Diesel-Affäre:Kalt erwischt

Verkehr auf der Donnersbergerbrücke in München, 2014

Mittlerer Ring in München: Auf der stark befahrenen Verkehrsader werden viel zu hohe Schadstoffwerte gemessen.

(Foto: Florian Peljak)

In der Abgasaffäre gerät mit Fiat der nächste Autokonzern ins Zwielicht. Deutsche Umweltschützer ermitteln bei einem Modell des Konzerns überhöhte Stickoxid-Werte.

Von Markus BAlser, Berlin

Jürgen Resch ist als Umwelt- und Verbraucherschützer einigen Gegenwind aus der Wirtschaft gewöhnt. Egal, ob im Kampf gegen Plastiktüten oder Kohlestrom - seit Jahren legt sich der weißhaarige Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH) regelmäßig mit Unternehmen an. "Was wir im Abgasskandal derzeit mit Teilen der Autoindustrie erleben, ist neu", sagt Resch aber: Die Drohungen hätten Ausmaße angenommen, die er in seiner 29-jährigen Tätigkeit so noch nicht erlebt habe. "Der Druck ist sehr hoch", formuliert es Resch. Was das bedeutet, wird am Dienstag auf der DUH-Pressekonferenz in Berlin deutlich. "Kein Wort", sagt Resch werde man über die so genannte Abschaltautomatik verlieren, die den Dieselskandal ins Rollen brachte. Das sei für den Verein schlichtweg zu riskant.

Resch hält ein komplett geschwärztes Schreiben von Daimler-Anwälten in die Kameras, in dem der Konzern laut früheren Angaben Millionen Euro Schadenersatz fordert, sollte die DUH behaupten, der Konzern verwende das technische Hilfsmittel. Denn abgeschaltet, fürchtet Resch, würde dann sein Umweltverband. "Wir wären nächste Woche pleite."

Die Prüfer der Fachhochschule Bern waren fassungslos über die Ergebnisse ihrer Abgastests

Die Deutsche Umwelthilfe wird derzeit zum Schrecken der Autobranche. Der Verband knöpft sich mit eigenen Messungen im Abgasskandal immer neue Hersteller vor. Nach Bekanntwerden der VW-Affäre hatte sie bereits bei BMW, Opel und zuletzt Daimler ähnliche, angebliche Verstöße angeprangert. Am Dienstag nahm Resch den nächsten Konzern ins Visier: Fiat. Das Geländemodell 500X 2.0 MJ habe bei Tests im Auftrag des Verbandes bis zu 22-mal mehr Stickoxide (NOX) ausgestoßen als EU-Grenzwerte erlaubten, teilte die DUH mit.

Da sie den deutschen Prüfern wegen der Abhängigkeiten von der Autobranche kaum noch traut, hatte die Organisation die Tests von der Fachhochschule Bern in der Schweiz machen lassen - mit überraschenden Ergebnissen: Selbst die Prüfer seien fassungslos gewesen, sagt Axel Friedrich, einst Verkehrsexperte des Umweltbundesamtes, heute Berater auch der Umwelthilfe. Die Überschreitungen sei teils so hoch ausgefallen, dass die benutzten Programme sie gar nicht hätten darstellen können. Nach Auffassung der DUH verstößt Fiat damit gegen die Zulassungsvorschriften der EU. Lediglich im kalten Zustand und mit spezieller Konditionierung seien Werte in der Nähe der erlaubten Diesel-Norm ermittelt worden. Bei betriebswarmem Motor habe der Fiat "sehr hohe" Stickoxid-Emissionen aufgewiesen.

Damit mutiere der VW-Skandal endgültig zum Diesel-Skandal nicht nur deutscher Hersteller, kritisiert die DUH. Mit Fiat reihe sich nun ein italienisch-amerikanischer Automobilkonzern in den Kreis der schmutzigen Dieselhersteller ein. Fiat war 2014 vollständig mit dem US-Konzern fusioniert.

Fiat äußerte sich am Dienstag nicht zu den Vorwürfen. Die Hersteller bestreiten, gegen Vorschriften verstoßen zu haben. Noch vor wenigen Tagen hatte auch der Fiat-Konzern erklärt, dass seine Diesel-Motoren alle geltenden Emissionsvorschriften erfüllen. Man habe dies gründlich untersucht. Lediglich Volkswagen hatte nach Ermittlungen der US-Umweltbehörde EPA zugegeben, eine spezielle Software eingesetzt zu haben, die auf Prüfständen zu niedrigeren Abgaswerten führte als im Alltagsbetrieb.

Derweil wird immer klarer, dass über deutsche Straßen Autos mit gefährlich hohen Abgaswerten rollen. Dabei sind Stickoxide in hoher Konzentration gesundheitsgefährdend. Studien führen Gesundheitsprobleme und sogar Todesfälle auf die schlechte Luft zurück. Gerade die Emissionen aus dem Verkehr tragen wesentlich zu den hohen Feinstaubwerten in Städten bei, die zuletzt in Stuttgart zum ersten offiziellen "Feinstaub-Alarm" in einer deutschen Großstadt geführt hatten.

Umweltschützer erhöhten auch deshalb am Dienstag erneut den Druck auf die Branche und die Politik, umzusteuern. "Die verantwortlichen Vorstände der Unternehmen, die in vollem Wissen der extrem erhöhten Stickoxid-Emissionen unter normalen Fahrbedingungen derart schmutzige Diesel-Pkw verkaufen, machen sich tausendfacher vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge schuldig", sagte Resch. Die deutsche Politik , auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hätten offenbar kein Interesse an einer Aufklärung des Diesel-Abgasskandals. Bitten der DUH um Gespräche würden abgelehnt, seit September erhalte die DUH nicht einmal Eingangsbestätigungen für übersandte Schreiben und übermittelte Abgasmessungen. Stattdessen fänden interne Gespräche zwischen Ministerium und Herstellern statt, die nicht veröffentlicht würden.

Schon vor fast genau fünf Jahren, am 11. Februar 2011, hatte die Umwelthilfe das Verkehrsministerium nach eigenen Angaben bei einem Treffen über stark erhöhte Stickoxid-Werte eines VW-Modells informiert. "Wäre damals staatlicherseits gehandelt worden, hätte der VW-Skandal so verhindert werden können", sagte Resch. Passiert sei stattdessen nichts. Nachfragen der Linken-Bundestagsfraktion hätten ergeben, dass von dem Treffen keine Gesprächsprotokolle in dem Ministerium existieren. "Dabei hatten wir damals mit allen relevanten Beamten gesprochen."

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