Wenn es in Deutschland jemanden gibt, der Fahrverbote für Dieselautos unbedingt verhindern will, dann ist das neben der Automobilindustrie und den Diesel-Fahrern selbst die Bundesregierung. Es sei das Ziel, Fahrbeschränkungen wo immer möglich zu vermeiden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch - einen Tag, nachdem das Bundesverwaltungsgericht Diesel-Fahrverbote in Städten mit belasteter Luft für grundsätzlich zulässig erklärt hat.
Nach dieser richterlichen Entscheidung müssen sich Deutschlands Autofahrer eigentlich auf baldige Fahrverbote für Dieselautos einstellen. In Hamburg könnte es bereits in diesem Frühjahr derartige Maßnahmen geben, Stuttgart, Düsseldorf und München dürften recht bald folgen. Es sei denn, die Politik schafft es, das Problem der schlechten Luft in Städten mit Alternativen zu lösen.
Eine davon könnte die Einführung einer "blauen Plakette" sein. Die hat die Bundesregierung stets abgelehnt, allen voran das CSU-geführte Verkehrsministerium. Nun aber ist die Lage ernst, erste Fahrverbote stehen unmittelbar bevor. Und plötzlich ist die Idee einer solchen Plakette offenbar doch nicht so abwegig: "Das Thema wird in der neuen Bundesregierung alsbald aufgegriffen werden", sagte Seibert.
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Ältere Diesel verlieren deutlich an Wert, da sind sich die Experten einig. Eine technische Nachrüstung ist in vielen Fällen teuer - oder gar nicht möglich.
Auch wenn diese Äußerung zunächst einmal eine reine Absichtserklärung ist, gilt schon die als kleine Sensation. Seit Jahren streiten sich Umwelt- und Verkehrsministerium um die blaue Plakette. Mit ihr könnte der Gesetzgeber Autos, deren Ausstoß an gesundheitsschädlichen Stickoxiden (NOₓ) im tolerierbaren Bereich liegt, sichtbar kennzeichnen und Polizisten sie so bei Kontrollen von dreckigen Dieselautos unterscheiden. Gleichzeitig würde sie eine bundesweit einheitliche Grundlage für Verbote schaffen.
Vor fast zwei Jahren, im April 2016, stand die damalige Bundesregierung sogar schon einmal kurz davor, die blaue Plakette einzuführen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hatte sich gemeinsam mit den Umweltministern der Länder darauf verständigt. Die Plakette sollte Autos kennzeichnen, die die Schadstoffgrenzwerte einhalten. Gleichzeitig sollte es in Städten mit belasteter Luft Umweltzonen geben, in die nur Autos mit blauer Plakette fahren dürften. Ein pauschales Fahrverbot für Dieselfahrzeuge hätte damit verhindert werden können. Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatten schon lange eine solche Lösung gefordert, der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sie immer abgelehnt - aber damals sah es erstmals tatsächlich danach aus, als würden die Umweltminister sich durchsetzen.
Doch der Plan hielt nur ein Wochenende. Danach schaltete sich ein erbitterter Gegner der Plakette in die Diskussion ein: Alexander Dobrindt. Er bezeichnete die Pläne als "unausgegoren und mobilitätsfeindlich" und gab zu Protokoll, dass er die Plakette nicht akzeptieren werde. Unterstützt wurde er dabei auch von Teilen der SPD. Anschließend wurde es für vier Monate verdächtig still um das Vorhaben. Wie sehr es hinter den Kulissen gebrodelt haben muss, zeigte sich im Oktober: Urplötzlich zog das Umweltministerium seinen Vorschlag wieder zurück. Die Pläne seien gestoppt, hieß es, "auf Eis gelegt".
Das Verkehrsministerium dürfte in CSU-Hand bleiben
Seitdem hat sich die Debatte nicht nennenswert bewegt. Nachdem zunächst Alexander Dobrindt die Plakette blockiert hatte, weigert sich das von der CSU geführte Bundesverkehrsministerium auch unter Christian Schmidt weiter strikt, die Pläne der Umweltminister aufzugreifen. Die blaue Plakette hängt also nach wie vor in den Untiefen des politischen Betriebs fest.
Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wächst nun jedoch der Druck auf die künftige Regierung, eine bundesweite Regelung zu finden. Die blaue Plakette könnte eine solche sein - doch dafür müssten Umwelt- und Verkehrsministerium erst ihren Streit beilegen. Auch in der neuen Bundesregierung soll das Amt des Verkehrsministers wieder einem CSU-Politiker zufallen. Als wahrscheinlich gilt, dass der bisherige Generalsekretär Andreas Scheuer den Posten übernimmt. Nur wenn er von der Dobrindt'schen Linie abweicht, dürfte die blaue Plakette eine Chance haben.