Die Strategen der Deutschen Bank:Ackermanns Flügelzange

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Der Inder Anshu Jain und der Westfale Rainer Neske stehen für die Doppelstrategie der Deutschen Bank - und halten Ackermann den Rücken frei.

Martin Hesse

In Frankfurt erinnert man sich noch gut an die berühmteste Flügelzange der Fußballgeschichte. Jürgen ,,Grabi'' Grabowski und Bernd ,,Holz'' Hölzenbein setzten im WM-Finale 1974 den Holländern über die Außenbahnen so zu, dass es gegen den scheinbar überlegenen Konkurrenten zum Titel reichte.

Deutsche Bank-Chef Ackermann weiß die Qualitäten seiner beiden Spitzenbanker zu schätzen. (Foto: Foto: Reuters)

So ähnlich hätten sie es gerne auch bei der Deutschen Bank. In der elfköpfigen Führungsmannschaft des Frankfurter Finanzkonzerns, dem Group Executive Committee (GEC), bilden Anshu Jain und Rainer Neske die Flügelzange.

Mit einer offensiven Strategie im Investmentbanking auf der einen und dem Privatkundengeschäft auf der anderen Seite sollen sie die Konkurrenz aushebeln.

Erfolgreicher Investmentbanker

Jain, 43, und Neske, 42, sind die jüngsten Mitglieder im GEC. Und hinter dem dominanten Regisseur Ackermann waren sie im Jahr 2006 die auffälligsten Akteure bei der Deutschen Bank.

Der Inder Jain leitet den Geschäftsbereich Global Markets, den Handel mit Aktien und Anleihen, Devisen und Derivaten. Zum Konzerngewinn von sechs Milliarden Euro trugen Jain und sein Team 2005 etwa die Hälfte bei.

,,Rainmaker'', übersetzt Regenmacher, nennen Banker jene Leute, die das große Geld ranschaffen, und 2006 dürfte Jains Anteil noch gewachsen sein. Neske steuerte mit dem Bereich Privat- und Geschäftskunden 2005 rund eine Milliarde Euro zum Konzerngewinn bei.

Jahrelang lief bei der Deutschen Bank fast alles über den Investmentbanking-Flügel und damit über Jain. So wollte es Ackermann, der Mitte der neunziger Jahre unter Hilmar Kopper die Metamorphose der Deutschen Bank zur Investmentbank betrieb.

Die Stütze Ackermanns

Schon damals verknüpfte Ackermann sein Schicksal mit dem Erfolg Jains. Der junge Jain kam 1995 im Gefolge von Edson Mitchell von Merrill Lynch zur Deutschen Bank. Die beiden Star-Händler unterstützten Ackermann auf dem Weg an die Konzernspitze. Nach dem tragischen Tod Mitchells, der Weihnachten 2000 mit einem Flugzeug abstürzte, übertrug Ackermann Jain die Leitung der Handelsabteilung.

Jains Macht in der Bank wuchs mit seinem Erfolg. Immer wieder tauchte daher sein Name auf, wenn es darum ging, wer Ackermann beerben könnte. Den Führungsanspruch und das Potential dazu habe Jain, heißt es in der Bankenszene.

Andere bezweifeln, dass er seine komfortable Position in London aufgeben würde. ,,Wenn er in den Handelsraum kommt, ist er Gott. Und wenn man Gott ist, kann man nur verlieren'', meint ein Headhunter. Doch angeblich lernt Jain deutsch, um die Kapitänsrolle in Frankfurt einst übernehmen zu können.

Die Stärkung des Privatkunden-Bereichs

Vorerst aber liegt der Ball bei Ackermann, der nach der Einstellung des Mannesmann-Verfahrens fest im Sattel sitzt. Und weil Aktionäre fürchten, die Deutsche Bank sei zu abhängig von der Form der Investmentbanker um Jain, stärkte Ackermann 2006 den anderen Flügel: Mit dem Kauf der Berliner Bank und der Norisbank rückte Privatkunden-Chef Neske stärker in den Mittelpunkt.

Neske kam schon 1990 zur Deutschen Bank, nachdem er Informatik und Betriebswirtschaft studiert hatte. Mit 36 rückte er in den Vorstand der Deutsche Bank 24 auf und half, die glücklose Marke zu beerdigen und das Geschäft mit Privat- und Geschäftskunden neu auszurichten.

Die Aufwertung innerhalb der Bank macht Neske Spaß. Das merkt man, wenn er in eckigem Westfälisch seine ehrgeizigen Ziele formuliert. Um dreißig Prozent wolle er in den nächsten zwei Jahren das Ergebnis steigern, hat Neske angekündigt.

Allerdings ist Neske auch Realist. Er weiß, dass sein Flügel der schwächere bleiben wird. Doch er will sich für die Mannschaft unentbehrlich machen und betont, wie wichtig das Privatkundengeschäft für die Investmentbanker sei. ,,Sie glauben nicht, wie sie den in London lieben'', heißt es in seinem Umfeld. Unter Investmentbankern lästert man dagegen, das Privatkundengeschäft sei den Londoner Deutsch-Bankern herzlich egal.

London Westend trifft Münster

Neske und Jain treffen sich alle paar Monate, besprechen Trends und tauschen Ideen aus. Es heißt, sie verstünden sich gut, wenn sie auch sehr verschieden zu sein scheinen: Dort der Inder Jain, der im schicken Londoner Westend wohnt, hier der Münsteraner Neske, der in der Region den Kontakt zur Basis sucht.

Der eine liebt Cricket, der andere die Formel 1. Jain gilt als unnahbar, Neske sucht die Nähe zu Menschen. Doch die beiden haben auch Gemeinsamkeiten.

Das globale Flair der Deutschen Bank etwa schätzt auch Neske, der die Internationalisierung predigt. Wie Neske gilt auch Jain als guter Redner, beide verstünden es zu motivieren, loben Mitarbeiter.

Die Fußballer Grabowski und Hölzenbein vertrugen sich im Übrigen nicht besonders gut und sprachen jahrelang kein Wort miteinander. Erfolg hatten sie trotzdem.

© SZ vom 05.01.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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