Diesel:Und plötzlich poltert Scheuer gegen die Autobosse

CSU-Vorstandssitzung

Ende der Geduld? Auf einer Lobbyveranstaltung der Autoindustrie kritisiert Verkehrsminister Scheuer die Branche mit ungewohnt deutlichen Worten.

(Foto: Sven Hoppe)
  • Bei einem Treffen des Auto-Lobbyverbands VDA sollte es nach Vorstellung der Industrie vor allem um Zukunftsthemen gehen.
  • Doch dann spricht Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und kritisiert die Manager in ungewohnter Deutlichkeit.
  • Der Minister war mit seiner Kritik lange eher zurückhaltend. Doch die Wahlergebnisse in Hessen und Bayern haben vieles geändert.

Von Markus Balser, Berlin

Man wüsste jetzt zu gerne, was Andreas Scheuer denkt. Der Verkehrsminister sitzt in der ersten Reihe des großen Saals beim Auto-Lobbyverband VDA. Vorne, auf dem Podium, steht am Dienstagabend Porsche-Chef Oliver Blume und sinniert über die Mobilität von Morgen. Über Leihkonzepte, die Kunden jeden Tag einen anderen Porsche bescheren, über die Reichweiten geplanter Elektroautos. Darüber, dass ein Strom-Porsche in wenigen Sekunden auf hundert Sachen beschleunigt, schneller noch als die meisten Benziner. Scheuer hört mit starrem Blick zu. Manipulation? Fahrverbote? Nachrüstung? All die Themen, die der Union gerade herbe Wahlverluste eingebrockt haben, sie sind beim Auftritt des Porsche-Chefs kein Thema. Für Scheuer allerdings schon.

Noch ahnt keiner der Zuhörer, dass gleich der ganze Saal wissen wird, was der genervte Minister über diese Art der Kommunikation denkt. Vielleicht weiß es noch nicht mal der Minister selbst. Zum VDA sind an diesem Abend rund 100 Automanager, Lobbyisten und Politiker gekommen. Ein kleiner Kreis von Fachleuten. Gereicht werden Häppchen und Drinks. Die Stimmung ist höflich zurückhaltend. Jedenfalls bis der Verkehrsminister wenig später die kleine Bühne betritt und ziemlich schnell von Null auf Hundert beschleunigt. Vielleicht noch schneller als ein Porsche. Die Mobilität von Morgen sei ja schön und gut, setzt Scheuer ziemlich laut und grantig zu einer wohl einmaligen Wutrede an. Doch er könne nicht vergessen, was in der Vergangenheit war. "Ich ärgere mich echt", schimpft der CSU-Politiker.

Warum, das erfahren die Zuhörer auch. "Ihr habt einen riesigen Nachholbedarf, um Vertrauen und Image zurückzugewinnen", ruft er den anwesenden Managern zu. Deutschland sei einmal stolz gewesen auf seine Ingenieurskunst und seine Autoentwickler. Vergangenheit. Punkt. Jetzt habe die Branche "verdammt was zu tun". Die Konzerne müssten sich endlich bei der Nachrüstung für private Pkw bewegen, sagt Scheuer. "Da müssen wir nachverhandeln." Neben den deutschen betreffe dies vor allem auch die ausländischen Hersteller. "Die machen bislang überhaupt nicht mit", sagt Scheuer.

Nicht nur wegen der ungeschminkten Wortwahl geht an diesem Abend ein Raunen durch den Saal. Mancher Zuhörer scheint kaum glauben zu können, dass ein deutscher Verkehrsminister derart schonungslos mit der größten Branche des Landes abrechnet. Branchenvertreter besorgt auch, wie vehement Scheuer plötzlich die Nachrüstung fordert, die er noch vor wenigen Wochen abgelehnt hatte - vor den für die Koalition verheerenden Wahlergebnissen in Bayern und Hessen.

Scheuer ahnt wohl, dass er die Manager mit seiner Rede überrascht, denn er erklärt auch gleich noch, warum er umdenkt. Er sei lange gegen die Nachrüstung gewesen. Doch es gebe nun einen anderen Beschluss der großen Koalition. Und den wolle er umsetzen. Die politischen Rahmenbedingungen seien nun eben so. Vor allem seit die Deutschen ihrem Ärger bei der Wahl Luft gemacht hätten.

Am Donnerstag müssen die Manager zum Nachrüstungs-Gipfel ins Verkehrsministerium

Den Managern dürfte in diesem Moment klar geworden sein, was sie an diesem Donnerstag erwartet. Für diesen Tag hat Scheuer VDA-Chef Bernhard Mattes und die drei Chefs von Daimler, BMW und VW zum Nachrüstungs-Gipfel ins Verkehrsministerium zitiert. Die Branche wehrt sich bislang mit aller Kraft dagegen, die vollen Kosten einer Nachrüstung in Problemstädten mit schlechter Luft zu tragen. Dort aber droht Millionen Autobesitzern im schlimmsten Fall Stillstand - und der Koalition noch größerer Unmut der Wähler.

Noch ist fraglich, ob die Branche am Donnerstag wirklich einlenkt. Am Dienstag aber bleibt Porsche-Chef Blume erst mal gar nichts anderes übrig, als zumindest verbal entgegenzukommen. "Wir stehen in der Verantwortung, diese Sache in Ordnung zu bringen", sagt Blume.

Porsche hat zwar selbst keine Dieselmotoren entwickelt, der Konzern war aber Abnehmer von Motoren der Konzernschwester Audi, die Abgasmanipulationen zugegeben hatte. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb auch gegen Porsche-Mitarbeiter. Der Konzern weist die Vorwürfe zurück. Vor einigen Wochen hatte Porsche angekündigt, ganz aus der Diesel-Technologie auszusteigen. Wie die Zukunft aussieht? Von 2025 an werde Porsche wohl die Hälfte seiner Autos als Elektroautos verkaufen. Der Umstieg sei wohl nur noch eine Frage der Zeit.

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