswagen und Audi.
Jetzt könnte es dazu kommen, dass Hackenberg ebenso wie Stadler vor Gericht eher den Kopf hinhalten muss als Winterkorn. Weil gegen Winterkorn in Braunschweig nichts voran geht, während in München nach Stadlers Prozessbeginn im Herbst im nächsten Jahr schon der nächste Audi-Prozss folgen können. Gegen Hackenberg, Knirsch und Co. Die Staatsanwaltschaft München II will herausgefunden haben, dass Hackenberg bei Volkswagen schon 2008 von überhöhten Abgas-Grenzwerten gewusst habe. Und im November 2013 sei Hackenberg bei Audi intern umfassend über die Probleme bei der Abgasreinigung informiert worden, so die Erkenntnisse der Ermittler.
Hackenberg habe anschließend angeordnet, dass für die bereits im Markt befindlichen Modellreihen kein Rückruf erfolgen solle, um diese Fahrzeuge gesetzeskonform umzurüsten. Lediglich für neue Motoren, die damals entwickelt wurden, solle das erfolgen. Die Ermittler glauben, Hackenberg wäre es spätestens im November 2013 möglich gewesen, Gegenmaßnahmen einzuleiten, auch bei den bereits ausgelieferten Diesel-Fahrzeugen. Hackenberg will aber erst von den Manipulationen erfahren haben, als diese im Herbst 2015 von US-Behörden enthüllt wurden. Was bei den Ermittlungen am Ende herauskommt, bleibt abzuwarten.