Die Zukunft von Opel:Merkel zwischen vielen Stühlen

In der Causa Opel ist die Bundesregierung Partei und Vermittler. Sie kann einen Deal gegen ihre Interessen erschweren, aber schwerlich verhindern. GM sitzt am längeren Hebel.

Nico Fried

Thüringens Wirtschaftsminister verdient an dieser Stelle besondere Erwähnung. Der CDU-Mann Jürgen Reinholz hat dem interessierten Publikum erklärt, weshalb General Motors sich noch nicht zu einem Verkauf der Firma Opel an Magna entschließen konnte: GM wolle die Bundestagswahlen abwarten, um mit einer neuen schwarz-gelben Regierung in Berlin den Verkauf an den Finanzinvestor Ripplewood abzuschließen. Es ist nicht bekannt, über welche Insider-Kenntnisse aus Detroit Herr Reinholz aus Erfurt verfügt. Zu befürchten ist allerdings, dass dieses Wissen gering ist, wohingegen seine Einschätzung, welches Interesse Amerikaner für die Feinheiten deutscher Innenpolitik entwickeln, maßlos überzogen sein dürfte.

Merkel im Opel, ddp

Kanzlerin Merkel hat sich früh auf Magna als Opel-Käufer festgelegt.

(Foto: Foto: ddp)

Wichtige und weniger wichtige deutsche Politiker haben am Wochenende mit einigem Unmut die Entscheidung von GM kommentiert, besser gesagt: das Ausbleiben der Entscheidung. Beamte und Politiker bis hinauf zum Außenminister haben mit ihren US-Kollegen telefoniert. Der Fall Opel belaste das deutsch-amerikanische Verhältnis, heißt es jetzt. Wenn das so sein sollte, dann darf man - so unangenehm die Hängepartie um Opel für die betroffenen Arbeitnehmer ist - zunächst feststellen, dass es um die Beziehungen schon schlechter stand. So lange liegen die Zeiten nicht zurück, da sich Deutschland und die USA in Fragen von Krieg und Frieden nicht einig waren und ihre Spitzenpolitiker kaum miteinander sprachen. Heute geht es um Kredite, Patente und Gebühren, kurz: um Details, wie sie komplizierten Geschäften zu eigen sind.

Das eigentliche Problem im Fall Opel hat mit dem deutsch-amerikanischen Verhältnis nichts zu tun, sondern bestünde auch, wenn Rüsselsheim in Albanien läge. Denn dieses eigentliche Problem ist die Asymmetrie der Verhandlungen aufgrund der unterschiedlichen Besitzverhältnisse: Die US-Regierung hat sich mit mehr als 50 Milliarden Dollar zum Mehrheitseigner des GM-Konzerns gemacht. Sie hat mit Steuergeldern ein Insolvenzverfahren durchgepeitscht, das bereits Tausende Arbeitsplätze gekostet hat. Die Regierung beherrscht den Verwaltungsrat und hat angekündigt, das Management genauer zu kontrollieren, was nach Jahren des ungebremsten Steuerns in den Ruin auch angebracht erscheint.

General Motors ist heute ein Staatskonzern. Und für Barack Obama steht mit der Sanierung auch die Reputation als Manager der Wirtschaftskrise auf dem Spiel. Er und seine Leute brauchen jedenfalls nicht in erster Linie eine zufriedene Bundesregierung, sondern die besten Perspektiven für General Motors. Der Präsident hat nichts zu verschenken - weder an Merkel, noch an Steinmeier und auch nicht an Westerwelle, wenn er den Namen denn schon mal gehört hat.

Die große Koalition in Berlin dagegen handelt nur treuhänderisch für die Interessen der Opelaner. Ihr gehört nichts bei Opel, abgesehen von den guten Wünschen derer, die um ihre Arbeitsplätze bangen, und einem Kredit in Höhe von 1,5 Milliarden, mit dem der Betrieb am Laufen gehalten wurde. Über eine Insolvenz hat Wirtschaftsminister zu Guttenberg zwar auch philosophiert. Steuergelder aber, womöglich sogar eine Verstaatlichung, hatte die Kanzlerin als Option schon abgeräumt, bevor sie überhaupt auf dem Tisch lag. In Deutschland orientiert man sich streng an ordnungspolitischen Prinzipien, in den USA hingegen handelt man lieber streng pragmatisch.

Die Bundesregierung - Partei und Vermittler

In jenen Nächten, als die Koalitionäre den besten Bieter für den Autobauer suchten, bedurfte es Beschwerden auf höchster Ebene, bis die US-Seite überhaupt einen satisfaktionsfähigen Vertreter an den Verhandlungen im Kanzleramt beteiligte. Damals war die Not von GM zu groß, und es entstand der Vergleich, dass die Opel-Sorgen in den USA empfunden würden wie die Sorgen einer südafrikanischen Fabrik, wenn in Deutschland Volkswagen pleiteginge.

Jetzt, da die Sache unter Dach und Fach gebracht werden soll, geht es GM viel besser, ja in gewisser Weise schon wieder zu gut: Was immer der genaue Grund für die verzögerte Entscheidung über den Verkauf von Opel sein mag, General Motors kann es sich offenbar leisten. Die Not ist jetzt zu klein. Umgekehrt bietet die Bundesregierung nicht mehr Überlebenshilfe an, sondern bittet inständig darum, dass GM das Magna-Konzept überleben lässt.

Die Bundesregierung ist im Fall Opel also zugleich Partei und Vermittler. Sie kann einen Deal gegen ihre Interessen erschweren, aber schwerlich verhindern. So war das von Anfang an, nicht umsonst hat man in Berlin stets darauf hingewiesen, dass GM der Besitzer, mithin auch der Verkäufer von Opel sei. Trotzdem sieht sich die Kanzlerin Erwartungen ausgesetzt, die sie nur erfüllen könnte, wenn sie in anderer Position wäre.

Mit der Präferenz für Magna und das dazugehörige Konsortium hat sich Angela Merkel außerdem noch zur Fürsprecherin von Interessen gemacht, hinter denen formal russische Firmen stehen, in Wahrheit aber wohl die russische Regierung. Es sind also ziemlich viele Stühle, zwischen denen die Bundesregierung sitzt. Das aber ist vor allem das Ergebnis ihrer eigenen Strategie - und nicht die Schuld der amerikanischen Regierung.

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